Arzneimittelstudien LVR entschuldigt sich bei Betroffenen von Medikamententests

Köln · Zahlreiche Kinder und Jugendliche sollen von 1950 bis 1970 in Heimen und Kliniken Opfer von Medikamententests geworden sein. Man sei "zutiefst erschüttert von den Berichten", teilt nun der Landschaftsverband Rheinland mit.

 Zwischen 1950 und 1970 soll es bundesweit gängige Praxis gewesen sein, Minderjährigen Impfstoffe und Psychopharmaka zu verabreichen.

Zwischen 1950 und 1970 soll es bundesweit gängige Praxis gewesen sein, Minderjährigen Impfstoffe und Psychopharmaka zu verabreichen.

Foto: Shutterstock.com/ love work 51

In der Mitteilung heißt es, der Verband sei über das Leid der Betroffenen "durch den unverhältnismäßigen Einsatz von Medikamenten" in Heimen, Kliniken und Einrichtungen der Behindertenhilfe erschüttert. "Verwaltung und Politik im Landschaftsverband entschuldigen sich bei allen Menschen, die durch den Einsatz von Medikamenten oder durch Arzneimittelstudien in den 1950er bis 70er Jahren gelitten haben", werden LVR-Direktorin Ulrike Lubek und Prof. Dr. Jürgen Wilhelm, Vorsitzender der Landschaftsversammlung Rheinland, zitiert. Beide versprechen eine konsequente Aufarbeitung des Geschehenen.

An den Medikamenten-Tests sollen fünf Einrichtungen in NRW beteiligt gewesen sein. Das berichtete Gesundheitsministerin Barbara Steffens am Mittwoch im Landtag.

Die Vorwürfe sollen in NRW die Bodelschwinghschen-Anstalten Bethel in Bielefeld betreffen. Zudem soll im Essener Kinderheim Franz Sales Haus 1957/58 ein Neuroleptikum getestet worden sein. Studien soll es auch 1966 im Düsseldorfer Heim Neu-Düsselthal, 1972 in einer Klinik für Jugendpsychiatrie in Viersen und in einem Waisenhaus gegeben haben. Steffens nannte diese Fälle aus der Wagner-Studie, die Regierung habe dazu aber noch keine eigenen Erkenntnisse.

Nach eigenen Angaben will der Landschaftsverband Rheinland eine wissenschaftliche Untersuchung beauftragen, bei der noch vorhandene Akten aus den Einrichtungen ausgewertet werden sollen. "Die gesetzlichen Aufbewahrungsfristen können leider in vielen Fällen dazu führen, dass Akten nicht mehr existieren. Wir prüfen aktuell, welche Akten noch nutzbar gemacht werden können. Ich bin zuversichtlich, dass Teile der Aktenbestände noch vorhanden sind und wünsche mir, dass sich auch verantwortliche Pharma-Unternehmen an der Aufarbeitung beteiligen", erklärt Ulrike Lubek.

Voraussichtlich ab Januar 2017 soll die von Bund, Ländern und Kirchen initiierte "Stiftung Anerkennung und Hilfe" ihre Arbeit aufnehmen. Sie richte sich an Menschen, die in ihrer Kindheit und Jugend zwischen 1949 und 1975 in Einrichtungen der Behindertenhilfe und psychiatrischen Einrichtungen Leid und Unrecht erfahren haben. Die Stiftung habe die Aufgabe, diese Betroffenen zu beraten und Geldleistungen zur Verfügung zu stellen.

(skr)
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