Mehr Geschwindigkeitsreduzierungen Tempo 30 ist das neue 50

Düsseldorf/Münster · In Münster könnte heute die Einrichtung von umfassenden Tempo-30-Zonen in der Innenstadt beschlossen werden. Das soll die Lebensqualität verbessern. Der ADAC lehnt jedoch eine generelle Temporeduzierung ab.

45 Punkte stehen auf der Tagesordnung des Stadtrats Münster, der am heutigen Mittwoch im Festsaal des Rathauses am Prinzipalmarkt zusammenkommt. Mit Spannung erwartet wird nach jahrelangen Diskussionen das Abstimmungsergebnis über Punkt 23. Darin geht es um den städtischen Lärmaktionsplan, der vorsieht, auf neun zentralen Straßen in der Innenstadt Tempo-30-Zonen einzurichten. Dadurch soll der Straßenlärm reduziert und so die Gesundheit der Anwohner geschont werden. Stimmt der Rat am späten Nachmittag dafür, werden die Pläne wohl frühestens 2019 umgesetzt.

Seit einigen Jahren müssen Städte der EU-Mitgliedstaaten den Umgebungslärm messen und dann gegebenenfalls Maßnahmen einleiten, um diesen zu reduzieren. Dafür gibt es spezielle Lärmkarten auf der Seite des NRW-Umweltministeriums, die punktgenau für viele Straßen den Lärmpegel messen, unterteilt nach den Verursachern: Straße, Bahn, Flugverkehr und Industrie. In NRW gibt es für 374 der insgesamt 396 Gemeinden eine solche Karte.

Nach Angaben des NRW-Verkehrsministeriums haben sich landesweit mindestens 44 Kommunen im Zuge des Lärmaktionsplans dazu entschieden, auf ausgewählten innerstädtischen Straßen das Tempo von 50 auf 30 zu reduzieren - aber nicht flächendeckend. Seit etwa einem Jahr müssen Städte keinen besonderen Unfallschwerpunkt mehr nachweisen, um solche Zonen einzurichten. "Eine kurzfristige Abfrage bei den Bezirksregierungen hat diese Zahl ergeben. Die tatsächliche Anzahl der Städte, die das machen, dürfte aber höher liegen", betont Leonie Molls, eine Sprecherin von NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU). Zu diesen Kommunen zählen unter anderem Krefeld, Mönchengladbach, Mülheim, Oberhausen, Remscheid, Wuppertal, Neuss, Moers, Solingen, Essen, Duisburg und Düsseldorf. In der Landeshauptstadt werden an mehr als 300 Straßenabschnitten die Grenzwerte von 65 Dezibel (tagsüber) und 55 Dezibel (nachts) überschritten. "Dort sind 24.000 Menschen durch hohen Auto- und Straßenbahnlärm betroffen", erklärt ein Stadtsprecher.

Die treibende Kraft hinter der Forderung nach einem generellen Tempo-30-Limit in Städten ist das Umweltbundesamt. "Tempo 30 verbessert überwiegend Umweltqualität, Sicherheit und Verkehrsfluss", so ein Sprecher. Für die Einrichtung von Tempo-30-Zonen sind jedoch die Straßenverkehrsbehörden in den Gemeinden oder den Landkreisen zuständig. Der Bund darf den Städten das nicht aufzwingen.

Der ADAC hält nicht viel von einem strikten Tempolimit. "Tempo 30 als innerörtliche Regelgeschwindigkeit ist nach unserer Ansicht weder aus Sicherheits- noch aus Umweltgründen zielführend", sagt Ulrich Klaus Becker, ADAC-Vizepräsident für den Bereich Verkehr. Das Gegenteil sei sogar der Fall. "Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen führt zu erhöhtem Ausweichverkehr in Wohngebieten mit unerwünschten Folgewirkungen", betont Becker.

Auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund lehnt ein generelles Tempo 30 innerhalb geschlossener Ortschaften ab. Insbesondere Durchgangsverkehre würden ausgebremst und stark befahrene Straßen verstopft, wenn auf ihnen nur noch mit Tempo 30 gefahren werden dürfe, so der kommunale Spitzenverband. "Warum sollte zum Beispiel auf einer breiten, vierspurigen innerstädtischen Straße Tempo 30 gelten?", heißt es in einer Stellungnahme. Stattdessen seien punktuelle Ausweitungen von Tempo 30 sinnvoll - etwa vor Schulen, Kindergärten, Krankenhäusern und Senioreneinrichtungen.

In Münster würde die Temporeduzierung eine Lärmminderung von zwei bis drei Dezibel bringen. Zu wenig, sagen Kritiker. Laut ADAC würde das Gehör eine Lärmminderung erst ab drei Dezibel wahrnehmen. Das sehen die Befürworter in der westfälischen 300.000-Einwohnerstadt jedoch anders.

(csh)
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