Gastbeitrag Warum Glyphosat für mich auch gute Seiten hat

Neuss · Ein Landwirt aus Neuss kennt die Ängste der Bürger. Deshalb erzählt er, wann und wo er Glyphosat einsetzt. Und dass die Alternativen auch ihre Nachteile haben. Ein Gastbeitrag.

Landwirt Willi Kremer-Schillings ist der Ansicht, dass die Bauern oftmals zu Unrecht kritisiert werden. Bei Facebook und in seinem Buch "Sauerei" nimmt er Vorurteile der Verbraucher auseinander und argumentiert, warum die Landwirtschaft besser ist als ihr Ruf.

Landwirt Willi Kremer-Schillings ist der Ansicht, dass die Bauern oftmals zu Unrecht kritisiert werden. Bei Facebook und in seinem Buch "Sauerei" nimmt er Vorurteile der Verbraucher auseinander und argumentiert, warum die Landwirtschaft besser ist als ihr Ruf.

Foto: ati

Ich bin Ackerbauer im Rheinland. Ich habe den Hof von meinem Vater übernommen, der von seinem Vater. Und unser Sohn studiert Agrarwissenschaften und wird den Betrieb auch weiterführen. Ich will Ihnen erzählen, warum ich von Fall zu Fall Glyphosat einsetze.

Gleich zu Beginn: In den 40 Jahren, in denen ich jetzt wirtschafte, habe ich das Produkt noch nie in Weizen, und schon gar nicht kurz vor der Ernte gespritzt. Doch wann setze ich Glyphosat ein? Da gibt es in meinem Betrieb (und nur für den kann ich sprechen) zwei Anlässe. Ein Einsatz erfolgt nach der Rapsernte. Während des Dreschens ist es unvermeidbar, dass Körner auf die Erde fallen und dann zu keimen beginnen. Rund zwei Wochen nach der Ernte ist der Acker wieder grün mit neuen Rapspflanzen. Diese haben die unangenehme Eigenschaft, dass sie einen Schädling (Rüben-Nematode) vermehren, der die Zuckerrüben befällt, die aber in der Fruchtfolge erst nach einigen Jahren nach dem Raps wieder angebaut werden. Wenn ich jetzt die neuen, jungen Rapspflanzen beseitige, ist dies eine Form der biologischen Schädlingsbekämpfung, weil die Vermehrung unterbunden wird.

Einmalige Bodenbearbeitung reicht nicht

Ich könnte dies mechanisch machen, nehme aber stattdessen Glyphosat. Warum? Zum Zeitpunkt, zu dem der Ausfallraps beseitigt werden muss, müssen die Boden- und Witterungsverhältnisse so sein, dass der Boden zum einen befahrbar ist (nicht zu nass), zum anderen nach der Bodenbearbeitung es so lange trocken bleibt, dass die Pflanzen nicht wieder anwachsen. Sie kennen das aus dem Garten: wenn Sie das Unkraut vor dem Regen ausziehen und liegen lassen, hat das keinen Effekt, es wächst wieder an. Mit einer einmaligen Bodenbearbeitung ist es auch nicht getan.

Um den Raps wirklich zum Absterben zu bringen, muss ich diese Maßnahme mehrfach wiederholen. Dies bedeutet mehrfache Überfahrten mit dem Schlepper mit der Gefahr von Bodenverdichtungen, Verbrauch von fossiler Energie (Diesel), mehrfache Störung des Bodenlebens und unter Umständen auch einen Abbau von wertvollem Humus, der so immer wieder mit Sauerstoff in Verbindung gebracht wird. Zudem ist Raps ein Flachkeimer, d.h. wenn ich die Bodenbearbeitung zu tief machen würde (z.B. mit dem Pflug) würde ich die Samen vergraben und sie so am Keimen hindern. Sie treten dann in den Folgekulturen als Unkraut auf und müssen dort bekämpft werden.

