Nordrhein-Westfalen Städte bitten Flüchtlinge zur Kasse

Düsseldorf · Etliche nordrhein-westfälische Gemeinden ziehen Asylsuchenden die Kosten für Bekleidung, Unterkunft oder Energie von der staatlichen Hilfe ab. Die Kommunalaufsicht reagiert überrascht.

So viele Flüchtlinge sind in NRW-Einrichtungen untergebracht
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So viele Flüchtlinge sind in NRW-Einrichtungen untergebracht

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Foto: dpa, bom fdt Ken jol

Viele Kommunen in Nordrhein-Westfalen holen sich einen Teil der Kosten für Versorgung und Unterbringung von den Flüchtlingen zurück. Das haben Recherchen unserer Redaktion ergeben.

Die Stadt Nettetal zum Beispiel verlangt von einem erwachsenen Asylsuchenden 74,15 Euro für Bekleidung, Unterkunft und Energie. Das Geld zieht die Stadt dem Flüchtling von seinem "Taschengeld" ab, das deutlich knapper bemessen ist als der Hartz-IV-Regelsatz. Die Stadt Mönchengladbach beziehen die Flüchtlinge Leistungen nach dem Asylbewerbergesetz. Bei Gewährung von Sachleistungen in den Bereichen Bekleidung und Unterkunft werden die entsprechenden Bedarfsanteile aus dem jeweiligen Regelbedarf gekürzt.

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Die Notunterkunft Achterrathsfeldschule in Moers

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Foto: Dieker, Klaus

In Mettmann sollen Flüchtlingen für Strom und wohl auch für die Unterkunft laut eines Bescheids knapp 80 Euro pro Person abgezogen bekommen. Die Stadt bestreitet das, spricht von einem "nur buchtechnischen Abzug, den die Flüchtlinge nicht wirklich zahlen müssen".

Bei der Bezirksregierung Arnsberg, die für die Verteilung der Flüchtlinge in NRW zuständig ist, reagierte man überrascht darüber, dass Städte von Flüchtlingen Geld für die Versorgung verlangen. "Davon höre ich zum ersten Mal", sagte der Sprecher der kommunalen Aufsichtsbehörde. Solange sich die Schutzsuchenden in Landesunterkünften aufhielten, müssten sie jedenfalls nichts bezahlen. "Sobald sie diese Einrichtungen verlassen und auf die Städte verteilt werden, wird die Verantwortung für sie auf die Städte übertragen", so der Behördensprecher.

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Foto: Busch, Franz-Heinrich sen. (bsen

Der Flüchtlingsrat NRW kritisierte das Vorgehen der Städte. "Strom wird recht oft abgezogen. Auch werden häufig Gutscheine für Kleiderkammern ausgeteilt. Ansonsten zahlen viele Kommunen den vorgesehenen Betrag, aber es gibt immer findige Kommunen, die Extrawege ausprobieren", sagte die Geschäftsführerin des Flüchtlingsrats, Birgit Naujoks.

Nicht alle Städte holen sich Geld von den Flüchtlingen zurück. In Dortmund und Bonn erhalten alle den vollen Regelsatz. Die Stadt Köln streckt sogar Energiekosten für Asylsuchende vor, die in städtischen Wohnungen und Wohnheimen untergebracht sind.

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So leben Flüchtlinge im Geisterdorf Manheim

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Foto: dpa, obe

NRW hat seit Januar bereits 88.000 Flüchtlinge aufgenommen. Für die Flüchtlingshilfe hat das Land in diesem Jahr Ausgaben von 814 Millionen Euro eingeplant; 2016 könnte die Milliardengrenze erreicht werden, sagte SPD-Vizefraktionschef Hans-Willi Körfges.

Der-SPD-Politiker machte zudem keine Zusagen, dass mit Flüchtlingen belegte Turnhallen Mitte August zu Schulbeginn wieder für Unterricht und Sportvereine verfügbar seien.

Unterdessen plädiert CDU-Landeschef Armin Laschet für ein Einwanderungsgesetz. Die bestehenden Vorschriften für die Einwanderung nach Deutschland seien zu kompliziert und wirkten auf qualifizierte Menschen nicht gerade einladend, sagte er unserer Zeitung. "Deswegen brauchen wir ein Einwanderungsgesetz aus einem Guss, das zudem flexibel auf den Arbeitsmarkt reagiert.

Bisher wurden vor allem Ingenieure gesucht; heute erleben wir, dass Pflegekräfte knapp zu werden drohen." Er werbe dafür, dass der CDU-Bundesvorstand im September und der Bundesparteitag dem Bericht seiner Programmkommission zustimmen, der sich für ein Einwanderungsgesetz ausspricht.

(RP)
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