Trotz Lehrermangel in NRW Jung, Lehrerin, arbeitslos

Düsseldorf · In NRW herrscht Lehrermangel. Trotzdem gibt es Hunderte Pädagogen, die einfach keine Stelle finden. Mindestens 1172 Lehrer und Lehrerinnen in NRW sind arbeitslos. Wir haben eine von ihnen kennengelernt.

 Trotz Lehrermangels sind hunderte Lehrer arbeitslos (Symbolbild).

Trotz Lehrermangels sind hunderte Lehrer arbeitslos (Symbolbild).

Foto: Shutterstock/Oksana Kuzmina

Lehrer gehen weg wie warme Semmeln, hat man ihr bei der Agentur für Arbeit gesagt. Ein wenig Geduld solle sie haben.

Paula Meier (Name von der Redaktion geändert) geht die Geduld langsam aus. Ihr Referendariat hat die 28-Jährige an einem Düsseldorfer Gymnasium gemacht, Abschlussnote: 2,2. Trotzdem ist sie heute arbeitslos. Den Weg zur Agentur für Arbeit beschreibt sie als einen der schwersten ihres Lebens. Um über die Runden zu kommen, muss sie Hartz IV beantragen.

"Das ist einfach degradierend. Da studiert man sechseinhalb Jahre und bekommt doch keine Anstellung", sagt sie. Man habe ihr vorgeschlagen, in Sprachinstituten auf selbstständiger Basis zu arbeiten oder Integrationskurse zu betreuen. "Aber dafür habe ich nicht so lange studiert." Vorerst ist die junge Frau wieder zu ihren Eltern in ihr altes Kinderzimmer gezogen. "Die Miete für meine kleine Wohnung konnte ich nicht zahlen", sagt sie.

24 Bewerbungen, keine Einladung zum Gespräch

Meier hat in Bochum Deutsch, Spanisch und Deutsch als Fremdsprache für Gymnasien und Gesamtschulen studiert. "Lehrerin zu sein ist einfach meine Berufung", sagt die Düsseldorferin. Doch ihrem Beruf kann Meier nicht nachgehen. 24 Bewerbungen habe sie bereits geschrieben, an Gymnasien wurde sie nicht einmal zu einem Gespräch eingeladen.

Und das, obwohl in NRW Lehrer händeringend gesucht werden. Die scheidende Schulministerin Sylvia Löhrmann holte sogar pensionierte Pädagogen zurück in den Dienst. Man habe sprichwörtlich jeden Stein umgedreht, um mögliche Einstellungshindernisse aus dem Weg zu räumen, sagte sie noch im Februar. Lehrermangel und der Unterrichtsausfall waren große Themen im NRW-Wahlkampf.

In NRW waren laut Bundesagentur für Arbeit im April insgesamt 1172 Lehrer arbeitslos gemeldet - ihnen gegenüber stehen 178.000 fest angestellte oder verbeamtete Lehrkräfte, weitere 9000 bis 10.000 von ihnen haben befristete Verträge.

"Häufig ist es jedoch so, dass vor allem Akademiker gar nicht offiziell als arbeitslos gemeldet sind. Viele gehen einer zeitweisen oder selbstständigen Tätigkeit nach und vermeiden den Weg zum Arbeitsamt", heißt es bei der Bundesagentur für Arbeit. Das bedeutet, die Dunkelziffer der arbeitslosen Lehrer ist durchaus höher.

Fächerkombination wird zum Problem

Aber warum sind trotz Lehrermangels hunderte Pädagogen in Nordrhein-Westfalen ohne Job? Ein Grund könnte laut Lehrergewerkschaft GEW die fehlende Flexibilität der Kandidaten sein: "Nicht jeder will sich auf eine vakante Stelle bewerben. Manchmal dauert das halt ein wenig, vor allem, wenn man spezielle Vorstellungen hat, wo der Arbeitsort sein soll", sagt Berthold Paschert von der GEW.

