Höxter-Prozess in Paderborn Schulden, Putzen und Isolation

Höxter · Im Mordprozess Höxter gibt es noch viele Fragezeichen. Bei den Opfern aber zeichnet sich immer deutlicher ein Muster ab. Die Frauen mussten Geld abliefern, putzen und kochen. Die Regeln waren streng. Bei Nichtbeachtung setzte es Prügel

Mordprozess von Höxter: Ex-Ehepaar vor Gericht
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Mordprozess von Höxter: Ex-Ehepaar vor Gericht

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Foto: dpa, gki sab jai

Im Mordprozess um das sogenannte Horror-Haus von Höxter zeichnet sich beim Umgang der mutmaßlichen Täter mit den Opfern ein immer wiederkehrendes Muster ab. Die Frauen mussten Geld mitbringen, um das Leben der Angeklagten Angelika (48) und Wilfried W. (47) mit zu finanzieren. Sie mussten putzen, kochen und wurden psychisch unter Druck gesetzt, wenn sie sich nicht an bestimmte vorgegebene Regeln der beiden Angeklagten hielten. Nach Aussage mehrerer Opfer isolierten die Angeklagten sie von der Familie und Freunden.

Am Ende kamen 10.000 Euro zusammen

Dieses Muster zeigte sich auch am 18. Verhandlungstag. Eine heute 31 Jahre alte Frau hatte Wilfried W. 2008 über eine Kontaktanzeige kennengelernt und sagte dazu am Dienstag über mehrere Stunden aus. Zu diesem Zeitpunkt lebten die Angeklagten noch nicht in Höxter. Wie mehrere Frauen in den folgenden Jahren musste auch sie Geld abliefern. Am Ende hatte sie rund 10.000 Euro an die beiden gezahlt. Voraussetzung für Treffen mit Wilfried war das Einhalten von Regeln beim Putzen und Kochen.

"Wir stritten uns stundenlang um Kleinigkeiten. So kümmerte ich mich einmal um das Essen auf dem Herd, als er nach einem Einkauf an der Tür schellte. Als ich im öffnete und sofort zurück zum Herd ging, gab es sofort Prügel, weil ich ihm nicht genug Aufmerksamkeit schenkte", sagte die Frau, die heute in Niedersachsen lebt. Dabei glaubte die Frau irgendwann daran, dass sie selbst für die Schläge verantwortlich war: "Denn ich hatte die Regeln ja nicht eingehalten."

Gefälschte SMS an Freunde geschickt

Eltern und Freunden wurden gefälschte SMS-Nachrichten geschickt, denen zufolge die damalige Freundin von Wilfried W. angeblich keinen Kontakt mehr wünschte. Ihren Führerschein verlor die Frau, weil die Angeklagten bei den Behörden eine Epilepsie-Krankheit angezeigt hatten. Wegen der Epilepsie soll Wilfried die Zeugin auch zur Einnahme von Tabletten gezwungen haben. "Ich stand ständig neben mir und hatte keinen Lebenswillen mehr", sagte die Frau unter Tränen.

Die damalige Abiturientin kann sich heute nicht mehr erklären, warum sie Wilfried W. nach den ersten Misshandlungen nicht sofort verließ. Die Zeugin schob das auf ihr damaliges Alter. "Ich war 21. Alle hatten mir vorhergesagt, dass diese Beziehung eh keine Zukunft hat, es war vielleicht auch Trotz gegenüber meinen Eltern", sagte die Frau, die heute verheiratet in Norddeutschland lebt.

"Ich kann das nicht verstehen"

Der Vorsitzende Richter Bernd Emminghaus sagte in Richtung Zeugenstand: "Ich kann das nicht verstehen." Die Staatsanwaltschaft wirft Angelika und Wilfried W. brutale Quälereien mehrerer Frauen vor. Gemeinsam sollen sie über Jahre hinweg immer wieder Frauen in ein Haus nach Ostwestfalen gelockt und dort schwer misshandelt haben. Zwei von ihnen starben völlig ausgezehrt. Beide werfen sich gegenseitig vor, die treibende Kraft gewesen zu sein. Der Prozess um das "Horrorhaus" wird am 9. Mai fortgesetzt. Ein Urteil wird frühestens im Herbst erwartet.

(lnw)
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