Mendig Rock am Ring 2016 - Blitze, Verletzte, Chaos

Mendig · Bei Rock am Ring in Mendig werden bei Blitzeinschlägen mehr als 70 Menschen verletzt. Zwei Fans müssen reanimiert werden. Nachdem die Konzerte am Samstag erst um 21.30 Uhr starten, wird der letzte Festivaltag komplett gestrichen.

Rock am Ring 2016 abgesagt - Blitzeinschlag, Chaos und Verletzte
Foto: dpa, tfr kde

Der Blitz schlägt laut krachend 30 Meter neben Manuel (37) ein. Der Düsseldorfer läuft gerade über das Konzertgelände des Musikfestivals Rock am Ring in Mendig. Er sucht Schutz vor dem Gewitter, das über den ehemaligen Flugplatz zieht. Eigentlich möchte der zweifache Familienvater ein entspanntes Wochenende mit viel Musik und ein wenig Bier verleben, doch jetzt steht er neben einem Boxenturm vor der Hauptbühne und beobachtet, wie zwei Sanitäter einen anderen Rock- am-Ring-Besucher reanimieren. Der Mann überlebt schwer verletzt - und Manuel beschließt noch am Abend, wieder nach Hause zu seiner Familie zurückzufahren.

Das Musikfestival Rock am Ring ist am Wochenende erstmals in seiner 32-jährigen Geschichte vorzeitig abgebrochen worden. "Die Behörden haben uns die Spielgenehmigung für Sonntag versagt", erklärt Festivalveranstalter Marek Lieberberg in der Nacht zu gestern. Er habe sich der Anordnung gebeugt, auch wenn er das Festival gerne zum Abschluss gebracht hätte. Dem Innenminister von Rheinland-Pfalz, Roger Lewentz, wirft er vor, die Verantwortung für die Absage auf die Gemeinde abgeschoben zu haben. Seine Aussage, er würde Rock am Ring sofort stoppen, sei dort als Weisung aufgefasst worden.

Rund 90.000 Menschen sind in die Eifel gepilgert, um an drei Tagen Bands wie die Red Hot Chili Peppers, Black Sabbath, Tenacious D, Fettes Brot und Volbeat zu hören. Aber aus dem Rockfest wird nichts, das Wetter macht Rock am Ring einen Strich durch die Rechnung.

Denn am Freitagabend zieht eine Gewitterzelle über das Gelände. Die Veranstalter warnen bereits den ganzen Tag vor Unwettern. 15 bis 20 Minuten vor dem ersten Blitzeinschlag setzen die Konzerte aus, die Musik verstummt. Mit ruhiger Stimme fordert ein Mitarbeiter die Zuschauer über die Lautsprecher auf, sich von Metallgegenständen fernzuhalten und das Gelände in Richtung Zeltplatz zu verlassen - viele Besucher ignorieren diese Warnungen allerdings. Blitze schlagen ins Gelände ein, 71 Menschen werden verletzt - zunächst ist sogar von mehr als 80 Verletzten die Rede gewesen. Zwei von ihnen müssen reanimiert werden. Die Konzerte werden für zwei Stunden unterbrochen. Das Festivalgelände und die Zeltplätze verwandeln sich durch die starken Regenfälle in riesige, knietiefe Matschflächen.

Der späte Start am Samstag

Am Samstag kann der Spielbetrieb auf den Bühnen erst um 21.30 Uhr starten, vorher geben die Meteorologen und die Behörden kein grünes Licht. Mehr als die Hälfte der Bands können nicht auftreten, auf der Hauptbühne spielen lediglich die Headliner: die Red Hot Chili Peppers und The BossHoss. Dann tritt Lieberberg auf die Bühne und verkündet das vorzeitige Ende von Rock am Ring 2016.

"Das ist besser so. Es muss keine Toten geben", erklärt Besucher Sascha. Er ist für das Festival extra aus Lübeck angereist. Der Großteil der Ringrocker zeigt sich nach der Absage verständnisvoll. So wie Jessy: "Die Veranstalter haben genau richtig gehandelt. Sie tragen die Verantwortung für jeden einzelnen Besucher, und es wäre geradezu fahrlässig, hätten sie die Veranstaltung nicht abgebrochen."

Viele kritisieren allerdings, dass erst so spät und mit Druck von außen reagiert wird: "Es ist schon schlimm genug, dass man die Spielgenehmigung entziehen musste und er nicht allein auf die Idee kam, dass es zu gefährlich ist", meint Kris. "Die Veranstaltung hätte aufgrund der Wettergefahrenlage gar nicht erst starten dürfen. Hier muss Leben vor Geld gehen", erklärt Caroline. Viele Festivalbesucher sind auch mit der Informationspolitik der Veranstalter unzufrieden: "Es gab ganz einfach keine klaren Informationen. An jeder Ecke haben die Mitarbeiter andere Informationen an die Leute weitergegeben. Die Durchsagen waren viel zu leise und nicht zu verstehen", findet Moritz. "Wovon ich wirklich enttäuscht bin, ist, wie grob fahrlässig der Veranstalter hier gehandelt hat."

Bereits in der Nacht zu Sonntag reisen viele Fans ab. Das gestaltet sich jedoch schwieriger als gedacht: Denn die Autos stehen auf Weideflächen, die durch den Regen aufgeweicht sind. "Überall sind Autos steckengeblieben", erzählt Christian (40) aus Hilden. Der Veranstalter organisiert noch in der Nacht 30 Landwirte mit Traktoren, die Autos von den Parkplätzen ziehen. Viele Autofahrer helfen sich zudem gegenseitig aus dem Matsch heraus. Trotzdem stockt der Abreiseverkehr. Es stecken einfach zu viele Autos fest, die Bergung dauert zu lange. Unmut macht sich breit. "Viele sind einfach nur noch genervt", sagt Christian. Manchen geht das Wasser aus, schreiben Twitternutzer. Einige sollen deswegen sogar zusammengebrochen sein. Das Rote Kreuz richtet mehrere Ausgabestellen für Wasserflaschen ein. Das angekündigte Unwetter bleibt bis zum Nachmittag aus.

Der Düsseldorfer Manuel kennt Rock am Ring schon seit vielen Jahren, war bereits am Nürburgring und im vergangenen Jahr bei der Premiere nach dem Umzug in Mendig dabei. "2015 hat es auch ein schweres Gewitter gegeben", sagt er. Allerdings erst nachts, nachdem die Konzerte vorüber waren. Rund 30 Menschen kamen damals vorsorglich ins Krankenhaus. "Auch am Nürburgring gab es immer wieder Regen und Gewitter", sagt der 37-Jährige. "Aber dort konnte man sich besser unterstellen, beispielsweise in der Boxengasse."

(tobi)
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