Beseitigung von Zwischenfrüchten

Die Bekämpfung des Ausfallraps mit Glyphosat habe ich in diesem Jahr Ende Juli vorgenommen. Der Boden ruht nun bis im Oktober, wenn ich dort Weizen einsäe. Dazu wird der Boden einmal mit dem Grubber (ein Gerät mit Zinken) flach gelockert. Das Rapsstroh verbleibt so oben in einem flachen Bodenhorizont, wo er von den Bodenlebewesen, vor allem den zahlreichen Regenwürmern, zersetzt wird und als organischer Dünger wirken kann. Gepflügt wird in der Regel nicht.

Der Weizen, den ich im Oktober gesät habe, wird im August des Folgejahres geerntet, die Weizenernte erfolgt folglich mehr als 12 Monate nach der Anwendung. Im Gegensatz zu anderen Unkrautbekämpfungsmitteln (Herbizide) wird Glyphosat sehr schnell abgebaut, was auch aus Sicht der Umwelt ein Vorteil ist. Der Wirkstoff blockiert ein Enzymsystem, dass nur in Pflanzen vorkommt und nur diese absterben lässt.

Eine zweite Anwendung kommt nur sporadisch vor: Wenn, wie in diesem Winter, kein Frost eintritt kann es notwendig werden, dass ich auch bei der Beseitigung von Zwischenfrüchten (Kulturen, die nicht geerntet werden, sondern dazu dienen, den Boden zu lockern und Nährstoffe zu binden) den Wirkstoff einsetzen muss, weil sie nicht auf natürliche Weise abgestorben sind.

In diesem Frühjahr hat allerdings ein Wanderschäfer mit seiner Schafherde die Beseitigung übernommen (meine "Glyphosat-Ersatz-Schafe") und damit auch noch gleichzeitig organisch gedüngt. Da die Zahl der Wanderschäfer aber immer weiter abnimmt, war das für mich ein Glücksfall. Da auf meinen Äckern fünf Kulturen angebaut werden, kommt somit Glyphosat in der Regel nur einmal in fünf Jahren zum Einsatz.

Klar, Sie sind ja auch kein Bauer!

Für die von uns praktizierte Form der Minimalbodenbearbeitung ist Glyphosat ein Baustein dieses Systems. Ein Fortfall der Zulassung hätte zur Folge, dass wir die Minimalbodenbearbeitung, die, wie oben beschrieben, viele positive Eigenschaften für die Umwelt hat, aufgeben müssten. Zudem wären auftretende Problemunkräuter nur noch mit Wirkstoffen zu kontrollieren, deren toxikologische Eigenschaften vermutlich ungünstiger als die des Wirkstoffes Glyphosat wären. Damit ist der Umwelt dann auch nicht gedient.

Eine Option wäre es, meinen Betrieb auf ökologischen Landbau umzustellen. Das würden Sie mir wahrscheinlich auch raten. Klar, Sie sind ja auch kein Bauer. Einen Betrieb umzustellen dauert drei Jahre. Erst dann dürfen die Produkte als Bio-Produkte vermarktet werden. Bis dahin darf ich sie nur normal verkaufen und muss gleichzeitig die geringeren Erträge in Kauf nehmen. Ich bräuchte neue Maschinen, ich müsste Fremdarbeitskräfte einstellen (und Mindestlohn zahlen) und mir vollkommen neue und andere Vermarktungswege aufbauen.

Ja, das ist alles machbar, ist aber auch ein wirtschaftliches Risiko. Wenn ich nach drei Jahren soweit bin, bin ich 65. Sie werden verstehen, dass ich diese Entscheidung doch lieber dem Hof-Nachfolger überlasse.

Und der rechnet schon…

Anmerkung der Redaktion: Willi Kremer-Schillings ist seit 2014 im Ruhestand. Zuvor war er in der landwirtschaftlichen Abteilung eines Zuckerunternehmens beschäftigt, was er in seinem Buch "Sauerei!: Bauer Willi über billiges Essen und unsere Macht als Verbraucher" offenlegt. Diese Information fehlte in der ersten Version des Artikels. Wir bitten dies zu entschuldigen.

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