Bad Sassendorf Die besten Fallschirmspringer der Welt

Bad Sassendorf · Die besten Fallschirmspringer der Welt kämpfen zurzeit in Westfalen um den WM-Titel.

 Die besten Fallschirmspringer der Welt zeigen in Westfalen ihr Können.

Die besten Fallschirmspringer der Welt zeigen in Westfalen ihr Können.

Foto: Carsten Thiel/Bundeswehr

Für den schwarzen Riesen-Koffer, den Ralf Grabowsky mit stolzem Lächeln in den Hangar des kleinen Flugplatzes von Bad Sassendorf rollt, müsste der Eckernförder bei einer zivilen Fluglinie wohl Hunderte Euro wegen Übergepäcks zahlen. Doch bei der 41. Weltmeisterschaft im Fallschirmspringen für Militärangehörige, die zurzeit in Westfalen stattfindet, ist das anders: Gebühren fallen für Grabowsky nicht an.

Denn schon nach wenigen Minuten verlässt der 55-Jährige samt eigens konstruiertem Sprunggepäckbehälter das Flugzeug wieder - und landet jubelnd direkt im Guinness-Buch der Rekorde. Der ungewöhnliche Inhalt von Grabowskys Gepäck: eine deutsche Fahne aus reißfestem Spezialtuch, mit 36 mal 75 Metern fast so groß wie ein Fußballfeld, dazu ein mächtiges Gegengewicht aus Blei, das allein 45 Kilo wiegt. Alles muss nach dem Ausstieg in 2,4 Kilometer Höhe blitzschnell gehen; das Entfalten in der Luft, exakt 20 lange Sekunden, ist Nervenkitzel pur. "Ich habe ein Jahr lang trainiert. Der Weltrekord stand bei 1800 Quadratmetern Tuch", berichtet Grabowsky stolz. "Jetzt habe ich mit 2700 Quadratmetern eine Größenordnung draufgesetzt, die kaum so schnell zu knacken sein dürfte."

Rückwärtssalti bei 300 km/h

Der Stabsbootsmann ist Kampfschwimmer bei der Deutschen Marine und hat bereits 7500 Sprünge absolviert, einer von 245 Elitesoldaten aus 38 Nationen, die bei der WM angetreten sind. Es sind die besten Fallschirmspringer der Welt, die hier um die Medaillen ringen: Beim Zielspringen im Einzelwettbewerb aus 1000 Metern Höhe ist mit der Ferse exakt eine Mini-Markierung zu treffen, die nur so groß ist wie eine Zwei-Cent-Münze. Bei der Disziplin Formationsspringen aus 3200 Meter müssen Vierer-Teams, begleitet von einem Kameramann, innerhalb von 35 Sekunden fünf verschiedene Bilder stellen. Und beim Stilspringen der einzelnen Athleten aus 2200 Metern sind vier Drehungen und zwei Rückwärtssalti zu zeigen - und das bei bis zu 300 km/h.

 In der Luft mit riesiger Fahne.

In der Luft mit riesiger Fahne.

Foto: Carsten Thiel/Bundeswehr

In einem Zelt probt ein Team aus Südkorea auf Rollbrettern noch einmal die Formationen, während Chefpilot Heinrich Wegener mit besorgtem Blick in den grauen Himmel eine seiner beiden zweimotorigen Maschinen klarmacht. "Die Wolkenuntergrenze liegt bei 400 Metern. Da sehen die Schiedsrichter am Boden mit ihren Ferngläsern nichts." Mehr als 1000 Sprünge waren dagegen am Tag zuvor möglich. "Das ist auch weltrekordverdächtig", meint der Chef der deutschen Mannschaft, Hauptfeldwebel Sascha Lasotta von der Sportfördergruppe der Bundeswehr aus Altenstadt. "Wir konnten fünf bis sechs Sprünge pro Teilnehmer absolvieren, das war hervorragend organisiert." Die Stimmung im neunköpfigen deutschen Team, darunter zwei Frauen, ist trotz der Zwangspause gut. Denn die Soldaten sind beim Figurenspringen mit Platz eins vor China und Tschechien gut gestartet und machen sich trotz starker Konkurrenz Medaillenhoffnungen.

Unter der Leitung von Oberstleutnant Wolfram Henkies, dem Chef der deutschen Delegation, ist nahe der A 44 für zwölf Tage ein kleines "Feldlager" entstanden: Zelte und Bürocontainer, eine Kantine, dazu Ruhe- und Aufenthaltsräume sowie großzügige Zuschauerbereiche. Die dunklen Wolken liegen schwer über dem Platz - kein Sprungwetter. Ersatzweise findet in einem Zelt ein spontanes Volleyballturnier statt: Italiener, Saudis und Kuwaitis sind die Teilnehmer, bejubelt von Zuschauern aus Marokko, Kolumbien und Indonesien. "Das ist unser Ziel: durch Sport Freundschaft in Frieden zu fördern", sagt Stabshauptmann a.D. Helmut Schlecht.

 Beim Verlassen des Flugzeugs.

Beim Verlassen des Flugzeugs.

Foto: Carsten Thiel/Bundeswehr

"Geiler Beruf"

Erst Stunden später klart es etwas auf. Ein kolumbianisches Team klettert in Wegeners Oldtimer, Baujahr 1977, den er von der kenianischen Luftwaffe gekauft hat. Die Hoheitsabzeichen sind nur provisorisch übermalt. "Ein neuer Anstrich würde 45.000 Euro kosten. Das Geld investiere ich lieber in die Sicherheit", meint der Westfale, der sein Hobby zu seinem "geilen Beruf" gemacht hat: Er bringt in ganz Europa Fallschirmspringer in die Wolken, gerade ist er für ein Event in Avignon gebucht worden. Insgesamt drei Dornier Do 28 hat Wegener gekauft. Die robuste Maschine kann selbst auf Graspisten bereits nach rund 160 Metern abheben - ideal für den Fallschirmsport. Hinter den beiden Pilotensitzen ist bis auf den grauen Teppichboden alles leer. Bis zu 15 Springer finden hier Platz.

 Sicher gelandet.

Sicher gelandet.

Foto: Carsten Thiel/Bundeswehr

Wegener zieht die Maschine steil nach oben, ein Umlauf bis auf 4500 Meter dauert deshalb nur etwa 15 Minuten, bei geringeren Höhen reichen zehn. Während sich alle Augen auf die landenden Springer richten, setzt die Maschine sanft auf und rollt wieder zum Startplatz vor dem Hangar, wo bereits die nächste Gruppe wartet. Wegener lehnt sich entspannt zurück und grinst: "Ich komme am Tag auf mehr Starts und Landungen als ein A380-Pilot im ganzen Jahr."

Die WM dauert noch bis zum 21. Juli, Zuschauer sind willkommen, Eintritt frei (Am Flugplatz 5, 59505 Bad Sassendorf, www.flugplatz-soest.de

(mic)
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