Rheinliebe Vom Römerlager bis zur Rheinarmee
Xanten · Die militärische Bedeutung reicht bis in die jüngste Vergangenheit. Aber schon Caesar ließ römische Soldaten zum linken Ufer vorstoßen.
Hölzerne römische Ruderboote mit einem mächtigen Hilfssegel kreuzten ihn ebenso wie Jahrhunderte später olivgrüne "Bodan"-Fähren der Bundeswehr mit amerikanischen Panzern an Bord; an seinen Ufern standen Militärlager, Wachtürme, Burgen und sogar große Festungen - über viele Jahrhunderte hinweg war der wilde und breite Rhein eine natürliche, nur schwer überwindbare Grenzlinie und damit strategisch wichtig.
Noch heute ist die traditionsreiche Garnisonsstadt Köln mit rund 6000 Soldaten und Zivilbeschäftigten nach Wilhelmshaven der zweitgrößte Bundeswehr-Standort in Deutschland. Ihre geografische Bedeutung haben die Kasernen indes nach dem Ende des Kalten Krieges verloren. Denn niemand rechnet mehr mit einem russischen Panzerangriff in Richtung Nordseeküste, der spätestens an der Frontlinie Rhein gestoppt werden müsste. Doch wer scharf hinschaut, entdeckt noch immer stumme Zeitzeugen jener bedrohlichen Hochrüstungsphase zwischen Ost und West - zum Beispiel Betonfahrbahnen, die als Fähranleger in den Fluss führen oder als Zufahrt für Amphibienfahrzeuge dienten. Im linksrheinischen Hinterland finden sich, teils zugewuchert, große leere Betonflächen - einst exakt vermessene Plattformen zum Abschuss von Nuklearraketen, die auf Lastwagen montiert waren. Und lediglich für Experten erkennbar sind die Zugänge für die inzwischen außer Betrieb genommenen Sprengkammern in den großen Rheinbrücken sowie die Deckel von Sprengschächten auf damals strategisch wichtigen Straßen.
Die ersten überlieferten Hinweise auf die militärische Bedeutung des Stroms gehen auf Gaius Julius Caesar (100 bis 44 vor Christus) zurück, der römische Soldaten zum linken Rheinufer vorstoßen und im Spätsommer 55 v. Chr. die erste Brücke über den Fluss bauen ließ, um Truppen ins feindliche "Barbaricum" überzusetzen. Zwar kamen die Römer nicht dauerhaft weiter. Doch die jahrhundertelang währende Militärpräsenz gegen die Germanen brachte kulturelle Fortschritte. Aus den befestigten Vorposten wurden wichtige Handelsplätze und Städte. Ohne die Legionen Roms, ihre Kastelle und Kriegshäfen hätte es Köln, Bonn, Koblenz, Mainz, Dormagen oder Neuss nicht gegeben.
Noch heute ist das eindrucksvoll in Xanten zu sehen - an Colonia Ulpia Traiana bzw. Lager Vetera, einst der bedeutendste Rheinhafen des römischen Imperiums. Der heutige APX, der Archäologische Park Xanten, an gleicher Stelle entführt die Besucher anschaulich in diese Zeit.
Krieger vieler Völker kämpfen um den Fluss und das Rheinland. Beim Bau des Nato-Hauptquartiers 1952 in Mönchengladbach-Rheindahlen wurden etwa eine fränkische Streitaxt und ein russischer Kosakensäbel gefunden. Sichtbare Spuren hinterließ vor allem die französische Besatzungszeit Anfang des 19. Jahrhunderts, auch im Sprachgebrauch: "Mach mir keine Fisimatenten", sagt der Kölner, wenn er vor Dummheiten warnt - mutmaßlich abgeleitet von der Aufforderung "Visitez ma tente", mit der Soldaten Frauen in ihr Zelt locken wollten.
Die strategisch bedeutsamsten Ereignisse fanden außerhalb der heutigen NRW-Landesgrenzen statt: Eine Armee unter Führung von Marschall Gebhard Leberecht von Blücher setzte in der Neujahrsnacht 1813/14 bei Kaub südlich von Koblenz über den Rhein, was letztlich zur Niederlage Napoleons führte. Als "Die Brücke von Remagen" mehrfach verfilmt, eroberten 1945 in der Schlussphase des Zweiten Weltkriegs Amerikaner den nicht zerstörten Übergang und konnten so die Barriere Rhein überwinden.
Zum Kriegsende sammelten die Alliierten deutsche Soldaten und Zivilisten in den berüchtigten Rheinwiesenlagern unter anderem in Büderich und Rheinberg. Bis heute ist umstritten, wie vielen Menschen die katastrophalen Bedingungen das Leben gekostet haben; Historiker sprechen von bis zu 40.000 Toten. Doch die Besatzer von einst sind längst Verbündete geworden und inzwischen als Freunde verabschiedet worden. Auch die British Army of the Rhine, die Rheinarmee, wurde 1994 aufgelöst. Fliegerhorste der Royal Air Force Germany wie Laarbruch, heute der zivile Flughafen bei Weeze, oder Wildenrath im Kreis Heinsberg, jetzt Testgelände für Schnellzüge, sind Überbleibsel des Kalten Krieges.
Da mag man schon lieber daran erinnern, dass manche Garde im Karneval der Vergangenheit des Rheins als schwer bewachte Demarkationslinie ihre Existenz verdankt - gegründet zur Verspottung der Stadtsoldaten des 17. und 18. Jahrhunderts und später des allzu schneidigen preußischen Militärs.