Alternativer Erotikfilm aus Köln-Kalk Pornodreh im Königsforst

Maike Brochhaus und Sören Störung aus Köln haben einen Erotikfilm produziert, der an Pornos aus den 70er Jahren erinnert - aber noch viel mehr sein will als das. "Schnick Schnack Schnuck" soll ein Gegenstück sein zum "verrohten, leistungsorientierten" Porno, wie die Regisseure sagen.

Bilder vom Porno-Set im Königsforst in Köln-Kalk
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Am Porno-Set im Königsforst in Köln-Kalk

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Berühmte Pornostars haben Namen wie Linda Lovelace oder Missy Monroe — die Darsteller im ersten Kölner "Kalk Post Porno" heißen Kai, Steffi oder Felix. Kai und Steffi haben auch keinen Sex am Pool eines Hauses in den Hollywood Hills, sondern im Königsforst. Wie es dazu kam? Ganz einfach. Völlig in Gedanken hat Kai Steffi mit seinem Rad umgefahren. Ob er das wieder gutmachen kann, fragt er. Kann er, sagt Steffi. Mit Sex. Hier und jetzt, im Wald.

So fängt er an, der Erotikfilm "Schnick Schnack Schnuck" der Kölner Regisseure Maike Brochhaus und Sören Störung (35). Das Paar ist seit zwölf Jahren zusammen und genervt "vom Mainstream-Porno". "Wir mochten immer schon die deutschen und amerikanischen Pornofilme aus den 70ern, mit lustigen Charakteren und Spielfilmcharakter", sagt die 31-Jährige. Die Filme wurden damals fürs Kino produziert, es gibt zwischen den Sexszenen viele Spielsequenzen. "Sonst hätte man im Kino ja nicht gewusst, wohin mit sich", sagt Brochhaus und lacht.

"Die meisten Pornos werden von Männern für Männer gedreht"

Mit "Schnick Schnack Schnuck" wollte die Kunsthistorikerin an den Erotikfilm der 70er Jahre anknüpfen. "Es ist eine moderne Komödie mit Sexszenen", sagt sie. Sie wollte ein Gegenstück schaffen zum "verrohten, leistungsorientierten Porno", in dem man oft nicht mal die Gesichter der Darsteller sehe, sondern nur Geschlechtsteile in Großaufnahme. Sie wollte einen Film produzieren, der weder Hardcore-Porno ist noch liebloses Schmuddel-Amateur-Video. Außerdem: "Die meisten Pornos werden von Männern für Männer gedreht", sagt Sören Störung. "Da ist dann das zu sehen, was Männer sehen wollen."

Maike Brochhaus wollte aber auch keinen rein feministischen Film drehen. "Es geht eher um einen gleichberechtigten Ansatz", sagt sie. "Die Zuschauer werden herausgefordert, über ihren eigenen Tellerrand hinauszuschauen — es gibt Sexszenen zwischen Hetero-Paaren, aber auch zwischen zwei Frauen oder zwei Männern, das alles läuft sehr spielerisch ab." In ihrem Film soll nicht die Frau das Lust-Objekt des Mannes sein. "Beide sollen Objekte sein, aber auch Individuen mit eigenen Vorstellungen und Meinungen."

Und so durften die Laiendarsteller, die sich über ein Casting gemeldet haben, selbst entscheiden, auf welche Sex-Szenen der Dreh hinausläuft. "Alle konnten machen, was sie wollen." Nach einer ersten Kennenlernrunde wurden die Darsteller diskret gefragt, mit wem sie sich Sex vor laufenden Kameras vorstellen könnten. "Sie haben uns gesagt: Den find' ich heiß oder die lässt mich kalt — so haben sich die Paare gefunden." Zum Warmwerden wurden erst einmal eine Woche lang die Dialoge geprobt.

Gedreht wurde in Wohnungen von Freunden, aber auch draußen, im Königsforst oder an einem kleinen Kölner See. "Dafür brauchten wir eine Drehgenehmigung von einem Anglerverein", erzählt Brochhaus. Man wolle "eine kleine studentische Komödie drehen", sagte sie dem Vereinsvorsitzenden, einem älteren Herrn. Der hatte nichts dagegen und überließ dem Team sogar sein Boot — beim herbstlichen Dreh war dann auch kein Angler weit und breit zu sehen.

"Wir zeigen Normalität"

Brochhaus, die gerade ihr Referendariat macht, hat an der Uni Siegen Seminare gegeben, Thema: "Das Pornografische im Kunstkontext". Wo hört Pornografie auf, wo fängt Kunst an? In ihren Filmen will sie ganz normale Leute sehen, die anbandeln, sich küssen und nicht wie die Tiere übereinander herfallen. "Wir zeigen Normalität, dazu gehört auch mal ein Typ, der mit einem nicht erigierten Penis durchs Bild läuft", sagt sie. Dafür ernteten sie auch Spott, einer schrieb: "Die Hipster kriegen noch nicht mal einen hoch." Aber das Paar bekommt auch viele nette Mails. "Wir haben euren Film gesehen", schrieb gerade erst jemand. "Danke — das wurde ein schöner Abend." Und auf dem Pornfilm-Festival in Berlin wurde die Produktion im vergangenen Jahr in der Kategorie "Best Director" ausgezeichnet.

"Schnick Schnack Schnuck" ist der zweite Film von Brochhaus und Störung. Der erste heißt "Häppchenweise" und ist sehr viel züchtiger. "Es ist eher ein Laberfilm mit einer Mini-Sexszene", sagt Brochhaus.

Finanziert hat das Paar den zweiten Film über Crowdfunding. 10.000 Euro sind so zusammengekommen. Das Geld floss in den Bau der Kulissen und das Equipment. Alle Beteiligten machten erst einmal ehrenamtlich mit. Doch es läuft nicht schlecht. Immer mehr Leute laden sich den Film herunter oder kaufen ihn auf DVD. "Davon wird das Team bald profitieren", sagt Brochhaus. Momentan arbeitet das Paar bereits an einem dritten Film. Aber egal, wie gut es läuft: "Wir wollen keine Pornoproduktionsfirma werden", sagt Brochhaus. Sie möchte nicht Gefahr laufen, irgendwann unter wirtschaftlichen Druck zu geraten und Filme drehen zu müssen, die sie vielleicht gar nicht drehen möchte. "Wir wollen zeigen: Hinter unseren Filmen stecken seriöse Leute. Und Porno geht auch anders."

(hsr)
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