Gewalt gegen Düsseldorfer Polizei "Wir werden regelmäßig bespuckt"

Düsseldorf · Experten fordern ein neues Leitbild für NRW-Polizisten. Sie sollen robuster auftreten als bislang. Grund sei das respektlose und gewaltbereite Benehmen gegenüber den Beamten. Wir haben mit einem Gewerkschafter der Polizei über die Situation in Düsseldorf gesprochen.

 Polizisten im Dienst am Düsseldorfer Hauptbahnhof. (Symbol)

Polizisten im Dienst am Düsseldorfer Hauptbahnhof. (Symbol)

Foto: dpa, os kno

Bespuckt zu werden, ist für Thomas Kusenberg schon lange nichts Ungewöhnliches mehr. Der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Kreisgruppe Düsseldorf, ist seit mehr als 20 Jahren im Dienst. Er berichtet, dass die Gewalt und Respektlosigkeit gegenüber der Polizei immer weiter zunimmt.

Herr Kusenberg, hat die Polizei in Düsseldorf wirklich so im Alltag zu kämpfen, wie es immer in den Medien zu hören ist?

Kusenberg Zunächst sei gesagt: Der große Teil der Bevölkerung steht hinter der Polizei. Aber ja, das negative Verhalten gegenüber den Beamten nimmt auf jeden Fall zu. Ich will nicht sagen, dass wir uns jeden Tag mit tätlichen Angriffen konfrontiert sehen. Düsseldorf ist auch nicht die Dortmunder Nordstadt oder Duisburg. Aber generell muss man sagen, dass die Respektlosigkeit zugenommen hat.

Seit wann ist das so?

Kusenberg Ich bin Ende der 90er Jahre zur Polizei gekommen. Seitdem kann ich aus Erfahrung sagen, dass die Einstellung sich immer weiter zum Negativen verändert hat. Das zieht sich quer durch alle gesellschaftlichen Schichten. Man muss leider sagen, dass es ein Trend geworden ist. Heutzutage muss ein Beamter jederzeit damit rechnen, Opfer eines tätlichen Angriffs zu werden. Ein Polizist muss Leidensfähigkeit mitbringen.

Was halten Sie von der Forderung, die Polizei solle robuster werden?

Kusenberg Robust ist so ein schönes Wort für die Medien. Bei mir und im polizeilichen Umfeld ist die Meinung, dass die Praxis jetzt Einzug in die polizeilichen Leitlinien erhält. Dieses Leitbild ist, so wie es jetzt ist, grundsätzlich okay. Es ist an die Realität angepasst. Die Bevölkerung wünscht sich eine starke Polizei. Das kriegen wir immer wieder mit. Das Wort "robust" ist aber unglücklich. Das klingt ja so, als könnten wir uns nicht wehren. Und das stimmt nicht.

Was würden Sie von einem neuen Leitbild erwarten?

Kusenberg Dass in der Ausbildung junger Polizisten verstärkt der Umgang mit dem Thema Gewalt in den Fokus gerückt wird. Wir merken das immer öfter. Es bewerben sich bei uns junge Menschen, die kommen aus gutem Elternhaus. Sie sind gut sozialisiert, haben eine Erziehung genossen und können Konflikte mit Worten lösen. Und das ist gut so. Aber es lässt sich eben nicht alles mit Kommunikation lösen. Die Jungen müssen darauf vorbereitet werden, auch Gewalt anwenden zu können, wenn es nötig ist.

Wie schnell entsteht denn im Alltag so eine Situation?

Kusenberg Heutzutage ist es schon so, dass die Ahndung eines harmlosen Verkehrsverstoßes als Angriff auf die eigene Person verstanden wird, gegen den man sich zur Wehr setzen darf. Das geht von Beschwerden über Beleidigungen bis hin zu körperlichen Attacken. Das habe ich alles schon erlebt.

Aber wie kam es zu dieser Wandlung? Warum fühlen sich Menschen angegriffen?

Kusenberg Viele Menschen sind einfach Ich-bezogen und gestehen sich selbst keine Fehler mehr ein. Früher sagten die Menschen noch offen: "Ja, stimmt. Ich habe einen Fehler gemacht". Heute wird mit allen Mitteln versucht, da wieder herauszukommen. Dann kommt es zu unsachlichen Angriffen. Oder die Leute steigen aus und gehen auf Konfrontationskurs. Das kommt schon regelmäßig vor.

Ist die Vermutung richtig, dass es in der Altstadt für Polizisten am schwierigsten ist?

Kusenberg Als ich damals bei der Polizei angefangen habe, war es noch normal, als Doppelstreife in die Altstadt zu gehen. Das ist heute gar nicht mehr möglich. Wenn man heute zu einem Einsatz gerufen wird, hat man nicht nur mit den Beteiligten zu tun, sondern auch die Umstehenden wirken dann auf die Polizei ein. Die Kollegen dort wissen einiges zu berichten.

