Köln Karneval für Anfänger

Köln · Donnerstag startet der Straßenkarneval. Mit dabei sind dieses Jahr auch viele Asylbewerber, die sich in die rheinische Feierkultur erst noch einfühlen müssen. Die Kölner Caritas inszenierte vorab eine Einführung in die närrische Freiheit.

 Flüchtlinge schunkeln gemeinsam mit Flüchtlingshelfern beim Crashkurs "Karneval für Anfänger".

Flüchtlinge schunkeln gemeinsam mit Flüchtlingshelfern beim Crashkurs "Karneval für Anfänger".

Foto: dpa, obe kno

Den rheinischen Frohsinn kennt Peter Schmitz nicht nur, er verkörpert ihn so authentisch, dass es eigentlich keinerlei Erklärung mehr bedürfte. Weil aber eben jeder Jeck anders ist, versucht er nun, das närrische Treiben Menschen zu vermitteln, für die der Karneval befremdlich sein mag. 130 Flüchtlinge und Asylbewerber haben sich zur Kulturstunde "Karneval für Anfänger" im Kölner Caritas Zentrum in Sülz versammelt. Und was ihnen dort geboten wird, kommt dem Karneval, wie ihn die Rheinländer kennen sehr nah: Es ist laut, es ist unübersichtlich, es ist rührselig und ein bisschen irritierend ist es auch.

Fest klopft der gebürtige Kölner Schmitz im Takt auf sein Trömmelche; führt die Blaskapelle an, die zwei Tage, bevor der Straßenkarneval in den Rheinmetropolen Köln und Düsseldorf startet, für ein anderes, ganz neues Publikum zum Einzug lautstark "Kölle Alaaf" spielt. Ganz so, als gelte es, den närrischen Gruß an diesem Tag besonders demonstrativ in die Welt hinauszuposaunen. Doch die Welt sitzt diesmal direkt vor ihm, um den Gruß zu erwidern.

"Helaauu", ruft ein junger Afghane euphorisch und reißt überschwänglich die Arme nach oben. Das ist selbstverständlich in Köln nur die halbe Wahrheit, aber wird in turbulenten Zeiten wie diesen sicherlich auch in der Domstadt toleriert. Der junge Mann ist mit acht weiteren minderjährigen Flüchtlingen aus Afghanistan in Begleitung eines Betreuers der Kölner Jugendhilfe zur Kulturstunde gekommen. "Die sind ganz neugierig, für sie ist es ja das erste Mal", sagt Betreuer Mohammad, der als Jugendlicher selbst aus dem Iran nach Deutschland gekommen ist und übersetzt, was Peter Schmitz über das Mikrofon erklärt.

"Flirten ist an Karneval unbedingt erlaubt", doziert der Experte. Aber, und das ist das Mantra des Tages: "Bitte mit Gefühl!" Wenn Peter Schmitz das sagt, weiß er genau, was er meint. Das Maß der Dinge, die ungeschriebenen Regeln, die Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen; in Tagen, in denen doch eigentlich mal alles erlaubt sein soll, und doch so vieles streng verboten ist. Flirten, singen, schunkeln, tanzen, Kölsch trinken und sogar küssen - das alles sei an Karneval durchaus erwünscht. Doch, und das wird peinlich genau erklärt, sei das Flirten natürlich kein Garant für den durschlagenden Erfolg bei den Frauen. "Kein einklagbares Recht", "kein Heiratsversprechen" - übersetzt wird das auf Arabisch, Englisch und Farsi. Wer eine Frau bedränge, obwohl sie die Grenzen klar aufgezeigt hätte, bekomme "riesigen Ärger", heißt es. "Wenn die Frau nicht möchte, dann möchte sie nicht", übersetzt Patrik Tomasian von der Caritas. Mit einem Beamer wird eine Karikatur von einem Mann, der an der Bar einer Frau zu nahe kommt, an die Wand geworfen. Gewiss näher als eine Armlänge jedenfalls. "Karneval hat nichts Sexuelles", sagt Tomasian. Aber der lockere Umgang zwischen den Geschlechtern sei für Flüchtlinge aus muslimischen Ländern ein Kulturschock, sagt er, der selbst als armenischer Christ im Iran geboren wurde. Und diesen Schock gelte es zu dämpfen.

Die jungen Iranerinnen Fatemeh Tazehkandi und Ava Jalali sind als Mäuse verkleidet. Über ihren schwarzen Leggins tragen sie ein pinkfarbenes Tutu, und auf dem Kopf kleine rose Puschelohren. Auf Karneval freuen sie sich schon sehr, sagen sie. Auch Bssam Gzlan und Naufal Gharibi klatschen höflich mit und filmen das Spektakel mit der Handykamera. Die beiden Männer haben sich nicht verkleidet. Naufal Gharibi trägt einen einfachen Strickpullover in gedeckten Farben. "Karneval ist gut", sagt sein Freund Bssam Gzlan. Aber richtig auflockern kann die Show die Männer nicht. Beide haben eine kräftezehrende Flucht hinter sich. Einen Monat war Bssam Gzlan unterwegs, alleine, ohne seine Frau und seine drei Kinder. 7000 Euro musste Naufal Gharibi auf seiner langen Reise von Syrien über die Türkei nach Deutschland bezahlen. Gerne würde er seine Frau und seine vier Kinder nachholen, aber das sei zu teuer.

"Kölsch makes you easy, Kölsch makes you breezy", schallt es derweil von der Bühne. Auch eine Anleitung zum Biertrinken ist Teil der Stunde. Denn auf die richtige Menge und die richtige Gesellschaft komme es an. Die beiden Syrer zeigen Fotos von ihren Familien und strahlen. Die Benimmstunde ist inzwischen beim Rosenmontag angekommen. Kamelle fliegen ins Publikum, es wird geschunkelt und mit den Füßen getrampelt. Die Bilder von der Nubbelverbrennung moderiert Schmitz an. "Ihr braucht davor keine Angst zu haben", sagt er.

Bssam Gzlan zeigt Fotos aus Syrien. Kriegsszenen, Kinder rennen weg, im Hintergrund explodiert eine Bombe. Ein Bild zeigt ein zerstörtes Gebäude. "Mein Haus", sagt der 35-Jährige mit feuchten Augen. Zu Hause war er Kfz-Mechaniker. In Deutschland wartet er seit sieben Monaten auf ein neues Leben. Später werden die Männer noch einmal für die Kameras zu "Du bess die Stadt" schunkeln. Mit vollem Herzen sind sie nicht dabei, aber wenigstens für kurze Zeit abgelenkt.

(RP)
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