Dortmunder Nordstadt Oberbürgermeister kritisiert Bericht über No-Go-Area

Dortmund · Die Dortmunder Nordstadt genießt einen umstrittenen Ruf. Die Wochenzeitung "Die Zeit" hat den Stadtbezirk besucht und eine ausführliche Reportage veröffentlicht. Nachdem der Text für rechte Hetze genutzt wurde, meldet sich jetzt der Oberbürgermeister zu Wort.

Das ist die Dortmunder Nordstadt 2017
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Foto: Magdalena Stengel

"Let's go Nordstadt statt No-Go-"Journalismus" - unter diesem Arbeitstitel veröffentlichte Dortmunds Oberbürgermeister Ullrich Sierau (SPD) am Mittwoch eine Stellungnahme, zu der er sich eigenen Worten zufolge genötigt sah. Denn der nördliche Teil seiner Stadt stand Anfang Mai im Fokus der Berichterstattung in der Wochenzeitung "Die Zeit" - und kam dabei einmal mehr schlecht weg. Sierau beklagt, der Stadtbezirk Nordstadt solle in dem Artikel "hingerichtet" werden.

Dazu muss man wissen: Das Viertel ist seit jeher auch unter Dortmundern umstritten. Die niedrigen Mieten, die Geburtsstätte des BVB und allerlei Subkultur - so preisen die einen die Nordstadt Dortmunds an. Dreckig, kriminell und von ausländischen Banden kontrolliert sei der Norden, halten die anderen dagegen. Ein Blick auf Zahlen und Fakten beweist: Recht haben sie alle.

Erst eine knappe Woche ist es her, dass hier rund um den Borsigplatz Zehntausende den Pokalsieg von Borussia Dortmund feierten, die Mieten liegen bei unter fünf Euro pro Quadratmeter und zuletzt stieg die Bevölkerungszahl in keinem anderen Bezirk so stark wie in der Nordstadt.

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Foto: rtr, joh

Auf der anderen Seite hat das Viertel mit Problemen zu kämpfen, weit über dem städtischen Durchschnitt. 24 Prozent der Bevölkerung sind arbeitslos, in einzelnen Stadtteilen liegt der Ausländeranteil bei über 75 Prozent und in keinem anderen Bezirk ist die Kriminalitätsrate höher - auch wenn die Polizei zuletzt eine "positive Entwicklung" feststellte. "Wir sind hier eindeutig auf dem richtigen Weg, aber noch längst nicht am Ziel", heißt es von der Behörde.

Dieser Gegensatz macht die Nordstadt immer wieder zum beliebten Schauort von journalistischen Reportagen - zu prägend ist der Bezirk für die bevölkerungsreichste Stadt des Ruhrgebiets. In der "Zeit" erschien Anfang Mai eine eben solche Reportage. In 5487 Wörtern wird der Stadtbezirk als Problemviertel, als No-Go-Area porträtiert. "Einseitig", beklagt das Dortmunder Stadtoberhaupt "Das ist kein Journalismus, sondern propagandistische Hetze gegen einen Stadtteil", schreibt Sierau in seiner Stellungnahme.

Dass die überhaupt veröffentlicht wurde, hängt laut Sierau vor allem mit den Folgen des Artikels zusammen, der seit seiner Veröffentlichung als Grundlage für "rechtspopulistische und rechtsextreme Hetze" diene. Tatsächlich finden sich auf einem Webblog der Neonazi-Partei "Die Rechte" entsprechende Texte unter Verweis auf die "Zeit"-Reportage. In den Beiträgen wird gegen die vermeintlichen Zustände in der Nordstadt, Ausländer im Allgemeinen und Sierau im Speziellen gehetzt.

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Foto: dpa, pla

Ausschlaggebend dafür war auch, dass der OB laut Reportage und eigener Aussage im Gespräch mit der "Zeit" laut geworden sei. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Innenminister Thomas de Maizière seien "Dilettanten" und hätten "von Tuten und Blasen keine Ahnung". Auf kritische Nachfragen habe er dünnhäutig reagiert. "Die Frage ist eine Zumutung!", wird Sierau in der Wochenzeitung zitiert.

Der erklärt: Er habe die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung kritisiert, deren Auswirkungen vor allem die Kommunen zu spüren bekommen hätten", und auf die vielen positiven Maßnahmen der Stadt im nördlichen Problembezirk hingewiesen. Er sei "fassungslos gewesen über die Unkenntnis der fragenden Autoren", schreibt Sierau weiter, er fühle sich wie ein Trainer eines eigentlich erfolgreichen Fußballteams, dem immer nur vorgehalten werde, was besser laufen müsse. In solchen Situationen seien schon Ex-Nationaltrainer Rudi Völler oder Ex-Nationalspieler Per Mertesacker "irgendwann der Kragen geplatzt."

Zum Schluss zählt der OB noch auf, was seiner Meinung nach in die Berichterstattung gehört hätte. "Es ist unterschlagen worden, dass es bei allen Problemen erhebliche Integrationsleistungen gibt", klagt Sierau. Darüber hinaus weise der Stadtteil eine "lebhafte Kultur- und Gastronomieszene", 28.000 Arbeitsplätze und knapp 2000 ansässige Betriebe. Die Nordstadt, so Sierau, "ist ein pulsierender Stadtteil — eine Let's-Go-Area mit viel Potenzial für eine erfolgreiche Entwicklung trotz aller Probleme."

(cbo)
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