Selbstjustizprozess in Aachen Facebook-Freund der Tochter umgebracht - Angeklagte schweigen

Aachen · Weil sie glaubten, dass sich ein Pädophiler mit ihrer zwölfjährigen Tochter treffen wollte, soll ein Ehepaar aus Eschweiler einen 29-Jährigen in einen Hinterhalt gelockt und umgebracht haben. Zum Prozessauftakt

 Zum Prozessauftakt schwieg das angeklagte Ehepaar.

Zum Prozessauftakt schwieg das angeklagte Ehepaar.

Foto: dpa, mb mhe vfd

Der Fall von Selbstjustiz wird seit Dienstag am Landgericht Aachen verhandelt. Vorsitzender Richter ist Arno Bormann. Und die Verhandlung begann gleich mit Verspätung. Michael H., angeklagt wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung, ließ das Gericht und die Zuschauer eine geschlagene Stunde warten.

Er habe verschlafen, brachte der 42-Jährige schließlich als Entschuldigung vor. Was Richter Bormann zu der Bemerkung veranlasste: "Wenn ich so eine Anklage vor der Brust hätte wie Sie, würde ich die ganze Nacht nicht schlafen."

Michael H. sei mit dem Mord an Christian L. (29) einverstanden gewesen, indem er auf die Kinder seiner Freunde, der Eheleute H., aufpasste, während diese das Opfer "verletzten, folterten, töteten", sagte Staatsanwalt Boris Petersdorf am Dienstag.

Nadine (31) und Karl-Heinz H. (39) haben sich als Hauptangeklagte vor Gericht zu verantworten, ebenso wie der 26-jährige Sven L., ein Arbeitskollege von Karl-Heinz H. Ihnen wird gemeinschaftlicher Mord und schwere räuberische Erpressung mit Todesfolge vorgeworfen.

Nadine und Karl-Heinz H. sollen im August des vergangenen Jahres Christian L. auf hinterlistige Art und Weise und aus niederen Beweggründen in einen Hinterhalt gelockt und erstochen haben. Sven L., der nach eigenen Aussagen Waffensammler ist, habe bei der Planung dieser Tat geholfen. Er habe die Tatwaffen besorgt. Als "Trophäe" hätten die Eheleute H. ihm das Handy des Opfers versprochen, sagte der Staatsanwalt.

Christian L., der in einer Werkstatt für Körperbehinderte in Eschweiler arbeitete, hatte über Facebook versucht, Frauen aus seiner Stadt kennenzulernen. Dabei geriet er auch an die zwölfjährige Tochter der Eheleute H., die allerdings von ihren Eltern in dem sozialen Netzwerk als 22-Jährige angemeldet worden war.

Nach ein, zwei Anfragen nach dem Motto "Wie geht es dir?" oder "Guten Abend" sei der Kontakt jedoch versandet, sagte der Staatsanwalt. Obwohl es dafür keine Anhaltspunkte gegeben habe, hätten die Eltern vermutet, der 29-jährige Mann wolle die Zwölfjährige missbrauchen. Außerdem hätten sie überprüfen wollen, ob Christian L. Fotos von ihrer Tochter auf seinem Handy habe. Ein entsprechendes Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt, das ins Leere lief, habe ihnen nicht gereicht.

Die Staatsanwaltschaft ist überzeugt: Nadine und Karl-Heinz H. wollten den ihrer Meinung nach pädophilen Christian L. bestrafen und lockten ihn über Facebook mit Hilfe einer Bekannten, der 38-jährigen Marlene M., in die Falle. Ihr wird ebenfalls Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung vorgeworfen.

Zu dem vereinbarten Treffen kam dann nicht Marlene M., sondern die Eheleute H. erschienen. Nadine H. war freizügig gekleidet und mit einem Schlagring bewaffnet. Sven L. stand derweil mit einem Würgedraht bereit, um einen eventuellen Fluchtversuch des Opfers zu vereiteln.

Dann schlug Nadine H. das Opfer, das von Sex mit seinem Rendezvous ausgegangen war, mit dem Schlagring. Die Eheleute verlangten die Herausgabe des Handys von Christian L., auf dem jedoch keine Fotos der Tochter zu sehen waren.

Mit "absolutem Vernichtungswillen" habe Karl-Heinz H. dann auf Christian L. eingestochen, sagte der Staatsanwalt. Das Opfer trug mehr als ein Dutzend Stichverletzungen davon und blieb stark verletzt, aber noch lebend, am Boden liegen. Die Eheleute nahmen sein Handy mit und übergaben es an Sven L.

Zum Hergang, den Motiven und Hintergründen der Tat wollte sich am Dienstag keiner der Angeklagten äußern. Die Staatsanwaltschaft hofft, diese im Laufe des Prozesses — angesetzt sind 15 Verhandlungstage — zu ergründen.

Bis auf Karl-Heinz H. machten jedoch alle Angeklagten mehr oder weniger ausführliche Angaben zu ihren persönlichen Lebensumständen. Nadine H. sagte aus, dass sie regelmäßig Alkohol und Drogen konsumiert habe und auch zum Tatzeitpunkt unter erheblicher Drogeneinwirkung gestanden habe: zwei bis drei Gramm Amphetamine und je eine halbe Flasche Rum und Holunderschnaps sollen es nach ihren Angaben gewesen sein. Die Verhandlung wird am 19. Februar fortgesetzt.

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