Auch allzu populäre Fächerkombinationen werden den jungen Lehrern offenbar zum Verhängnis. Laut Schulministerium variieren die Einstellungschancen je nach Fach und Schulform. Das könnte auch bei Paula Meier der Fall sein — sie könnte Deutsch und Spanisch unterrichten. "Hier gibt es aktuell eine Vielzahl von Bewerberinnen und Bewerbern mit dieser Fächerkombination", heißt es beim Schulministerium. Besonders gute Einstellungschancen hätten jedoch Bewerber, die sogenannte MINT-Fächer unterrichten können (also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik).

Diese Erfahrung hat auch Meier gemacht. "An einer Schule wurde mir eine Vertretungsstelle als Erdkunde- und Technik-Lehrerin angeboten", sagt sie. "Das ist doch verrückt, da habe ich fachlich doch gar keine Ahnung von." Solche fachfremden Vertretungen sind laut Ministerium möglich. Die Schulen schreiben diese Vertretungsstellen in eigener Verantwortung aus und entscheiden dann selbst, welche Bewerber und Bewerberinnen sie einstellen, heißt es. Vertretungsunterricht sei eine Übergangslösung und eine Möglichkeit, Unterrichtsausfall zu vermeiden.

Zahlen geben Hoffnung

Immer wieder sprach die ehemalige Landesregierung von einem Mangel an Lehrern in NRW. Auch wenn dieser Mangel offenbar nicht für bestimmte Fächerkombinationen gilt, geben Zahlen der GEW Meier Hoffnung. Demnach sollen bis zum Schuljahr 2018/2019 rund 18.000 Lehrer pensioniert werden. "In den Ausbildungskohorten bis 2018 rechnet man mit rund 14.700 Referendaren", sagt Paschert. Das bedeute, dass in den kommenden Jahren durchaus ein großer Bedarf an Lehrern bestehe - womöglich auch für beliebte Fächerkombinationen wie Deutsch und Spanisch. "Auch wenn aktuell in dieser Fächerkombination kein Bedarf herrscht, so kann sich das in kurzer Zeit wieder ändern, da zahlreiche Lehrer in Pension gehen", sagt er.

Meier glaubt jedoch nicht, dass sie nur wegen ihrer beliebten Fächerkombination bislang keine Anstellung findet. "Die guten Stellen in beliebten Städten werden einfach unter der Hand vergeben", sagt sie. Schulen würden Stellen ausschreiben, weil sie dazu vom Land verpflichtet seien, hätten diese jedoch längst an interne Bewerber vergeben. "So hat man von außerhalb überhaupt keine Chance auf die Stelle."

Laut GEW sind solche Ausschreibungen offene Verfahren. "Das bedeutet, jeder mit einem passenden Profil kann sich auf die Stelle bewerben", sagt Paschert. Es sei jedoch nachvollziehbar, dass Schulen ihre ehemaligen Referendare nach so einem Verfahren einstellen. "Wenn man sich bereits kennt, es im Kollegium harmoniert und die Ausschreibung auf den internen Bewerber passt, dann spricht da nichts gegen."

Um ihre Chancen auf eine Anstellung zu erhöhen, hat sich Meier auch an Berufskollegs beworben. "Hier hat man mir dann ein paar Vertretungsstunden schmackhaft gemacht, aber die Schule hat mir überhaupt nicht zugesagt", sagt die 28-Jährige. Sie habe sich in der Schule gefühlt wie in einem Gefängnis. "Ich wusste, wenn ich einmal hier anfange, dann komme ich nicht mehr auf ein Gymnasium."

Für den Traumjob auch ins Ausland

Laut Schulministerium sieht die Lage auf dem Arbeitsmarkt für Lehrer in diesem Punkt nicht anders aus als für andere Berufe. "Bewerberinnern und Bewerber haben eine höhere Chance auf eine feste Anstellung, je flexibler sie bei der Wahl der Schulform, der Region und des Ortes sind." Für Meier ist klar: Für ihren Traumberuf würde sie sogar ins Ausland ziehen. "Ich habe sogar schon in Erwägung gezogen, nach Spanien zu gehen und dort an einer deutschen Schule zu unterrichten", sagt sie.

Kurze Zeit nach unserem Gespräch hat Meier übrigens eine Vertretungsstelle bekommen - für eineinhalb Monate. "Bis zum 14. Juli. Dann geht die Suche wieder von vorne los."

(skr)
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