Anzeige von Andreas Lubitz' Eltern Eine verstörende Danksagung

Düsseldorf · Die Familie von Andreas Lubitz, der die Germanwings-Maschine absichtlich zum Absturz gebracht hat, bedankt sich in einer Zeitungsanzeige für die Anteilnahme. Die 149 anderen Todesopfer und deren Angehörige werden mit keinem Wort erwähnt.

 Diese Anzeige wurde in der "Westerwälder Zeitung" veröffentlicht.

Diese Anzeige wurde in der "Westerwälder Zeitung" veröffentlicht.

Foto: Screenshot Merle Sievers

Ein Jahr lang haben sie sich mit öffentlichen Trauerbekundungen für ihren Sohn zurückgehalten. Nun aber haben die Eltern des Co-Piloten Andreas Lubitz, der die Germanwings-Maschine absichtlich in die französischen Alpen gesteuert und 149 Menschen mit sich in den Tod gerissen hat, eine Anzeige in der "Westerwälder Zeitung" geschaltet. Darin bedanken sie sich bei allen, die ihnen nach der Katastrophe beigestanden haben. "Besonders danken möchten wir unserem Pfarrer für die würdevolle Trauerfeier und den über hundert Trauergästen", schreiben sie. Die Anzeige schließt mit dem Satz: "Wir vermissen Dich sehr, aber Du bist und bleibst in unseren Herzen. Deine Mama, Dein Papa und Dein Bruder."

Für die Eltern des Unglückspiloten muss es ein schwerer Schritt gewesen sein, sich auf diese Weise an die Öffentlichkeit zu richten. Denn viele machen sie nach wie vor mitverantwortlich für die Katastrophe. Sie hätten doch sehen müssen, wie schlecht es ihrem Sohn, der unter Depressionen litt, gehe, lautet der Vorwurf vieler. Bei der offiziellen Trauerfeier im französischen Le Vernet am 24. März, dem Jahrestag der Katastrophe, sind 149 Namen der Toten verlesen worden; nur der des Copiloten nicht.

Bei einigen Angehörigen stößt die Anzeige auf Unverständnis. So ruft die Bekundung, "Wir haben einen liebenswerten und wertvollen Menschen verloren", bei manchen Kopfschütteln hervor. "So etwas zu lesen, tut schon weh", sagt ein Hinterbliebener. Besonders aber ärgern sich viele Angehörige über einen Satz, der nicht vorkommt. "Mit keinem Wort erwähnt die Familie Lubitz die 149 Todesopfer, die ihr Sohn auf dem Gewissen hat. Das ist mir unerklärlich", sagt der Hinterbliebene. Vasili Bryjak hat seinen Vater, einen deutschlandweit bekannten Opernsänger aus Willich, bei dem absichtlich herbeigeführten Absturz verloren. Er hegt keinen Groll gegen die Familie des Copiloten. "Ich denke es wäre jetzt der falsche Schritt sich deshalb negativ zu äußern. Klar belastet das jetzt alle, aber ich selbst erwarte nichts von den Eltern", betont Bryjak.

In Haltern am See ist die Zeitungsanzeige gestern kaum Gesprächsthema gewesen. Aus der knapp 39.000-Einwohnerstadt am nördlichen Rand des Ruhrgebietes sind bei dem Absturz 16 Schüler und zwei Lehrerinnen des Joseph-König-Gymnasiums ums Leben gekommen. Am ersten Tag nach den Osterferien haben Schüler, Lehrer und Angehörige in zwei Gottesdiensten nun der Opfer der Katastrophe gedacht. "Wir haben den Tag für die Trauergottesdienste ausgewählt, weil am Jahrestag des Absturzes Ferien und dementsprechend nicht alle Schüler da waren", betont der Leiter des Gymnasiums Ulrich Wessel.

An dem ökumenischen Gottesdienst in der Sixtus-Kirche im Zentrum der Stadt haben rund 1000 Menschen teilgenommen, darunter die älteren Jahrgangsstufen des Gymnasiums, Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) und Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne). Zeitgleich sind in der Haltener Marien-Kirche die Jahrgänge 5 bis 7 zusammengekommen. Für sie ist der Trauergottesdienst altersgerecht gestaltet worden.

Auf dem Altar in der Sixtus-Kirche haben Schüler Kerzen angezündet, auf denen die Vornamen aller 18 Opfer aus Haltern geschrieben stehen. Hinter den Kerzen liegt eine große, von der Kunst-AG der Schule gestaltete offene Hand, in der die Nachnamen stehen. Zu dem Bibelwort "Sieh her: Ich habe dich eingezeichnet in meine Hände" werden die Namen dann nacheinander verlesen. In einem "Tränengebet" kippen Schüler während des Gottesdienstes Krüge voller Wasser in ein Becken. Sie wollen damit zeigen, wie viele Tränen in der Stadt vergossen worden sind. "So viel Leben, das noch hätte gelebt werden müssen. Auch darum werden wir noch viele Tränen weinen", heißt es dazu.

Sylvia Löhrmann trägt eine Fürbitte vor: . "Die Katastrophe des 24. März hat unsägliches Leid über unser ganzes Land gebracht. Wir denken in dieser Stunde an die Opfer aus Haltern, aber auch an alle anderen Opfer dieses Flugzeugabsturzes. Sei allen nahe und stehe allen Angehörigen bei, wieder neue Perspektiven zu entdecken." Kraft und Löhrmann betonen nach dem Gottesdienst, dass es ihnen wichtig gewesen sei, zu zeigen, dass sie Anteil an der Trauer nehmen.

Eine Schülerin berichtet zum Abschluss von einer ums Leben gekommenen Freundin. "Trotzdem bist du da. Unsere Freundschaft geht über den Tod hinaus", sagt sie.

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