Kritik an Haltungsbedingungen Bundesrat will Zirkus ohne Wildtiere

Wesel · Tierschützer fordern unter anderem ein Verbot von Tigern, Elefanten und Flusspferden in Zirkussen. Die Betriebe fürchten ohne Wildtiere um ihre Existenz. Jetzt entscheidet ein Ausschuss des Bundesrates über die Regelung.

 Der letzte Zirkusbär Ben wurde nach 22 Jahren aus seinem Käfig befreit. Das hatte ein Münchener Amt entschieden.

Der letzte Zirkusbär Ben wurde nach 22 Jahren aus seinem Käfig befreit. Das hatte ein Münchener Amt entschieden.

Foto: dpa, sja cul

Für Katharina Renz ist die Stoßrichtung der neuen Kampagne klar - es geht nicht um die Tiere, sagt die Geschäftsführerin des Circus Max Renz aus Wesel. "Die wollen dem Zirkus ein Ende machen." Die, das sind für sie pauschal Tierschützer, die den dritten Anlauf unternehmen, ein Wildtierverbot für Zirkusse gesetzlich zu verankern. Heute wird der Bundesrat über einen entsprechenden Entschließungsantrag auf Initiative der Länder Hessen, Rheinland-Pfalz und Thüringen entscheiden. Dass er zustimmt, gilt als sicher - so war es auch in den Jahren 2003 und 2011. In beiden Fällen aber hatte sich die Bundesregierung als letzte Instanz quergestellt. Auch diesmal wird der Antrag wohl scheitern. "Der Einführung eines solchen Verbots sind verfassungsrechtlich hohe Hürden gesetzt", heißt es aus dem Landwirtschaftsministerium.

Dabei haben sich in den vergangenen Jahren nicht nur Tierschützer, sondern auch viele Gemeinden gegen Wildtiere in Zirkussen ausgesprochen. Mit Leipzig hat vor kurzem die 50. Stadt in Deutschland beschlossen, keine städtischen Flächen mehr an entsprechende Zirkusbetriebe zu vermieten. In NRW halten es unter anderem Düsseldorf, Köln, Viersen, Reken, Gronau, Bocholt, Borken und Straelen genauso. "Das ist zwar gut, aber trotzdem ein Flickenteppich und besitzt eher symbolischen Charakter", sagt Peter Höffken von der Tierschutz-Organisation Peta. Denn private Flächen sind von der Regelung nicht betroffen. Und jede Stadt bewertet die Frage, welche Tiere unter das Verbot fallen, anders. So sind etwa Raubtiere mal dabei und mal nicht.

"Gehege können den Ansprüchen der Tiere nicht genügen"

In der Hauptsache geht es um die Haltung von Elefanten, Affen, Raubkatzen, Nashörnern, Flusspferden, Robben, Zebras, Bären und Greifvögeln. In einem reisenden Betrieb wie einem Zirkus sei deren Unterbringung nicht artgerecht, kritisiert Lea Schmitz vom Deutschen Tierschutzbund. "Den komplexen Ansprüchen der Tiere können die Gehege nicht genügen", sagt Schmitz. Tiger etwa würden in ihrem Bewegungsdrang eingeschränkt, Elefanten fehle oft der Sozialkontakt. Erst im vergangenen Jahr war die Elefantenkuh "Baby" in Buchen aus ihrem Gehege in einem Zirkus entwischt und hatte einen Spaziergänger getötet. Laut Peta werden etwa 50 Elefanten in deutschen Zirkussen gehalten; insgesamt seien es etwa 1000 Wildtiere. "Vor allem Tiger und Löwen sind beliebt, weil sie sich gut nachzüchten lassen", sagt Höffken.

Auch die Überwachung der Tierhaltung klappt aus Sicht des Deutschen Tierschutzbundes nicht. Zwar gäben Zirkusleitlinien vor, wie jedes Tier zu behandeln sei, sagt Schmitz. Diese Leitlinien seien aber nicht rechtlich bindend und nicht mehr zeitgemäß: Sie wurden im Jahr 2000 erlassen. Bei 895 Kontrollen von Veterinärämtern wurden nach einer Anfrage der Grünen-Fraktion von 2014 im Jahr 2011 bei der Tierhaltung in Zirkussen 409 Verstöße festgestellt.

Katharina Renz kann die Argumente der Tierschützer nicht nachvollziehen. Zwar hält sie keine Wildtiere, sondern nur Lamas, Pferde und Kamele, aber auch die wollen vernünftig untergebracht sein. "Kleine Käfige gibt es bei uns schon lange nicht mehr", verteidigt sie die Haltung, die strengen Vorschriften folge und regelmäßig durch Veterinäre kontrolliert werde. Zwar möge es einige wenige schwarze Schafe unter den Zirkusbetreibern geben, sagt Renz, aber die überwiegende Mehrheit behandele ihre Tiere gut. Renz vermutet vielmehr, dass die Kampagne sich generell gegen Zirkusse richte. "Irgendwann werden auch Kamele und Pferde in der Manege verboten", sagt die Geschäftsführerin, "aber damit wird nicht nur eine Tradition zerstört, es hängen auch Existenzen davon ab. Ohne Tiere kommen keine Zuschauer mehr in den Zirkus."

Lea Schmitz vom Deutschen Tierschutzbund sieht das anders. Sie verweist auf Unternehmen wie Roncalli oder Flic-Flac, die komplett ohne Wildtier-Dressuren das Publikum begeistern. Zudem habe sich auch das Meinungsbild in der Bevölkerung gewandelt. Laut einer Umfrage von YouGov finden 65 Prozent der Deutschen die Haltung exotischer Tiere im Zirkus moralisch nicht in Ordnung. Unschöne Szenen mit der Beschlagnahme eines der letzten Zirkusbären des Landes vor kurzem in Bayern verstärken diese Einstellung.

Aus der Sicht von Tierarzt Jörg Pfeiffer hapert es in den Zirkussen oft an der nötigen Sachkunde. Er fordert daher Kurse, die eigens für Zirkusse entwickelt werden. Denn einige Tierarten könne man unter bestimmten Bedingungen halten, andere wiederum nicht. Deshalb ist er auch gegen eine pauschale Regelung. "Ein Verbot für Wildtiere jeglicher Art halte ich nicht für gerechtfertigt."

(RP)
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