Diebstähle und Vandalismus Rentner bewachen ihre Kirchen

Moers · Laut LKA kommt es in Kirchen immer häufiger zu Diebstählen und Vandalismus. Freiwillige Kirchenwächter sorgen dafür, dass die Gotteshäuser tagsüber offen bleiben. Ein Sicherheitsdienst wäre für die Gemeinden zu teuer.

Diese Gegenstände werden aus NRW-Kirchen gestohlen
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Foto: dpa, abu pzi

Vor der katholischen Kirche St. Ida im Moerser Norden steht eine Klapptafel mit der Aufschrift "Kirche heute von 15 bis 17 Uhr geöffnet". Ohne Heinz Steinkamp und seine Mitstreiter wäre dieses Schild sicher längst im Abstellraum des Gotteshausees verschwunden. Der 69-Jährige und 15 weitere Rentner beaufsichtigen im Wechsel die Kirche. Sie nennen sich "Die Kirchenwächter". Es gibt einen Dienstplan, auf dem vermerkt ist, wer die Kirche wann hütet und vor ungewollten Eindringlingen schützt. "Wenn wir diese Aufgabe nicht übernehmen würden, könnte die Kirche werktags nicht jeden Tag zwei Stunden geöffnet sein", sagt Steinkamp - ein Sicherheitsdienst wäre für die Gemeinde, zu der 3400 Mitglieder zählen, zu teuer. Und ohne Aufsicht zu öffnen, wäre mindestens riskant.

So wie in Moers verfahren inzwischen viele Kirchengemeinden in NRW. Auch in Düsseldorf gibt es die ehrenamtlichen Helfer, St. Margareta etwa verfügt über eine Gruppe von 60 Freiwilligen. In St. Nicolai in Kalkar wurde das Projekt vor etwa einem Jahr angestoßen. Viele Pfarrer setzen zunehmend auf die ehrenamtlichen Helfer, um ihre Gotteshäuser tagsüber geöffnet halten zu können. Der Hintergrund: In Kirchen kommt es laut Landeskriminalamt (LKA) häufig zu Diebstählen und Vandalismus. Im vergangenen Jahr registrierte das LKA 1297 Fälle von Diebstahl. "Offene Kirchen haben häufig mit Problemen zu kämpfen. Unsere Kirchenwächter passen ganz dezent auf, dass nichts passiert", sagt der Moerser Pastor Heinrich Bösing. Zudem seien die Rentner Ansprechpartner bei Problemen und Fragen. "Viele kennen sich sehr gut mit der Geschichte der Kirche aus", sagt Bösing.

 Heinz Steinkamp und sein Kirchenwächter-Team passen auf, dass keine Diebe oder Randalierer Schäden in der Kirche St. Ida in Moers anrichten.

Heinz Steinkamp und sein Kirchenwächter-Team passen auf, dass keine Diebe oder Randalierer Schäden in der Kirche St. Ida in Moers anrichten.

Foto: Dieker, Klaus

Die Bistümer begrüßen den Dienst der Freiwilligen. "Es würde dem Charakter von Kirche nicht gerecht, wenn wir Öffnungszeiten verringern oder Gotteshäuser ganz geschlossen halten würden", sagt die Pressereferentin des Erzbistums Köln, Sandra Meisenberg.

Wie wichtig die Kirchenwächter seien, habe ihm kürzlich wieder ein Vorfall gezeigt, erklärt Bösing. Am Pfarrhaus von St. Ida montierten Metalldiebe ein Kupferrohr ab. Ganz gefeit vor solchen Taten sei man leider nicht. "Aber das hat uns darin bestärkt, dass unsere Kirchenwächter unentbehrlich sind", so Bösing. "Wir schließen die Kirche auf und zünden die Kerzen an", sagt der frühere Bergmann Dieter Senger zu seinen Aufgaben. "Außerdem nutze ich die Zeit, um die Kirche aufzuräumen und sauberzumachen."

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Die meisten Menschen suchen Ruhepunkte und kommen daher gerne spontan in eine Kirche. Das weiß auch der Kirchenwächter Alfred Reinermann zu schätzen. "Ich empfinde die Aufgabe nicht als Belastung. Im Gegenteil. Sie bietet mir die Chance, eine Auszeit zu nehmen, selbst innezuhalten", sagt der Diplom-Kaufmann, der seit zwei Jahren Rentner ist und sich seitdem als Kirchenwächter engagiert. Er nehme meistens ein Buch mit. "Oftmals ergeben sich aber auch interessante Gespräche mit den Besuchern", sagt er. Zur offenen Kirche kommen Gläubige, die beten wollen, aber auch Menschen, die zu Besuch in ihrer Heimatstadt sind und Freunden die Kirche zeigen wollen. "Wie schade wäre es, wenn sie vor einer verschlossenen Tür stehen würden", findet der 67-Jährige. "Ich stelle fest, dass immer mehr Kirchen tagsüber geschlossen sind." In Wesel soll sich die Gemeinde dazu entschlossen haben, die katholische Herz-Jesu-Kirche nur noch zum Gottesdienst zu öffnen, nachdem dort im August eine Tür und der Wandtresor in der Sakristei aufgebrochen worden waren.

Mit Eintritt in die Rente war auch für den ehemaligen Feuerwehrmann Heinz Steinkamp klar, dass er am Kirchenwächteramt nicht mehr vorbeikommt. Bisher sei es nur einmal zu einem Zwischenfall gekommen. Jugendliche kletterten auf dem Kirchendach herum und schlugen die Oberlichter des zeitweise unbewohnten Pfarrhauses ein, um dort zu campieren. Ein "Seid Ihr denn bald weg!?" habe gereicht, um die Vandalen in die Flucht zu schlagen. Angst, allein in der Kirche Aufsicht zu machen, habe keiner der Männer, die im Schnitt zwei Mal im Monat an der Reihe sind. Fast alle von ihnen nehmen zur Sicherheit ein Handy mit, "falls doch mal was sein sollte", sagt sein Kollege Josef Pusch, der mit 87 Jahren der zweitälteste Kirchenwächter in Moers ist.

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Auch in Köln hat man gute Erfahrungen mit dem Besuchsdienst gemacht, den der Förderverein Romanische Kirchen vor etwa fünf Jahren in mehreren Innenstadtkirchen etabliert hat. "Kirche soll einladend und offen sein. Wir wollen nicht durch Gitter abschrecken", sagt die Sprecherin des Vereins, Margrit Jüsten-Mertens. In St. Maria im Capitol etwa werde der Ehrendienst mit Erfolg praktiziert. "Seitdem ist nichts mehr passiert."

(RP)
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