Schauriges NRW So arbeiten die Geisterjäger von NRW

Düsseldorf · Wen ruft man an, wenn Geister ihr Unwesen treiben? - Seit sechs Jahren fahren die "Ghosthunter NRW" durch die Region und untersuchen paranormale Vorfälle. Welche Geräte sie benutzen und wie sich Geisterstimmen anhören sollen, zeigt das Team hier im Video.

Samstagabend in Voerde. Fünf Menschen mit schweren Taschen nähern sich langsam einem Wohnhaus. Anspannung liegt in der Luft, denn die fünf sind zwar Profis, aber auch sie können nie vorhersagen, was passieren wird.

Seit Jahren gehen in dem Haus seltsame Dinge vor sich. Das Licht flackert ohne ersichtlichen Grund. Manchmal hören die Bewohner Schritte, manchmal Stimmen. Irgendwann schien keine andere Erklärung mehr möglich als die abwegigste: Es spukt.

Genau darum bewegen sich die fünf Menschen nun auf das Haus in Voerde zu. Es sind die "Ghosthunter NRW", und sie haben den Auftrag, dem Schrecken ein Ende zu setzen. Die fünf sind geübt: Seit sechs Jahren fahren die ehrenamtlichen Geisterjäger kreuz und quer durch das Bundesland, um seltsamen Phänomenen auf den Grund zu gehen. Immer im Gepäck das riesige Equipment, mit dem man Geister aufspüren können soll.

"Geister, die über Betten schweben, flackerndes Licht oder sich selbst verriegelnde Türen" - das seien so die Spukereignisse, wegen derer die Klienten anrufen, sagt Melanie Schindler, Bürokauffrau und Gründerin der "Ghosthunter NRW". Jedes zweite Wochenende ist das Team inzwischen im Einsatz. Die Termine sind auf Monate im Voraus ausgebucht.

Schindler und ihr Team sind Selfmade-Geisterjäger. Schon seit ihrer Kindheit interessierte sich die Rheinländerin für ungewöhnliche Phänomene. Geisterjägergruppen gibt es tatsächlich mehrere in Deutschland - nachdem Schindler als Erwachsene in keinem der bestehenden Teams aufgenommen wurde, beschloss sie kurzerhand, selbst eines zu gründen. Seitdem ist sie Pressesprecherin, Managerin und Geisterjägerin in Personalunion. Als erstes offizielles Mitglied folgte Dunja Kutschat, Schindlers langjährige Freundin und Nachbarin, die als Medium Geister im Raum erspüren können will. Schnell bekamen die zwei Spuk-Expertinnen Anfragen von Freunden und Fremden zur Teamerweiterung. Seit 2014 bestehen die "Ghosthunter NRW" in ihrer aktuellen Konstellation.

Video: So Arbeiten die Ghosthunter NRW

In Voerde beginnen die Geisterjäger nun, ihre Geräte aufzustellen. Die Choreografie ist oft geprobt - das lässt sich auch auf dem Videomaterial erkennen, das das Team von seinem Einsatz in Voerde gemacht hat. Jeder Handgriff sitzt und könnte auch aus einem Handbuch der NSA stammen: Nachtsichtkameras werden aufgebaut, Tonbandgeräte installiert, sämtliche Geräte auf elektromagnetische Strahlung vermessen und insgesamt bis zu 3000 Fotos von jedem Winkel des Hauses geschossen.

Es ist die totale Geisterüberwachung. "Wir müssen bei unseren Einsätzen ganz genau sein, um herauszufinden, worum es sich hier handelt", sagt Schindler. Denn in den allermeisten Fällen, das räumt die Gründerin der "Ghosthunter NRW" ein, finden sie am Ende ganz normale Ursachen. Ein Windzug, der als Geist vor dem Sofa wahrgenommen wird, entpuppt sich etwa als Lüftchen aus einer Ritze. "Für die Hausbewohner ist es aber natürlich unmöglich, ihre Wohnräume so gründlich zu untersuchen, wie wir das tun."

