Doppelmord-Prozess Marcel H. berichtet von Gewaltphantasien gegen JVA-Beamtin

Bochum · Eine Psychologin hat im Doppelmord-Prozess gegen Marcel H. in Bochum ausgesagt. Reue zeigte H. in den Gesprächen mit der Frau nicht, stattdessen erzählte er von seinen Gewaltphantasien hinter Gittern.

Marcel H. aus Herne: Mutmaßlicher Kindermörder in Bochum vor Gericht
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Mutmaßlicher Kindermörder Marcel H. vor Gericht

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Foto: Bernd Thissen/dpa

Marcel H. bekommt keinen Besuch mehr im Gefängnis. Anfangs waren seine Schwester und sein Bruder mal bei ihm, aber beide kamen nur ein einziges Mal. Nun ist die Gefängnispsychologin die einzige Person, mit der der 19-Jährige regelmäßig spricht: Einmal im Monat sieht Marcel H. die Frau für eine halbe Stunde. Am Dienstag sagte die Psychologin vor dem Bochumer Landgericht aus.

Der 19-Jährige habe erzählt, dass er in seiner Zelle viel schreibe, "Bestsellerromane" und Fantasystories, die er gern später einmal veröffentlichen wolle. Einer seiner Mithäftlinge, der das Essen austeilt, rege ihn auf, weil er "so eine feuchte Aussprache" habe. Außerdem ging es in den Gesprächen um die Vergangenheit des 19-Jährigen. Wenn er nach der Schule frustriert gewesen sei, habe er mit einem Messer auf ein Kissen eingestochen, sagte der 19-Jährige. "Das hatte eine beruhigende Wirkung auf ihn", sagte die Psychologin.

Worüber er kaum mit der Therapeutin spricht, sind die beiden Morde, die ihm vorgeworfen werden. "Es ist kein Thema, das ihn näher beschäftigt."

Bei der Polizei hat Marcel H. gestanden, am 6. März den neunjährigen Jaden in einen Keller gelockt und getötet zu haben — mit mehr als 50 Messerstichen. Danach versteckte er sich bei einem Bekannten in Herne und tötete auch ihn, als der 22-Jährige merkte, wem er da Unterschlupf gewährt hatte. Das Foto des 19-Jährigen war damals in allen Nachrichten, die Fahndung nach ihm lief deutschlandweit. Im Prozess schweigt Marcel H. bisher.

Marcel H. sagte der Psychologin, ihm sei bewusst, "dass von der Moral her, einen Neunjährigen zu ermorden, nicht das ist, was sonderlich beliebt macht." Den 19-Jährigen selbst beschäftige aber eher, was es am Tag zum Mittagessen gibt, schilderte die Psychologin. Im Gerichtssaal sitzen am Dienstag auch die Mütter der beiden Getöteten, die gefasst wirken.

Marcel H. ist auch sechs Monate nach seiner Festnahme in Einzelhaft und unter besonderer Beobachtung. Es geht nicht nur darum, ihn vor Mithäftlingen zu schützen, sondern offenbar auch darum, die anderen Gefangenen vor ihm zu schützen. "Er hat sich vorgestellt, eine JVA-Beamtin an ihren langen Haaren zu strangulieren", sagte die Psychologin vor Gericht.

Marcel H. habe betont, dies sei nur eine Phantasie, es stecke keine konkrete Absicht dahinter. Auch der Mithäftling mit dem Essen spiele in diesen Phantasien eine Rolle — und andere Gefangene, mit denen H. ab und zu unter Aufsicht am PC spielen kann. "Er hat sich im Freizeitraum umgesehen und überlegt, welche Dinge er möglicherweise zum Angriff verwenden könnte", sagte die Psychologin.

Suizidgedanken hat Marcel H. nach Angaben der Psychologin nicht mehr. Der 19-Jährige hatte versucht, sich mit Rauchgas umzubringen, bevor er den Entschluss fasste, Jaden in den Keller zu locken. Das hatte H. bei seiner ersten Vernehmung erzählt.

Das Leben hinter Gittern sei kein großer Unterschied zu dem Leben, das er in Freiheit hatte, sagte H. der Psychologin. Bis zu 16 Stunden habe er früher vor dem Computer in seinem Zimmer gesessen, Freunde gab es nicht ­— auch das erzählte er in einer seiner Therapiestunden. Im Gefängnis falle nun "die berufliche Last" weg. H. habe damit eher die Suche nach einem Job gemeint, das Nachdenken darüber, was er überhaupt machen wolle.

Eine "Ameisentätigkeit" auf keinen Fall, H. habe damit Hilfstätigkeiten oder Arbeiterjobs gemeint. Der 19-Jährige geht davon aus, dass er mindestens zehn Jahre hinter Gittern bleibt. "Er ist zuversichtlich, dass er diese Zeit gut überstehen wird", sagte die Psychologin.

Zwei junge Frauen schickten dem 19-Jährigen Briefe ins Gefängnis. Marcel H. bezeichnete die Briefe der Therapeutin gegenüber als "Fanpost". Eines fiel der Frau noch auf: "Marcels Gesichtsausdruck passt oft nicht zu dem, was er sagt." Er lächle oft bei ernsten Themen.

Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt.

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