Entzug der Gemeinnützigkeit NRW-Finanzminister stellt sich hinter Schützenvereine

Meschede / Neuss · Schützenbruderschaften, die keine Frauen als Mitglieder akzeptieren, soll die Gemeinnützigkeit entzogen werden. Das fordert zumindest das Finanzamt Meschede. Die steuerlichen Folgen für die Vereine wären fatal. Jetzt meldet sich der NRW-Finanzminister zu Wort.

 NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD).

NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD).

Foto: dpa, fg htf

Als Thomas Nickel die Nachricht aus Meschede erreichte, hielt er den Vorgang zunächst für einen Karnevalsscherz: Das dortige Finanzamt ließ den Sauerländer Schützenverein wissen, dass dieser künftig auch Frauen als Mitglieder aufnehmen müsse. Andernfalls würde ihm die Gemeinnützigkeit entzogen. Erst auf den zweiten Blick stellte Nickel, Präsident des Neusser Bürger-Schützen-Vereins, fest, dass diese Forderung alles andere als ein Scherz ist. "Ich halte das für vollkommen verfehlt", sagt er dazu.

So sieht es auch NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) und gibt Entwarnung: "Traditionsvereine wirken im Regelfall weit über ihre Mitgliedschaft hinaus", sagt er. "Deshalb dienen sie der Allgemeinheit und erfüllen die Anforderungen an die Gemeinnützigkeit. Damit ist das Thema für mich vom Tisch."

Auch drei Bruderschaften im Rheinland hatten eine Aufforderung zur Änderung ihrer Satzung erhalten, sagt Rolf Nieborg, Sprecher des Bundes der historischen Schützenbruderschaften (BHDS). Von den rund 1300 Mitgliedern aus den Bistümern zwischen Trier und Paderborn nehmen etwa die Hälfte keine Frauen als Mitglieder auf. Auch wenn das Thema nun vom Tisch ist, die Diskussion an sich begrüße Nieborg. "Es kann richtig sein, darüber zu sprechen, auch Frauen aufzunehmen", sagt er, "und einige Vereine ändern vielleicht auch ihre Satzung. Das aber auf diesem Wege einzufordern, halten wir für nicht durchsetzbar."

Es müsse darüber diskutiert werden, ob es noch in eine aufgeklärte Zeit passt, wenn Frauen in einem Verein zur Förderung und Pflege von Kultur und Tradition die Mitgliedschaft verwehrt wird, so Walter-Borjans. "Über einen wünschenswerten Sinneswandel sollte jedoch eine offene Debatte entscheiden und nicht die Finanzverwaltung."

Fraglich ist, was bei einer Durchsetzung der Forderung mit Vereinen passiert wäre, die ausschließlich Frauen aufnehmen. Denn im Umkehrschluss hätte dann auch Frauenchören, Frauenfußballvereinen und anderen Einrichtungen der Entzug der Gemeinnützigkeit drohen können. Für das Ehrenamt an sich wäre dies ein fatales Zeichen, sagt Emil Vogt, Bundesschützenmeister des BHDS. "Das Ehrenamt würde damit demontiert werden." Daher sei es richtig, dass der Entzug der Gemeinnützigkeit zurückgenommen wurde.

Eine Aberkennung der Gemeinnützigkeit hätte für die Schützen schwerwiegende Folgen gehabt, sagt Wolfram Schmitz, Bundesgeschäftsführer des Sauerländer Schützenbundes. "Die Vereine könnten dann keine Spendenquittungen mehr ausstellen, was dazu führen kann, dass Spenden ausbleiben", erklärt er. Zudem entfiele die Ehrenamtspauschale und die Mitgliedsbeiträge müssten versteuert werden. "Finanziell geht es vielen Vereinen ohnehin schon schlecht. Der Entzug der Gemeinnützigkeit würde das Ende für viele bedeuten", so Schmitz.

Laut der Schützen sei eine solche Forderung auch eine Entwertung des Brauchtums und einer langen Tradition. Sie argumentieren, dass einige Vereine zwar nur männliche Mitglieder erlaubten, jedoch weit über die Grenzen der Vereine wirkten. "Frauen spielen bei uns eine unverzichtbare Rolle", sagt Emil Vogt.

Die Grundwerte legten fest, dass es sich bei den Bruderschaften um familiäre Gemeinschaften handelte. Die Vereinstätigkeiten kämen auch Kindern, Frauen und Flüchtlingen zu Gute. "Die Vereinsgelder werden auch bei uns für das Gemeinwohl eingesetzt", sagt Thomas Nickel.

(jnar)
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