Bereit für so ein Urteil sind sie an diesem Abend aber längst noch nicht. Nachdem die Geräte installiert sind, beginnt der fühlige Teil der Suche, bei der die Jäger auf jede Wahrnehmung ihres Körpers achten: Wechselt die Raumtemperatur zwischen normal und eiskalt? Hat jemand das Gefühl, von einer unsichtbaren Hand berührt zu werden? Und was passiert, wenn Fragen in den Raum gesprochen werden? Denn um mit einer Seele in Kontakt zu treten, wie Schindler sagt, spricht man sie am besten an. "Wenn hier jemand im Raum ist, den wir nicht sehen können, kannst du dich dann bitte bemerkbar machen?" — die Zauberformel zum Geisterauftreiben. Angeblich.

Video: Mit einem Teddy wollen die "Ghosthunter NRW" Kindergeister anlocken

Eine direkte Antwort bekommen die Geisterjäger auf solche Fragen in der Regel nicht. "Aber wenn wir später das Tonbandmaterial auswerten, hören wir beispielsweise oft eine Art Klopfen. Oder eben sogar Stimmen." EVP oder "Electric Voice Phenomena" nennen die Geisterjäger das. Angeblich handelt es sich dabei nicht um normale menschliche Stimmen, sondern um blecherne Geräusche, die Horrofilm-Fans aus Streifen wie "Paranormal Activity" kennen dürften.

"Das liegt daran, dass Geister keinen Körper mehr haben. Sie haben also auch keinen Klangkörper mehr, in dem die Stimme einen Ton formen könnte. Die Stimmen hören sich folglich blechern an." Um die Tonaufnahmen richtig zu verstehen, brauche es deshalb Übung. Sehr viel Übung sogar, sagt Schindler.

Video: So hören sich laut den "Ghosthuntern NRW" Geisterstimmen an

Geisterjagen als Wissenschaft? Tatsächlich gibt es rund um den Globus Forscher, die sich an Universitäten mit dem Übernatürlichen beschäftigen. Walter Lucadou ist einer von ihnen. Ob im parapsychologischen Laboratorium in den Niederlanden oder an der renommierten Universität Princeton — seit gut 40 Jahren erforscht der Psychologe und Physiker in verschiedenen Projekten das Unerklärliche und das Angsteinflößende. Inzwischen leitet er die einzige wissenschaftliche Beratungsstelle für paranormale Phänomene in Deutschland.

Für Geisterjäger hat er trotz seines ungewöhnlichen Lebenslaufs kein Verständnis. "Wenn man sich an solche Gruppen wendet, dann ist das, als ob man mit einem entzündeten Blinddarm zu jemanden geht, der sich hobbymäßig für Chirurgie interessiert, statt zu einem richtigen Arzt." Lucadou ist überzeugt: Geisterjagen, das ist zwar ein schönes Hobby, als Hilfestellung sollte man es anderen Leuten aber nicht anbieten. "Diese Menschen sind oftmals psychisch labil oder leiden gar unter einer Psychose. Geisterjäger haben aber keine psychologische Ausbildung und können großes Unheil anrichten."

Bedeutet das etwa, dass es gar keine paranormalen Phänomene gibt? "Natürlich gibt es einen Spuk", sagt Lucadou direkt. "Aber der entsteht nicht durch Geister, das sind folkloristische Ideen."

Zurück in Voerde könnten den "Ghosthuntern NRW" solche Erklärungansätze nicht ferner sein. Hier handelt es sich um mehr, da sind sich zumindest die fünf einig. Flackernde Lichter und Vorhänge, die sich von selbst bewegen - vor den Augen der Jäger spielen sich gleich mehrere Dinge ab, die sie dazu veranlassen, das Haus besonders gründlich zu untersuchen. "Geister gibt es wirklich", sagt Schindler. "Und wenn sie irgendwo spuken, dann hat das in den meisten Fällen einen Grund." Den herauszufinden und aufzulösen, betrachtet das Team als eines seiner wichtigsten Aufgaben.

