Sankt Martin Ganz Rheurdt zieht mit

Rheurdt · Das 6600-Einwohner-Dorf Rheurdt am Niederrhein bereitet sich seit Wochen auf Sankt Martin vor. Fast alle Einwohner beteiligen sich an dem festlichen Abend am 13. November. Es gibt viel zu tun.

Christoph Kuypers schlüpft zum ersten Mal in die Rolle des St. Martin

Christoph Kuypers schlüpft zum ersten Mal in die Rolle des St. Martin

Foto: Klaus Dieker

Jedes Jahr, zwei Wochen vor Sankt Martin, ist Laternentag in der Martinus-Grundschule in Rheurdt. In allen Klassen wird an diesem Tag nur gebastelt. Die Materialkosten (Kleber, Transparentpapier, Pappe) liegen pro Laterne bei etwa 2,50 Euro. Das Martinskomitee bezuschusst jede Laterne mit einem Euro. Eric (10) geht in die Klasse 4a. "Am meisten freue ich mich auf das Singen. Mein Lieblingslied ist: 'Ich geh' mit meiner Laterne‘." Auch im Kindergarten St. Nikolaus nebenan werden Laternen gebastelt.

Christoph Kuypers schlüpft zum ersten Mal in die Rolle des St. Martin. Der 40-Jährige übernimmt das Amt von Michael Fösken, der nach 17 Jahren aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung stand. Das Dorf ist froh, so schnell einen neuen Darsteller gefunden zu haben, weil es in Rheurdt nicht viele Männer gibt, die reiten. "Darum habe ich auch sofort zugesagt", betont Kuypers. Ein bisschen nervös ist er aber schon. Denn da wäre schließlich noch die Sache mit dem Mantel. Den kann er noch nicht so richtig teilen. "Das ist gar nicht so einfach mit einem Schwert. Daran muss ich noch arbeiten."

Die Martinsgeschichte geht auf Martin von Tours zurück. Er wurde um 316 in Savaria in der römischen Provinz Pannonien geboren. Er diente zunächst als römischer Offizier, verstand sich dann aber als Soldat Christi. 372 wurde er zum Bischof von Tours geweiht. Er ist Schutzheiliger der Reisenden, Armen, Bettler, und Soldaten und starb 397.

Die wohl undankbarste Aufgabe — zumindest wenn es kalt werden sollte — übernimmt Karl Jäger. Der 17-Jährige spielt den Bettler zum ersten Mal. In abgerissener Hose und Sandalen wird er auf dem Boden sitzen und warten, bis St. Martin ihm die Hälfte seines Mantels überreicht. "Bis dahin muss ich mich irgendwie anders warmhalten."

Bereits im September beginnt man in Rheurdt mit den Planungen. Das Martinskomitee (MK) und die Pfadfinder St. Nikolaus Rheurdt treffen sich bei Sassen, der örtlichen Gaststätte, um zu besprechen, wer sich um was zu kümmern hat. "Man muss an vieles denken", sagt Karsten Hoeps (41), seit elf Jahren MK-Vorsitzender. Der Martinsabend in Rheurdt kostet mehr als 10.000 Euro, und fast jeder in der Gemeinde macht mit. Finanziert wird das Fest aus Spenden. "Man geht im Dorf von Tür zu Tür und bittet um einen kleinen Geldbetrag", erklärt Pfadfinder-Chef Julian Thielmann (27). Hinzu kommen Einnahmen aus dem Getränkeverkauf am Martinsabend (Kinderpunsch, Glühwein, Bier). Bleibt Geld übrig, wird es einem sozialen Zweck gespendet. Alle Kinder bis zum neunten Schuljahr und Senioren ab 70 bekommen eine St.-Martins-Tüte. Anwohner stellen während des einstündigen Zugs Kerzen und Laternen vor die Tür. Bürgermeister Klaus Kleinenkuhnen läuft nur noch hinter dem Feuerwehrwagen mit, nachdem er festgestellt hat, dass er eine Pferdeallergie hat. Beim Feuer wird die St.-Martins-Geschichte vorgelesen und nachgespielt, dazu wird gesungen — davon zwei Lieder auf "Rheurdter Platt". Dann werden die Tüten verteilt. Um 22 Uhr ist das Fest zu Ende.

Ohne die Pfadfinder St. Georg wäre Sankt Martin in Rheurdt kaum vorstellbar. Sie sammeln Holz für das große Feuer im Wald, stehen am Martinsabend am Grill und wenden die Würstchen. Die Älteren von ihnen zapfen Bier und schenken Glühwein und Kinderpunsch aus. Zudem wird aus ihren Reihen traditionell der Bettler gestellt. Die Zehn- bis Zwölfjährigen laufen im Zug mit.

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