Tempo-Abschnittskontrollen NRW will Super-Radar testen

Düsseldorf · Innenminister Ralf Jäger (SPD) plant einen Pilotversuch für Tempo-Abschnittskontrollen in NRW. Tempoverstöße würden dann nicht mehr punktuell, sondern für eine ganze Strecke gemessen.

Das neue System misst das Tempo auf einer längeren Strecke.

Das neue System misst das Tempo auf einer längeren Strecke.

Foto: Ferl

NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) will eine neue Technik der Geschwindigkeitsüberwachung testen: die "Section Control". Dabei werden Autofahrer nicht mehr an einem einzigen Messpunkt geblitzt wie bei herkömmlichen "Starenkästen", sondern das System ermittelt ihre Durchschnittsgeschwindigkeit auf einem längeren Abschnitt.

Mit Blick auf Erfahrungen im Ausland sagte Jäger unserer Redaktion: "Section Control wirkt und führt an gefährlichen Strecken nachweislich zu mehr Sicherheit im Straßenverkehr." Ein Pilotprojekt wurde schon verschiedentlich gefordert; nach der Sommerpause will Jäger den Plan nun ins Kabinett bringen.

Bereits in Italien, Österreich, Schweiz und den Niederlanden

Die Section Control erfasst alle Fahrzeuge jeweils am Anfang und am Ende eines bestimmten Kontrollabschnitts. Der Abschnitt kann beliebig lang sein. Anhand der Durchschnittsgeschwindigkeit der Autos kann die Polizei Verstöße feststellen. Ein Rechenbeispiel: Wer auf einer drei Kilometer langen Kontrollstrecke mit Tempolimit 80 durchschnittlich mit 80 km/h unterwegs ist, braucht für diese Strecke mindestens 135 Sekunden. Kommt aber ein Auto schon nach 90 Sekunden am zweiten Kontrollpunkt an, bedeutet das, dass der Fahrer im Schnitt 120 km/h gefahren ist.

So können auch Raser erfasst werden, die bislang vor bekannten Kontrollstellen bremsen und dann weiterrasen. "Fest installierte Blitzanlagen werden immer häufiger durch illegale Apps und Navigationssoftware ausgehebelt, die auch Ortsunkundige vorwarnen", sagte Arnold Plickert, Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei.

Die auch Tempo-Abschnittskontrolle genannte Technik wird bereits in den Niederlanden, Italien, Österreich und der Schweiz eingesetzt. In Österreich gingen die Unfallzahlen nach Behördenangaben seither auf zehn besonders unfallträchtigen Strecken um die Hälfte zurück. Eine Schweizer Studie ermittelte für einen Abschnitt einen Rückgang der Tempoverstöße um bis zu 76 Prozent.

Bedenken von Datenschützern

Niedersachsen wollte eine Teststrecke schon 2015 einrichten; Jäger hatte diesen Versuch stets begrüßt. Einwände des Landesdatenschutzbeauftragten verzögerten den Start. Am Dienstag erklärte das niedersächsische Innenministerium auf Anfrage: "Wir gehen davon aus, dass noch im Herbst mit dem Testbetrieb begonnen werden kann." Die Datenschutzbeauftragte habe keine grundsätzlichen Einwände mehr. Ob allerdings die Länder allein für Section-Control-Projekte zuständig sind, ist noch umstritten.

In NRW hat die Datenschutzbeauftragte Helga Block Bedenken. Die könnten "nur zurückgestellt werden, wenn klar ist, dass keine Datenerhebung auf Vorrat erfolgt", sagte ihr Sprecher. So müsse "jeder Autofahrer, der in die Abschnittskontrolle einfährt, anonym bleiben, solange kein Tempoverstoß vorliegt". Ähnlich argumentiert der ADAC: "Gegen Autofahrer darf erst vorgegangen werden, nachdem sie sich falsch verhalten haben. Die Section Control erfasst sie schon vorher."

Daten sollen schnell gelöscht werden

Diese Bedenken sieht Jäger durch die neueste Technik ausgeräumt: Dabei werden die Fahrzeuge zunächst nur verschlüsselt erfasst, ohne dass das Kennzeichen erkennbar ist. Erst wenn die ermittelte Durchschnittsgeschwindigkeit über dem Tempolimit liegt, wird der Fahrer geblitzt, und die Daten gehen an die Bußgeldstelle. Jäger verspricht: "Wenn kein Tempoverstoß vorliegt, werden die verschlüsselten Daten sofort und endgültig gelöscht."

Die Teststrecke will er "so bald wie möglich" einrichten. Infrage kämen, so Jäger, "unfallträchtige Strecken, auf denen punktuelle Messungen bisher nicht zu einem deutlichen Unfallrückgang geführt haben". Plickert brachte lange Baustellen auf Autobahnen ins Spiel. Eine Kommission hat bereits die A 1 bei Leverkusen vorgeschlagen.

Ernsthaften Widerstand erwartet der Minister nicht: "Geschwindigkeit ist der Killer Nummer eins im Straßenverkehr." Verkehrsexperte Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management an der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach hält mittelfristig sogar flächendeckende Tempo-Überwachung für wahrscheinlich: "Die technischen Möglichkeiten sind da, der politische Wille geht in diese Richtung."

(tor)
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