Baldeneysee in Essen Erste Schwimmer nach 46 Jahren in der Ruhr

Essen · Bis Anfang der 70er Jahre lockte der Baldeneysee in Essen auch Badegäste an, dann wurde das Schwimmen verboten - die Wasserqualität war zu schlecht: Nun konnten Besucher erstmals nach 46 Jahren wieder in dem Stausee schwimmen.

Diese Jungs gehörten zu den ersten, die nach 46 Jahren wieder vom Ufer der wiedereröffneten Badestelle in den Baldeneysee sprangen.

Diese Jungs gehörten zu den ersten, die nach 46 Jahren wieder vom Ufer der wiedereröffneten Badestelle in den Baldeneysee sprangen.

Foto: dpa, bt sab

Die Bedingungen sind ideal: Die geschätzte Temperatur des Baldeneysees liegt bei 22,5 Grad. Das Wasser ist klar und frei von Bakterien und Krankheitserregern. Dann tauchen die ersten Schwimmer ins kühle Nass. Es sind die ersten Bahnen seit 46 Jahren, die in dem Ruhrstausee gezogen werden. Anfang der 70er Jahre wurde das Schwimmen dort verboten. Der Grund war die schlechte Wasserqualität des ehemaligen Industrieflusses. Doch seitdem hat sich einiges getan: Mittlerweile sind die Hygienebedingungen so gut, dass die Behörden keine gesundheitlichen Bedenken mehr haben. Auf dem privat betriebenen Gelände "Seaside Beach Baldeney" (Eintritt 3,50 Euro) ist nun eine Badestelle entstanden - sie ist 50 Meter lang und ragt 15 Meter in den See hinein. Drei Stege unterteilen das fließende Gewässer in kleine Schwimmzonen.

"Es ist ein Traum"

Profisportler und Senioren sind die ersten, die im neuen Strandbad abtauchen dürfen. Mit dabei ist der ehemalige Olympia-Schwimmer Christian Keller. "Es ist ein Traum", sagt er, als er tropfend aus dem Wasser steigt. "Früher haben wir hier Fangen und Verstecken gespielt. Und mein Vater ist in den 50ern schon hier reingesprungen."

Überhaupt ist die Wiedereröffnung ein Tag, der zum Erinnern einlädt: Thomas Kufen, Oberbürgermeister der Stadt Essen, blickt in seiner Eröffnungsrede auch auf die Geschichte des Gewässers zurück. Es war Ende der 1920er Jahre, als die Stadt Essen und der Ruhrverband einen Ruhrstausee planten. Ziel war es, dass die Ruhr dadurch von Schadstoffen befreit wird. Durch den Stausee sollte die Fließgeschwindigkeit des Industrieflusses verringert werden, so dass sich Schmutzpartikel am Grund absetzen konnten. 1933 wurde der See fertig. Vier Jahre später, so erzählt es Oberbürgermeister Kufen, gab es dann das erste Freibad. Geschwommen wurde in angelegten Becken, aber beim Sprung vom Sprungturm landete man in dem See. In den 50ern wurde das Baden in der Ruhr verboten, 1971 wurden dann auch die Becken wegen mangelnder Wasserqualität geschlossen.

Zeiten, an die Norbert Tegeler sich noch gut erinnert: "Da hinten war der Sprungturm", erzählt er und deutet auf die Pfeiler, die noch aus dem Wasser ragen. "Zehn Meter war der Turm hoch." Selbstverständlich sei auch er damals davon heruntergesprungen, "wer hochklettert, muss schließlich wieder runterkommen", sagt der 74-Jährige und lacht.

Durch Investitionen in Millionenhöhe ist nun das Schwimmen in dem ehemaligen Industriefluss wieder möglich - aber nur unter bestimmten Voraussetzungen. Starker Regen und Hochwasser führen zu hygienischen Beeinträchtigungen, sagt Norbert Jardin vom Ruhrverband. Denn durch zu hohe Niederschlagsmengen kann ungeklärtes Abwasser aus den Rückhaltebecken in die Ruhr gelangen. Dafür gibt es ein Frühwarnsystem: Wer künftig in der Ruhr schwimmen möchte, der kann sich vorab auf den Internetseiten der Stadt und des "Seaside Beach Baldeney" tagesaktuell über den Wasserstand informieren. Bürgermeister Kufen rechnet mit 40 bis 50, vielleicht 60 Bade-Tagen, die es werden können.

"Abends gab es grundsätzlich Gewitter"

Auch wenn sich am ersten Tag noch nicht alle ins Wasser wagen - die ersten Schwimmzüge seit 46 Jahren locken viele Schaulustige an. Für sie ist es ein Anlass, sich an ihre eigene Kindheit am Baldeneysee zu erinnern. "Ich habe hier Schwimmen gelernt", erzählt Ingrid Stüllgens aus Essen. "Damals saßen die Leute rings um den See, wir haben viele schöne Tage hier gehabt. Es war in der Nachkriegszeit, da gab es nicht viel anderes, und es war unser Urlaubsziel." Von Essen-West ist die heute 77-Jährige mit ihrer Familie bis an den See gelaufen - ein Fußmarsch von eineinhalb Stunden. Erlebnisse, die auch eine 82-jährige Besucherin kennt: "Abends gab es grundsätzlich Gewitter. Dann haben wir uns die Wolldecken über den Kopf gehalten und sind nach Hause gelaufen."

Sabine Zimmer hat viele Sommernachmittage in ihrer Kindheit am See verbracht, geschwommen ist sie allerdings nicht mehr direkt in der Ruhr, sondern in den abgetrennten Schwimmbecken. Die sind heute mit Sand befüllt. "Da drüben sieht man noch ihre Markierung", sagt die 55-Jährige und deutet auf eine blaue Stelle unter dem Liegestrand. "Ich freue mich über die Neueröffnung." Auch Christian Keller steigt noch einmal in die Ruhr: diesmal mit Töchterchen Luisa.

(ubg)
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