Umstrittene Smartphone-App Eltern und Lehrer in NRW wollen "Pokémon"-Verbot an Schulen

Düsseldorf · Eltern und Lehrer befürchten, dass zum Schulstart viele Kinder und Jugendliche lieber virtuelle Monster jagen als dem Unterricht zu folgen. Deshalb fordern sie ein temporäres Smartphone-Verbot in Schulen.

Pokemon Go - diese Tipps & Tricks sollten Sie kennen
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Thorsten Bremer, Oberstufen-Koordinator an einem Gymnasium in Köln, blickt wegen des "Pokémon"-Hypes mit leicht sorgenvoller Miene auf den Start ins neue Schuljahr. "Ich befürchte, da kommt was auf uns zu", sagt der 36-Jährige. "Ich weiß von vielen unserer Schüler, dass sie das Spiel spielen, und dass sie zum Teil in den Sommerferien gar nichts anderes gemacht haben als das", betont der Pädagoge. Deshalb gehe er nicht davon aus, dass sie damit nach den Ferien plötzlich aufhören - nur weil Schule sei. In seinem Kollegium diskutiert man seit Tagen, wie man zu Unterrichtsbeginn mit dem Thema umgeht. "Eine Lösung haben wir noch nicht gefunden", sagt Bremer.

Ein Patentrezept scheint es auch nicht zu geben. Zumindest lässt die Bezirksregierung Düsseldorf als zuständige Schulaufsichtsbehörde die Schulen bei dem Thema allein entscheiden. "Eine Art Regelung oder Handreichung im Umgang mit Smartphones und 'Pokémon Go' gibt es nicht", sagt eine Sprecherin. Jede Schule könne den Umgang beziehungsweise die Nutzung von Smartphones und mobilen Endgeräten selbst in ihrer Schulordnung oder einer Eltern-/Schülervereinbarung regeln, betont Eisenmann.

"Appelle allein reichen nicht aus"

Das sei zu wenig, meinen Elternverbände und Lehrer gleichermaßen. "Es müssen klare Ansagen gemacht werden. Appelle allein werden nicht ausreichen. Solange das 'Pokémon'-Fieber grassiert, brauchen wir eindeutige Richtlinien", fordert Peter Silbernagel, Vorsitzender des Philologenverbandes in Nordrhein-Westfalen. Das Spiel sei wie eine Sucht und lenke die Schüler ab. "Darum sollte es vor Unterrichtsbeginn und in den Pausen - solange es das Phänomen gibt - ein Nutzungsverbot für Smartphones geben", meint Silbernagel. In den Lehrer- und Schulkonferenzen müssten entsprechende Strategien entwickelt werden.

Expertin fordert einheitliches Gesetz

Regine Schwarzhoff, Landesvorsitzende des Elternvereins, spricht sich ebenfalls für ein Verbot von Smartphones in Schulen aus, damit die Schüler erst gar nicht die Möglichkeit hätten, "Pokémon Go" zu spielen. "Entscheidend ist aber auch, dass die Eltern ihre Kinder darauf hinweisen. Dass sie ihnen deutlich sagen und erklären, dass Smartphones in der Schule nichts zu suchen haben", betont Schwarzhof. Sie kritisiert, dass jede Schule selbst über ein Handyverbot entscheiden kann. "Da muss ein einheitliches Gesetz für alle her", sagt sie. Tatsächlich wird ein generelles Verbot nur an wenigen Schulen ausgesprochen - etwa an der städtischen Realschule in Nettetal, wo man beim Betreten des Schulgeländes das Handy aus Jugendschutzgründen ausschalten muss.

An den Schulen hatte man gehofft, dass der Hype um "Pokémon Go" zum Schulstart längst verflogen sei. Doch das Spiel, das es seit kurz nach Beginn der Sommerferien in Deutschland gibt, gewinnt weiter täglich neue Fans hinzu. Dabei gehen Spieler mit ihrem Smartphone in der realen Welt auf die Suche nach virtuellen Monstern, die sie einfangen, trainieren und gegeneinander kämpfen lassen können. Letzteres macht man in virtuellen Arenen, die es in jeder Stadt an mehreren Orten gibt. In Düsseldorf befindet sich ein solcher Kampfplatz mitten in einer Schule. Neben den Arenen gibt es die sogenannten Pokéstops, an denen man Items (Elemente) einsammeln kann, die man für das Spiel benötigt. Auch diese beliebten Hotspots können an oder vor einer Schule liegen.

Polizei sieht Verkehrssicherheit bedroht

Der Suchtfaktor ist mittlerweile so groß, dass viele Kinder und Jugendliche die Umgebung um sie herum völlig vergessen, wenn sie auf virtuelle Monsterjagd gehen. Deshalb sind auch Polizei und Verkehrswacht gerade zum Schulstart in dieser Woche besorgt - wegen der Sicherheit auf dem Schulweg. "Aus unserer Sicht ist das Spiel problematisch, weil die Spieler oft plötzlich und unvermittelt loslaufen, ihre Richtungen ändern, ohne dabei auf die anderen Verkehrsteilnehmer zu achten", sagt Burkhard Nipper, Geschäftsführender Direktor der Landesverkehrswacht NRW. "Das fängt schon auf dem Gehweg an. Wenn die Spieler andere Fußgänger anrempeln oder über den Haufen laufen und Einfahrten, aus denen Autos kommen, nicht mehr wahrnehmen. Das ist sehr gefährlich", sagt Nipper. Deshalb müssten vor allem motorisierte Verkehrsteilnehmer zum Schulstart besonders auf Kinder und Jugendliche achten, die ihren Blick nur auf ihr Handy richten.

In Bayern sind deshalb vom Land schon Warnhinweise mit dem Titel: "Lebensgefahr! Pokémon Go" an die Gymnasien verschickt worden. Darin werden Schulen, Eltern und Lehrer über die Gefahren des Spiels informiert. Soweit will man in NRW bislang nicht gehen. Das sei jedenfalls nicht in Planung, heißt es bei der zuständigen Bezirksregierung.

(csh)
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