Ich nehme an, Beleidigungen gehören da zum Alltag.

Kusenberg Ja, Beleidigungen nehmen wir schon gar nicht mehr wahr. Man muss eine gesunde Einstellung finden, aber trotzdem belastet es einen natürlich. Wir werden zudem regelmäßig bespuckt, ist mir auch schon passiert. Das muss man sich mal vorstellen. Man wird einfach im Vorbeigehen bespuckt, ohne das diese Leute in dem Moment überhaupt etwas mit der eigentlichen Tat zu tun haben. Die sehen nur die Polizei und sind generell auf der Gegenseite.

Was sind die Folgen in solchen Situationen?

Kusenberg Die Masse solidarisiert sich sehr schnell gegen die Polizei. Das geht bis zu versuchten Befreiungen der Gefangenen. Das ist schon sehr bedenklich. Natürlich versuchen wir alles mit Worten zu klären, aber Kommunikation ist eben keine Einbahnstraße. Wenn mein Gegenüber nie gelernt hat zu kommunizieren oder es gar nicht will, dann geht es auch nicht.

Dann müssen Sie zu anderen Methoden greifen?

Kusenberg Wenn es nötig ist, muss man vorbereitet sein, auch Gewalt anzuwenden. Als Polizist darf man nicht gewalttätig sein, aber man muss gewaltbereit sein. Wir haben das Gewaltmonopol des Staates und dann müssen wir im Ernstfall auch in der Lage sein, dies durchzusetzen.

Also zum Beispiel, wenn man bespuckt wird?

Kusenberg Nein, bei uns ist das anders als beim normalen Bürger. Der fällt aus allen Wolken, wenn er bespuckt wird und reagiert womöglich direkt mit Gewalt. Das funktioniert bei der Polizei nicht. Wenn ich so eine Situation zur Eskalation treibe, dann kann ich auch selbst verletzt werden. Das kann nicht das Ziel sein. Deshalb agiert man zurückhaltender, aber alles gefallen lässt man sich auch nicht.

Aber hat man dann nicht Wut im Bauch, sich anspucken zu lassen und kaum etwas machen zu können?

Kusenberg Ich habe eine lange Einsatzerfahrung und weiß, was mir passieren kann und wie ich reagieren kann. Wut führt zu unüberlegtem Handeln. Das kann sich die Polizei nicht leisten.

Aber geht das wirklich so einfach?

Kusenberg Das wirkliche Problem ist ein anderes: Man muss sich auch vor Augen führen, dass Polizisten auch nur Menschen sind. Ich wurde schon mit dem Messer bedroht. Das ist keine Situation, die man am Abend einfach mit der Uniform abstreift. Das sind belastende Situationen, denen man täglich ausgesetzt ist.

Wie könnte man solchen Situationen entgegenwirken?

Kusenberg Zum einen mit einer besseren Schulung in der Ausbildung. Die Gewalt nimmt ja nicht ab. Sie nimmt zu. Darauf muss man vorbereitet werden. Zum anderen braucht es neue Hilfsmitteln im Alltag. Für viele Polizisten und mich ist es beispielsweise unbegreiflich, dass in Deutschland immer noch kein Taser (Elektroschocker, Anm. d. Red) eingesetzt werden darf. In anderen demokratischen Ländern ist das seit Jahrzehnten völlig normal. Die Reaktionen sind durchweg positiv.

Sie würden also einen Taser im Einsatz begrüßen?

Kusenberg Ja, auf jeden Fall. In der Situation, in der ich mit dem Messer bedroht wurde, hatte ich nur die Möglichkeit, meine Waffe zu ziehen. Da helfen einem auch kein Gummiknüppel oder die Fäuste. Und kommen wir nochmal zur Belastbarkeit. Hätte ich wirklich schießen müssen, wer weiß, was danach mit mir passiert wäre. Wie ich das verarbeitet hätte. Das ist keine einfache Entscheidung. Diese Lücke könnte man mit einem Taser leicht schließen.

Könnte das nicht den ohnehin schon polizeifeindlich eingestellten Menschen zusätzlich Munition geben?

Kusenberg Nur mit einem neuen Leitbild wird aus Deutschland kein Polizeistaat. Aber natürlich müssen staatliche Handlungen immer überprüft werden. Wir wollen ja auch niemanden aus Spaß angreifen. Was bei dieser ganzen Debatte vergessen wird: Wir Polizisten sind ja eigentlich dafür da, die Probleme von anderen Menschen zu lösen. Wir gehen nicht raus und suchen nach jemandem, der uns mit einem Messer bedroht. Aber weil es immer häufiger vorkommt, haben wir kaum noch Zeit, um uns um die eigentliche Arbeit wie Verkehrsunfälle und anderes zu kümmern. Wie jeder andere wollen wir auch nur unsere Arbeit machen.

(se)
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