Kinder aus Fenster geworfen Angeklagter Vater weint hemmungslos

Bonn · Vor dem Bonner Landgericht muss sich ein Vater verantworten, der seine drei kleinen Kinder aus dem Fenster einer Flüchtlingsunterkunft geworfen haben soll. Offenbar wollte er damit seine Ehefrau strafen.

Der Angeklagte kniete im Gerichtssaal plötzlich nieder.

Der Angeklagte kniete im Gerichtssaal plötzlich nieder.

Foto: dpa, hka

Als zwei Justizbeamte den Angeklagten Zanar H. am Dienstagmittag in Saal 1.13 des Bonner Landgerichts führen, zieht er sein T-Shirt von vorne über den Kopf, um sich vor den Blicken der Anwesenden und der vielen Fernsehkameras zu schützen. Dann lässt er sich auf die Knie fallen und weigert sich, wieder aufzustehen. Er will seine Kinder sehen, sagt er und weint.

Seine Kinder, das sind zwei kleine Töchter (ein Jahr und sieben Jahre alt) und ein fünfjähriger Sohn. Zanar H. soll sie am 1. Februar dieses Jahres aus dem Fenster einer Flüchtlingsunterkunft in Lohmar auf die Straße geworfen haben. Wegen versuchten Mordes muss er sich nun vor Gericht verantworten. Der Prozess startet mit einer Verzögerung von eineinhalb Stunden, weil eine Schöffin nicht erscheint.

Mann weinte hemmungslos

Zanar H. wirkt aufgewühlt. Er weint hemmungslos und bittet den Dolmetscher, dem Vorsitzenden Richter zu sagen, dass er Stellung nehmen möchte. Noch sei er nicht dran, sagt Richter Volker Kunkel. "Haben Sie sich denn beruhigt?", will er vom Angeklagten wissen. "Dann nehmen wir Ihnen die Handschellen jetzt ab." Zanar H. bejaht die Frage. Als er die Handschellen los ist, legt er seine Hände vors Gesicht und weint weiter. Was Staatsanwalt Florian Geßler da aus der Anklageschrift vorliest, scheint der 35-Jährige kaum ertragen zu können.

Am Nachmittag des 1. Februar soll Zanar H. zunächst seinen fünfjährigen Sohn gepackt und ihn aus dem Badezimmerfenster auf den Asphalt geworfen haben. Der Junge erlitt einen Schädel- und einen Nasenbruch, einige weitere Brüche im Gesicht, auch die Milz wurde bei dem Aufprall verletzt. Zanar H. soll dann die kleinste Tochter, die gerade in der Badewanne saß, hinterher geworfen haben. Das Kind fiel auf den schwerverletzten Bruder, erlitt deshalb nur Prellungen. Der Vater soll dann in die Küche gegangen sein, wo seine siebenjährige Tochter gerade am Tisch saß. "Er packte sie wortlos und warf sie aus dem Küchenfenster auf den Beton", heißt es in der Anklage. Das Mädchen erlitt unter anderem einen Schädelbasisbruch. Alle drei Kinder überlebten den Sturz. Nach Angaben des Gerichtssprechers Thomas Stollenwerk haben sie keine Folgeschäden zurückbehalten — zumindest keine physischen.

Tat als Strafe für die Mutter

Die Staatsanwaltschaft ist davon überzeugt, dass Zanar H. seine Kinder töten wollte, um die Kindsmutter zu strafen. Der Angeklagte soll nicht damit einverstanden gewesen sein, dass seine Ehefrau in Deutschland "nicht mehr das aus der Heimat gewohnte Rollenverständnis akzeptieren und sich nicht mehr alles von ihm gefallen lassen wollte", wie der Sprecher sagt.

Die Familie stammt aus Syrien und lebte seit Mitte 2015 in Deutschland. Es soll immer wieder Streit gegeben haben. Am 4. Januar 2016 soll Zanar H. seiner Frau einen Kochtopf ins Gesicht geschlagen und sie schwer verletzt haben. Auch wegen dieser gefährlichen Körperverletzung ist er angeklagt. Bevor er am 1. Februar den Entschluss gefasst haben soll, seine Kinder zu töten, soll es erneut einen Streit zwischen dem Paar gegeben haben. Die Frau soll sich mit Kopfschmerzen zurückgezogen haben. Sie konnte offenbar nicht verhindern, dass ihr Mann die Kinder aus dem Fenster warf. Entgegen seiner Ankündigung sagte Zanar H. an diesem ersten Prozesstag nichts zu den schweren Vorwürfen. Sein Verteidiger Martin Kretschmer gab an, sein Mandant werde sich erst zu einem späteren Zeitpunkt äußern.

Der Prozess wird am Dienstag fortgesetzt. Das Urteil wird für den 12. Oktober erwartet.

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