Düsseldorf NRW lässt Kunstschatz vergammeln

Düsseldorf · Die Spielcasinos im Land horten 200 Kunstwerke im Wert von Millionen. Mit ihren rabiaten Methoden gefährden die Casino-Betreiber den Schatz, der den Bürgern gehört. Die Landesregierung schweigt.

 Westspiel will über das US-Auktionshaus Christie's zwei Warhol-Gemälde aus dem Aachener Bestand im Wert von mindestens 100 Millionen Euro verkaufen.

Westspiel will über das US-Auktionshaus Christie's zwei Warhol-Gemälde aus dem Aachener Bestand im Wert von mindestens 100 Millionen Euro verkaufen.

Foto: ap

Der Skandal um den Kunstschatz im Spielcasino Aachen weitet sich aus. Die Düsseldorfer Kunstberaterin Marianne Pannen, die in den 70er Jahren maßgeblich am Kauf der Werke für das Casino beteiligt war, berichtet von haarsträubendem Umgang der Besitzer mit den teils millionenschweren Werken. Sie gehören indirekt NRW und damit den Bürgern des Landes.

So sollen Handwerker einen Türknauf durch ein millionenschweres Warhol-Gemälde gebohrt haben, weil sie es mit einer Wandtapete verwechselten. Andere Millionengemälde verstaubten in Abstellkammern oder landeten versehentlich auf dem Müll. Gestern räumte der Casinobetreiber Westspiel ein, keinen vollständigen Überblick über den Verbleib aller von dem landeseigenen Betrieb erworbenen Werke zu haben. Die Frage, ob einige schon verkauft wurden, konnte ein Sprecher nicht beantworten.

Die Westspiel-Gruppe, die in NRW neben dem Casino in Aachen noch drei weitere Spielbanken betreibt, gehört der landeseigenen NRW-Bank und untersteht der Aufsicht von Innenminister Ralf Jäger (SPD). Dem Verwaltungsrat sitzt Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) vor. Trotzdem geht die Landesregierung auf Distanz zu dem Thema: Fragen zum Casino-Kunstschatz beantworte ausschließlich Westspiel. Hintergrund: Westspiel will über das US-Auktionshaus Christie's zwei Warhol-Gemälde aus dem Aachener Bestand im Wert von mindestens 100 Millionen Euro verkaufen. Damit soll die defizitäre Westspiel-Gruppe saniert werden. Als der Plan durchsickerte, ging ein Aufschrei durch die Kunstszene. 26 Museumsdirektoren beklagten in einem Protestbrief einen "Tabubruch". Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) antwortete: "Als rechtlich selbstständiges Unternehmen ist Westspiel gehalten, notwendige Investitionen aus eigener Kraft zu bestreiten."

Laut Marianne Pannen sollten die Kunstwerke für Ambiente an den Spieltischen sorgen. 200 Werke erwarb Westspiel, etwa die Hälfte landete in Aachen. "Wir haben sie für rund 1,5 Millionen D-Mark (766 000 Euro) gekauft", erinnert sich Pannen. Weil viele Werke erst danach berühmt wurden, habe sich der Wert seither "mindestens verhundertfacht". Pannen spricht von "Kunst-Vandalismus". Ein 13 Meter hoher "Lichtregen" des Zero-Künstlers Heinz Mack sei nach einem technischen Defekt "auf dem Müll entsorgt worden". Eine große Botero-Skulptur "wurde von Putzfrauen so blank geputzt, dass die Bronzesubstanz gefährdet war". Da viele Werke schutzlos in Spielzimmern hingen, "haben Zigarettenrauch und Milchspritzer die Firnis beschädigt". Ein Westspiel-Sprecher räumte ein: "Die kostenaufwendige Verwaltung von Kunstwerken, wie sie durch Sammlungen in öffentlicher und privater Hand geleistet wird, ist von Westspiel nicht zu leisten und gehört nicht zu ihrem Kerngeschäft." Gleichwohl seien die Werke fachgerecht behandelt worden, was auch der angestrebte Verkaufserlös für die Warhols zeige.

Die Opposition im Landtag ist über den Umgang der Landesregierung mit der Casino-Kunst empört. FDP-Chef Christian Lindner vermutet "einen weiteren Beleg dafür, dass die Landesregierung mit dem Vermögen der Steuerzahler nicht umzugehen weiß". Der kulturpolitische Sprecher der CDU, Thomas Sternberg, forderte, dass alle landeseigenen Unternehmen ihre Schätze der Kunstsammlung NRW übergeben. "Die WestLB-Nachfolgerin Portigon hortet ja auch Kunstschätze", sagte Sternberg, "offenbar ist die Kunst in Museen besser aufgehoben."

(RP)
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