Video: So sollen Geister aussehen

Wissenschaftler Lucadou freilich sieht auch das ein wenig anders. "Um das zu verstehen, muss man wissen, wie Spukphänomene entstehen", sagt er. Dann wird es kompliziert: "Wenn Menschen ein Problem haben, das sie nicht bewusst wahrnehmen, zeigen sie häufig psychosomatische Reaktionen. Ich glaube, dass ein Spuk ganz ähnlich funktioniert. Nur äußert sich das Problem nicht als Störung des eigenen Körpers, sondern als Störung der Umgebung."

Kurz: Ein Spukphänomen trete dann auf, wenn Emotion und Gedanken derart stark seien, dass sie einen Ausdruck in der Umwelt finden. Der Verlust der Mutter oder des Ehemanns etwa werde dann so intensiv erlebt, dass er sich - mittels quantenmechanischer Prozesse - in umfallenden Gegenständen manifestiere oder in klemmenden Türen. Quantenphysiker sprächen hier von einer "Nichtlokalität", die dazu führe, dass Messungen an einem Lichtteilchen ein weitentferntes Teilchen beeinflussen, obwohl es zu keiner physikalischen Wechselwirkung komme.

Warum sollten sich solche physikalischen Ansätze nicht auch in der Psychologie wiederspiegeln, fragt Lucadou. Beweisen konnte er seine Theorie vom Quantenspuk bislang nicht. Viele Physiker halten seine Theorien schlicht für Humbug. Der Psychologe in Lucadou aber ist überzeugt, dass jemand, der einen Spuk sieht, in Wahrheit ein bestimmtes psychisches Problem anerkennen muss.

"Und jetzt stellen Sie sich vor, jemand glaubt, in seiner Wohnung gibt es Geister. Dann kommen die Geisterjäger und sagen, es handle sich dabei um den verstorbenen Ehemann... Wenn sich das Ehepaar im Leben gut verstanden hat, ist das kein Problem, aber wenn der Ehemann ein Tyrann war, kann das einen enormen Schock auslösen." Vom Vermessen elektromagnetischer Felder und EVP-Aufnahmen hält Lucadou deshalb nichts. Nicht die Frage nach möglichen Geistern müsse im Vordergrund stehen, sondern die nach der Psyche und dem Bewusstsein des Klienten.

Video: Diese Filmaufnahmen der "Ghosthunter NRW" sollen zeigen, wie Geister in Voerde spuken

In Voerde haben sich die fünf schon während ihres nächtlichen Einsatzes eine Meinung gebildet. Damit sie nach den Standards der "Ghosthunter NRW" auch Bestand hat, sind allerdings noch viele Untersuchungen nötig. Stundenlang scannen sie in den folgenden Wochen das gesamte Foto-, Video- und Tonbandmaterial. Was genau sie suchen, wollen sie nicht verraten, aber am Ende geben sie ein klares Urteil ab: Ja, in Voerde treibt ein Geist sein Unwesen.

Schrecken ohne Spuk?

Noch einmal kommen die Geisterjäger erstaunlicherweise trotzdem nicht an den Ort des Geschehens. Gesucht, gefunden - ihr Auftrag scheint erfüllt. Lebt die Familie in Voerde nun in einer Geister-WG? Haben die seltsamen Phänomene plötzlich aufgehört? Oder nimmt das Grauen einfach kein Ende?

Von einer echten Lösung dafür, was passiert, wenn die Suchgeräte anschlagen, ist nie die Rede. Weder vor dem Einsatz, noch danach. Nur zwei Dinge sind sicher: umgezogen sind die Bewohner des Spukhauses bis heute nicht. Und: "Egal, ob wir eine natürliche Ursache finden oder ein Spukphänomen, der Leidensdruck unserer Klienten besteht oftmals Jahre, bis sie uns anrufen. Wenn sie mit ihren Problemen dann endlich mal ernst genommen werden, sind die meisten unheimlich froh und dankbar", sagt Schindler.

Ist es nun ein Schrecken ohne Spuk oder ein Spuk ohne Ende? - Konkretere Antworten auf das Übernatürliche sucht man auch bei den "Ghosthuntern NRW" vergebens.

(ham)
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