Manheim Flüchtlinge leben im Tagebau-Geisterdorf

Der Tagebau rückt näher. Menschen verlassen ihr Dorf, zurück bleiben die Häuser. Flüchtlinge ziehen ein. Manheim bei Köln erzählt die Geschichte vom Verlust der Heimat. Von zwei Seiten.

Manheim: So leben Flüchtlinge im Geisterdorf
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So leben Flüchtlinge im Geisterdorf Manheim

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Die Einheimischen im Dorf Manheim und die Flüchtlinge verbindet mehr als man denkt: Bei beiden geht es um Verlust der Heimat. Die Manheimer müssen ihr Dorf westlich von Köln verlassen, weil der Tagebau Hambach näherkommt und in sieben Jahren ihr Dorf schluckt. Die 73 Flüchtlinge sind schon heimatlos und leben erst kurz in dem Örtchen, das andere schon als Geisterdorf bezeichnet haben. Zwei Welten: die Flüchtlinge sind gekommen. Die Bewohner sind im Aufbruch.

Die Manheimer stecken mitten in der Umsiedlung. Drei Jahre nach dem Start sind schon mehr als die Hälfte der früher mal 1600 Einwohner weggezogen. Es gibt kein Geschäft mehr, die letzte Kneipe hat schon vor ein paar Jahren aufgegeben, allein die kleine Filiale der Sparkasse hält sich noch wacker.

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An einladenden Häuschen sind am helllichten Tag die Rollos heruntergelassen, Unkraut erobert Bürgersteige und Gärten. Auch wenn regelmäßig eine RWE-Kolonne kommt und das Gröbste wegmacht: gegen den Eindruck der Verlassenheit können sie nichts ausrichten.

Im Winter wusste die Stadt Kerpen nicht mehr, wohin mit den Flüchtlingen. Ein paar Kilometer weiter im Ortsteil Manheim standen Häuser leer. Richtige gemauerte Wohnhäuser - keine Zelte, keine Container, keine Turnhallen, kein alter Supermarkt. Die Stadt fragte erst einmal den Bürgerbeirat. Das ist das wichtige Gremium, das die Interessen der Bürger bei der Umsiedlung vertritt. Der gab grünes Licht. Aber: Es sollten Familien kommen.

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Mahamad Ahmed Samatar ist mit seiner Frau und seinen Jungs gekommen. Die Familie aus Somalia lebt in einem kleinen Backsteinhaus im Ortszentrum. Drinnen wird zweimal der Schlüssel rumgedreht, ehe sich die Tür öffnet. Herr Samatar hat eine schmale Statur und einen freundlichen Blick. Er streckt zur Begrüßung die Hand aus.

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Er hat Deutsch gelernt. Der Mann macht deutlich, dass es ihm gut geht in dem Ort. Er ist dankbar, dass die Menschen helfen. Später will er mit seiner Familie nach Düren ziehen, in die nächstgrößere Stadt. Die schlechten Busverbindungen machen ihnen ein bisschen zu schaffen. Mit Wolfgang Eßer vereinbart Samatar, dass er in den nächsten Tagen mal zum Fußballtraining kommt.

In schwierigen Situationen brauchen Dörfer Leute wie Eßer, den Vorsitzenden des FC Viktoria. Sie halten den Laden zusammen: Diesen Ort "auf der Reise", wie er das nennt - noch nicht weg und noch nicht angekommen - und mittendrin die Flüchtlinge.

Gekickt wird überall auf der Welt. Sechs Jungs aus den Flüchtlingsfamilien spielen jetzt im Verein, erzählt Eßer. Die Eltern kennt er auch. Die meisten Flüchtlinge kommen aus dem Balkan, einige aus Armenien. Christen sind dabei und Muslime. Alle haben eigene Regeln, Vorstellungen und Erwartungen. Das macht die Sache nicht einfacher.

Die Stadt Kerpen hat für die Flüchtlinge acht Häuser von RWE angemietet, befristet bis August 2016. Dazu kommen noch Wohnungen im Gemeinde- und Feuerwehrhaus, die der Stadt gehören. Könnte das Beispiel Schule machen in anderen Orten? Im nahe gelegenen Erkelenz stehen ja die nächsten Umsiedlungen an.

"Ich will zum jetzigen Zeitpunkt nichts ausschließen", sagt der zuständige Mann beim Jugend- und Sozialamt in Erkelenz, Friedel Dreßen. Niemand wisse, wie viele Flüchtlinge noch kommen. Aber in jedem Fall müsse es sozialverträglich sein. Wenn das Unternehmen gefragt werde, werde RWE nach Möglichkeit helfen, teilte ein Sprecher mit. Wichtig sei aber, die Dorfgemeinschaft im Umsiedlungsort mit einzubeziehen.

Durch den Fußball ist der Vereinschef Eßer gut vernetzt. Wer etwas übrig hat, ruft ihn oder andere Helfer und Flüchtlingspaten im Ort an. Wie Gabi und Volker Walluga. Vor kurzem haben die beiden geholfen, ein bis dahin bewohntes Rittergut auszuräumen, sie haben Dinge aussortiert. "Die Leute schmeißen ja noch gute Möbel in den Container", sagt Volker Walluga. Und die Flüchtlinge können vieles brauchen. Sie fangen ja ganz neu an.

(dpa)
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