Landpartie Ein Ur-Wald als Spielplatz

Heimbach · Auf Erkundungstour mit einem Ranger im Nationalpark Eifel: Wilde Rotbuchen-Mischwälder wachsen auf dem Bergrücken zwischen Rursee und Urftsee. Mittendurch schlängelt sich der Rundweg "Wilder Kermeter".

 Auf dem Natur-Kletterpfad ergeben umgekippte Bäume und eine wildwachsende Natur einen (gesicherten) Spielplatz.

Auf dem Natur-Kletterpfad ergeben umgekippte Bäume und eine wildwachsende Natur einen (gesicherten) Spielplatz.

Foto: Bianca Pohlmann

Beim Betreten der Baustelle heißt es als Erstes: Kopfbedeckung aufsetzen. Das gilt bei diesem Bauprojekt allerdings nicht für die Besucher, sondern nur für denjenigen, der es ihnen zeigt. Bevor Carsten Richter also mit seiner Baustellen-Tour beginnt, setzt er sein Erkennungszeichen auf den Kopf: den braunen Ranger-Hut. Dann kann sie losgehen, die Besichtigung der "Baustelle Wildnis". Bauausführung: Stürme, Bäume, Sträucher, Ameisen, Vögel, Schnecke, Pilze und Co. Baubeginn war 2004, Bauzeit: mindestens 250 Jahre.

Überwacht wird die Arbeit vom Nationalpark Eifel. "Willkommen zur Rangertour Wilder Kermeter", sagt Richter und spaziert mit rund 20 Wanderern los. Seit 2006 ist der Nationalpark Eifel der Arbeitsplatz des 48-Jährigen. Sein "Büro" ist rund 110 Quadratkilometer groß, durchzogen von etwa 250 Kilometern Wanderwegen. Bis 2004 war der heutige Nationalpark Eifel ein ganz normaler Wirtschaftswald, erklärt Carsten Richter. "Jetzt soll er wieder zum Ur-Wald werden." Das geschieht, indem man Natur eben Natur sein lässt, ohne direkten Einfluss des Menschen. Das heißt konkret: Alt- und Totholz bleiben liegen und dienen als Speisekammer oder Höhlen für viele gefährdete Tier- und Pflanzenarten.

Der junge Nationalpark Eifel ist noch ein "Entwicklungspark". Noch wachsen dort zum Beispiel nicht heimische Baumarten wie Fichte und Douglasie. "Die letzte Eiszeit ist die Messlatte. Alles, was der Mensch danach in die Natur eingebracht hat, gilt als nicht heimisch", sagt Richter und erklärt, warum diese Pflanzen "ausgehungert" werden, indem den Douglasien eine Schneise in die Rinde geschnitten wurde: "Sie würden sonst irgendwann alles Heimische überwuchern."

 Ranger Carsten Richter erklärt den Tour-Teilnehmern das vielschichtige Ökosystem Wald.

Ranger Carsten Richter erklärt den Tour-Teilnehmern das vielschichtige Ökosystem Wald.

Foto: Bianca Pohlmann

In sieben Gebiete ist der Nationalpark aufgeteilt, acht Rangertouren werden jede Woche angeboten, jeden Monat sind die Ranger für einen anderen Bereich eingeteilt. "Das macht den Reiz aus. Es ist ein Traumjob, den ganzen Tag an der frischen Luft", sagt Richter. Dabei musste sich der ehemalige Forstwirt nach Gründung des Nationalparks ein bisschen zu dem Beruf überreden lassen. "Da trafen zwei Welten aufeinander." Als Forstwirt war er meist allein im Wald tätig, "als Ranger bin ich wandelnde Infosäule, aber ebenso für das Pflanzen von Bäumen zuständig".

Die 4,7 Kilometer lange Rangertour durch den Erlebnisraum Wilder Kermeter vermittelt einen ersten Einblick, wie sich der Nationalpark entwickeln soll. Und wie sich Pflanzen und Tiere langsam ihr Revier zurückerobern. Die Besonderheit an dieser Tour: Sie ist leicht und barrierefrei, damit geeignet für Menschen mit eingeschränkter Mobilität oder im Rollstuhl, auch mit dem Kinderwagen gut zu gehen. Überhaupt Kinder -"besonders wichtige Besucher", findet Richter. "Wenn sie von meiner Tour etwas mitnehmen über die Natur und ihren Schutz, dann ist das viel wert", sagt der Ranger. Und erklärt Groß und Klein ausdauernd, woran das Schlafzimmer des Borkenkäfers zu erkennen ist, welcher Specht ein ovales Baumloch hämmert - nämlich der Schwarzspecht. Er holt aus seiner Bauchtasche den Zahn eines Keilers, den Huf eines Rehs und zeigt, wo die Wildschweine in den Morgenstunden ihr Matschbad genommen haben.

 Während der Tour schauen sich Kinder den Zahn eines Keilers an.

Während der Tour schauen sich Kinder den Zahn eines Keilers an.

Foto: Bianca Pohlmann

Auf der Mitte des Rundwegs liegt auf 512 Metern Höhe die Hirschley - Gelegenheit für ein Picknick mit wunderbarem Panoramaausblick auf den Rursee. Insgesamt rund drei Stunden ist Carsten Richter mit den Besuchern unterwegs, beantwortet Fragen - und schaut nebenbei, dass die Regeln des Nationalparks eingehalten werden. Hunde bitte anleinen, Zigarette aus, diese Sätze gehören zu seinen meist ausgesprochenen Erinnerungen. "Ich dürfte sogar Knöllchen verteilen", sagt Richter. Er setzt aber lieber auf das freundliche Miteinander.

Wer noch mehr Informationen haben möchte, dem empfiehlt der Ranger den "Wilden Weg". Ein 1,5 Kilometer langer Naturerkundungspfad am Ausgangspunkt des Rundweges Wilder Kermeter. An zehn Erlebnisstationen können die Besucher zum Beispiel schauen, wie dick eine Buche im Ur-Wald werden kann und wie das "Schlafzimmer" des Borkenkäfers im begehbaren Baumstamm aussieht.

Die Kinder schickt Richter unbedingt auf den Natur-Kletterpfad: umgekippte Bäume, wildwachsende Natur, die einen (gesicherten) Spielplatz ergeben. Wenn die Besucher mit all diesen Eindrücken den Nationalpark verlassen, ist seine Arbeit getan. Dann tauscht Richter den offiziellen Rangerhut gegen die legere Baseballkappe.

Und überlässt die Baustelle wieder ganz der Natur.

(RP)
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