Höxter-Prozess in Paderborn "Erzähl keine Märchen, mach!"

Am Dienstag ging es im Prozess um die Morde und Misshandlungen von Höxter weiter um die Frage, wer die treibende Kraft hinter den Taten gewesen ist – Wilfried oder Angelika W.? Videos aus dem Haus des Paares sollten Aufschluss geben.

Mordprozess von Höxter: Ex-Ehepaar vor Gericht
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Foto: dpa, gki sab jai

Am Dienstag ging es im Prozess um die Morde und Misshandlungen von Höxter weiter um die Frage, wer die treibende Kraft hinter den Taten gewesen ist — Wilfried oder Angelika W.? Videos aus dem Haus des Paares sollten Aufschluss geben.

Die Frauenstimme klingt hart, kalt, aggressiv: "Zeitschinden oder was soll das werden? Mach! Der Sack muss runter." Es ist die Stimme von Angelika W., die mit ihrem Ex-Mann Wilfried W. wegen zweifachen Mordes durch Unterlassen angeklagt ist. Seit März läuft der Prozess vor dem Landgericht Paderborn. Am Dienstag zeigte ein Ermittler Videos — die Zuschauer bekamen davon wenig mit, da die Prozessbeteiligten sich die kurzen Sequenzen, die die Angeklagten in ihrem Haus in Höxter-Bosseborn aufgenommen haben, auf einem Laptop ansahen.

Die Stimme der 48-jährigen Angeklagten ist allerdings deutlich in Saal 205 zu hören. Offenbar weist sie eine der Frauen an, einen Sack die Kellertreppe herunterzutragen — wie im Prozess an einem früheren Verhandlungstag zur Sprache kam, war das eine der Schikanen, mit denen die späteren Todesopfer gedemütigt worden sein sollen. Detlev Binder, Verteidiger von Wilfried W., möchte das Video gleich zweimal sehen. Man müsse es sich vor allem im Hinblick auf die Frage ansehen, ob Angelika W. eher unterwürfig oder bestimmend und dominant wirke, sagt der Anwalt — was eine rhetorische Frage ist, da Angelika W.s Tonfall herrisch und laut ist. "Erzähl keine Märchen, mach!", brüllt sie die Frau im Video an.

Wer war die treibende Kraft bei den Taten? Im Prozess beschuldigen sich die beiden Angeklagten gegenseitig, mindestens sechs Frauen auf ihrem alten Hof schwer misshandelt und sich auch gegenseitig erniedrigt und misshandelt zu haben.

Eine Rechtsmedizinerin hat Angelika W. nach der Festnahme im Mai 2016 untersucht. Sie berichtet am Dienstag von den vielen Narben, Hämatomen und Brandverletzungen, die die Angeklagte hatte. Es sind Verletzungen, die durch "multiple stumpfe oder scharfe Gewalteinwirkungen" entstanden sind, wie die Gutachterin sagt. Eine Verbrühung an Schulter und linkem Arm der Angeklagten war so heftig, dass die ihren Arm bei der Untersuchung kaum anheben konnte. Angelika W. hatte ausgesagt, dass ihr Ex-Mann sie mit heißem Wasser verbrüht habe und sie trotz der großen Schmerzen nicht geschrien habe aus Angst, er könnte ihr den Wasserstrahl in den Mund halten. Wilfried W. dagegen behauptet, sie habe sich die Verletzung selbst zugefügt — aus Versehen, weil zu heißes Wasser aus der Brause kam.

Die Gutachterin sagt: "Die Summe der Verletzungen spricht dafür, dass zumindest ein Teil fremd beigebracht worden ist." Und ja, "rein theoretisch" sei möglich, dass sich Angelika W. auch selbst verbrüht habe, denn schon wenige Sekunden würden bei mehr als 60 Grad heißem Wasser reichen, um eine derart heftige Verbrühung zu verursachen. Das hört die Verteidigung des 47-jährigen Wilfried W. gern. Als Angelika W. der Gutachterin erklärt, dass ihr Ex-Mann ihr damals einen Arm auf den Rücken gedreht und ihr den heißen Wasserstrahl an den Hals gehalten habe, hakt Detlev Binder noch einmal nach: "Aber sie könnte sich die Verletzung auch selbst zugefügt haben?" Und die Ärztin sagt einmal mehr, theoretisch könne das sein.

Nachdem Schwurgerichtskammer, Staatsanwaltschaft und Verteidiger sich viele Fotos von Angelika W.s Verletzungen angesehen haben und sie selbst zu allen erklären kann, woher sie stammen — so soll Wilfried W. ihr etwa in die Brustwarzen gebissen oder sie mit dem Feuerzeug verbrannt haben — fordert Detlev Binder, dass Wilfried W. auch rechtsmedizinisch begutachtet werden soll. "Er hat genauso viele Narben — verursacht von der Mitangeklagten", sagt der Verteidiger.

Die Beweisaufnahme im Verfahren zieht sich also weiter. Fortsetzung des Prozesses ist am nächsten Dienstag, ein Urteil wird nicht vor Herbst erwartet.

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