"Satanist von Witten" vor Gericht Daniel W. zitiert vor dem Freispruch aus der Bibel

Nach drei langen Verhandlungstagen ist am Donnerstag das Urteil im Prozess gegen Daniel W. gefallen, der vor vielen Jahren als "Satanist von Witten" Schlagzeilen gemacht hat: Die Richter sprachen den 41-Jährigen vom Vorwurf, einen Mord geplant zu haben, frei.

Satanist von Witten: Gericht in Bochum spricht Daniel W. frei
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Bevor die Schwurgerichtskammer sich vor der Urteilsverkündung zur Beratung zurückzieht, hat der Angeklagte Daniel W. das letzte Wort. Und der Mann, der als "Satanist von Witten" vor 16 Jahren im Nosferatu-Shirt und mit herausgestreckter Zunge eine bizarre Show im Bochumer Landgericht abgezogen hat, zitiert aus der Bibel. Es sind einige Verse aus dem Buch Moses, sie beziehen sich auf den Umgang mit falschen Zeugen vor Gericht, sinngemäß heißt es: Bezichtigt jemand einen anderen falsch, "sollt ihr mit ihm so verfahren, wie er mit seinem Bruder verfahren wollte." Zuletzt blickt der 41-Jährige zur Vorsitzenden Richterin und sagt: "Ich bin nicht schuld."

Das sieht auch das Gericht so und spricht Daniel W. frei. Angeklagt war er wegen versuchter Anstiftung zum Mord. Doch Paula K. (Name geändert), die Frau, die behauptet hatte, er habe sie dazu anstiften wollen, seine Ex-Frau zu töten, hatte sich immer wieder in Widersprüche verstrickt. "Das war nicht nur fahrlässig, es waren in vielen Punkten Falschaussagen", sagt die Vorsitzende bei der Urteilsverkündung. Schon am Mittwoch hatte sie der 34-Jährigen klar gemacht, dass sie mit einem eigenen Verfahren wegen Verleumdung, übler Nachrede und mittelbarer Freiheitsberaubung rechnen muss.

Ein psychiatrischer Gutachter hatte Paula K., die unter anderem als Detektivin arbeitet, einen Darstellungszwang attestiert, sie betrachte sich selbst außerdem als Verfechterin des Rechts — im Job kommt sie ihrem Drang, für Recht und Ordnung sorgen zu müssen, mit dem Überführen von Ladendieben nach. Im Falle von Daniel W. führte dieses Rechtsbewusstsein nach Ansicht des Gerichts dazu, dass sie dafür sorgen wollte, "dass der nicht mehr frei kommt", wie sie im Prozess gesagt hatte. Sie habe mit ihrer Anzeige sich selbst und die Gesellschaft vor einem Mörder schützen wollen.

Keine Beweise für Bedrohung

Einer der Gründe für ihre Anzeige scheint schlicht verschmähte Liebe zu sein. Daniel W. hatte ihr Ende Mai 2010 aus dem Gefängnis geschrieben, dass das nichts werde mit den ihnen. "Die Trennung führte direkt dazu, dass sie ihn anzeigte und bezichtigte, einen Fluchtversuch zu planen", sagt die Vorsitzende. Von einem Mordauftrag war damals nicht die Rede. Paula K. schickte Daniel W. noch drei weitere Briefe, bekam aber keine Antwort mehr. Im März 2014 marschierte sie zur Staatsanwaltschaft und berichtete von der angeblichen Anstiftung zum Mord. Sie sagte außerdem, dass sie seit Jahren von W. bedroht werde, Beweise dafür hatte sie nicht. Kurz zuvor hatte sie in der Zeitung gelesen, dass Daniel W. seine Strafe nach dem Ritualmord an einem Bekannten verbüßt hatte und bald wieder frei sei. Sie legte als Beweise für die angebliche Anstiftung zum Mord die Briefe vor, die Daniel W. ihr geschrieben hatte.

Daniel W. schrieb Paula K. im März 2010: "Sag, die Bekloppte wohnt sieben Kilometer von deinem Haus entfernt?" Er meinte damit seine Ex-Frau, die in einer psychiatrischen Klinik untergebracht war. Paula K. könne sich dort doch als Pflegekraft einschleusen. "Ich würde dir auch ne ganze Menge bezahlen für so einen 'besonderen Dienst', haha", heißt es weiter in dem Brief. Auf diese Passage stützte sich die Anklage. Dass sie ein Indiz dafür sein sollte, dass W. Paula K. einen Mordauftrag erteilt hat, bezeichnete der Angeklagte im Prozess als "grotesk". Was er geschrieben habe, sei schlicht ein Witz gewesen — deshalb ja auch das "haha".

Zeugin wollte Verteidiger beschatten

Paula K. hatte dem Angeklagten ihre "Ermittlungsdienste" angeboten, als sie ihn damals im Gefängnis besuchte, mit teils "bizarren Überlegungen", wie die Vorsitzende sagt. So hatte Paula K. vor, Daniel W.s Verteidiger zu beschatten. Wohin das führen sollte? "Das konnte sie uns nicht sagen", sagt die Richterin. Paula K. wollte dem 41-Jährigen dabei helfen, seine Unschuld zu beweisen. Er hatte in einem Buch behauptet, unschuldig zu sein, niemanden getötet zu haben. Er gab nun nach 16 Jahren zum ersten Mal öffentlich zu, zu Recht für den "Ritualmord" verurteilt worden zu sein, den er 2001 mit seiner Ex-Frau begangen hat.

Seine Strafe war 2016 verbüßt, doch er blieb wegen der erneuten Ermittlungen in Haft, Ausgänge und Lockerungen wurden wieder gestrichen. Sein Verteidiger Hans Reinhardt sagte nach dem Prozess am Donnerstagmittag: "Er fühlt sich nach dem Freispruch befreit, eine Riesenlast fällt von ihm."

Der Anwalt rechnet damit, dass Daniel W. in sechs Wochen aus dem Gefängnis entlassen wird.

Paula K. hatte vor einigen Jahren einen Mann, mit dem sie kurz liiert war, wegen Vergewaltigung angezeigt, nachdem er sich von ihr getrennt hatte. Das Verfahren war damals eingestellt worden.

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