Kleve Bauern besorgt über Krimfieber

Kleve · In den Niederlanden sind bereits sechs Menschen an der Krankheit gestorben, die vorwiegend Schafe und Ziegen befällt. Dort sollen jetzt Zehntausende Tiere getötet werden. Deutsche Behörden sehen keinen Anlass zum Handeln. Landwirte dagegen fürchten ein Übergreifen der Seuche.

Anita Vincent (46) aus dem niederländischen Helmond hat eine lange Leidensgeschichte hinter sich. Im Mai wurde sie plötzlich krank, hatte hohes Fieber, Atemnot, Kopf- und Gliederschmerzen.

Der Hausarzt tippte zunächst auf eine Grippe. Erst als sie noch eine Lungenentzündung bekam, ließ der Arzt einen Bluttest machen. Die Diagnose: Q-Fieber, in Deutschland bekannt als Ziegen- oder Krimfieber. Auslöser der Krankheit ist das Bakterium Coxiella burnetii, das vorwiegend Schafe und Ziegen befällt, aber auch andere Tiere und Menschen infizieren kann.

Anita Vincent bekam zehn Tage lang Antibiotika. Danach verbesserte sich ihr Zustand. Aber bis heute fühlt sie sich abgespannt, hat zeitweise unerklärliche Schmerzen in der Brust und leidet unter Konzentrationsstörungen: Spätfolgen der Krankheit. Inzwischen weiß sie, dass sie viele Leidensgenossen hat: 2300 Menschen sind allein in diesem Jahr in den Niederlanden am Q-Fieber erkrankt. Zehnmal so viel wie noch vor zwei Jahren. Sechs Menschen starben an der Seuche.

"Auch wenn die meisten Erkrankungen harmlos verlaufen, ist ,Coxiella burnetii' ein sehr ansteckender Erreger, den man ernst nehmen muss", betont Günther Dettweiler vom Robert-Koch-Institut (RKI), zu dessen Aufgaben die Bekämpfung von Infektionskrankheiten zählt. Auch in Deutschland ist die Krankheit meldepflichtig. Bislang, so Dettweiler, gebe es keine auffälligen Entwicklungen bei den Neuerkrankungen in Deutschland.

Möglicherweise liegt das aber auch daran, dass die deutschen Behörden für das Thema noch nicht sensibilisiert sind. "Wir haben von dem Q-Fieber in den Niederlanden nur aus der Zeitung erfahren. Offiziell wissen wir gar nicht, was da los ist", klagt Lutz Rauscher, Leitender Veterinär beim Kreis Kleve. "Diese Informationspolitik kann man nur bedauern."

Das zuständige Landwirtschaftsministerium in Düsseldorf sieht keinen Grund zur Besorgnis: "Das ist ein rein holländisches Problem. Dort sind vorwiegend Ziegen betroffen, und Ziegen werden in NRW praktisch nur zum Hobby gehalten", stellt ein Ministeriumssprecher fest. Die Krankheit sei seit Jahren bekannt und in NRW gelegentlich in Einzelfällen aufgetreten. Ansteckungsgefahr bestehe nur, wenn größere Mengen des Erregers mit Staubpartikeln eingeatmet würden. Das sei bei der gegenwärtigen nassen Witterung jedoch nicht zu erwarten.

Doch ähnlich hatten die Stellungnahmen niederländischer Behörden auch lange Zeit geklungen, bis die Krankheitszahlen in diesem Jahr plötzlich explosionsartig anstiegen. Inzwischen sind landesweit mindestens 55 Betriebe betroffen. Die Mehrzahl von ihnen liegt in den Provinzen Brabant, Gelderland und Noord Limburg. Also in relativer Nähe zur deutschen Grenze.

Besonders eine Karte, die das niederländische Landwirtschaftsministerium am Donnerstag versehentlich kurzfristig auf seiner Homepage veröffentlichte, zeigt, dass das Q-Fieber längst kein rein niederländisches Problem mehr ist. Um jeden Bauernhof, auf dem der Erreger festgestellt wurde, ist ein Umkreis mit fünf Kilometer Durchmesser eingezeichnet, in dem erhöhte Ansteckungsgefahr besteht. Zwei der Kreise, einer bei Enschede, der andere bei Boxmeer, berühren Teile deutscher Kreise.

"Davon wusste ich bisher nichts. Ich bin schockiert, dass uns die Behörden nicht informiert haben", sagt Robert Evers, Vorsitzender der Schafzüchtervereinigung des Kreises Kleve. Auch Josef Peters, Kreislandwirt in Kleve, zeigt sich besorgt: "Es hieß doch immer, wir würden gut mit den Niederländern zusammenarbeiten. Will man jetzt erst warten, bis etwas passiert? Das ist doch ein Ding der Unmöglichkeit. Der Erreger macht doch nicht an der Grenze zwischen den Niederlanden und Deutschland Halt."

In den Niederlanden ist inzwischen eine massive Kampagne angelaufen. Die Regierung hat in dieser Woche beschlossen, dass alle trächtigen Ziegen und Schafe, die infiziert sind, getötet werden müssen. Betroffen sind vermutlich mehrere zehntausend Tiere. Die gesunden Bestände sollen komplett durchgeimpft werden. Dazu haben die Niederlande 1,5 Millionen Impfdosen bestellt. Ab Mitte Januar dürfte die Infektionsgefahr stark ansteigen. Dann werden die ersten kranken Tiere Fehlgeburten erleiden. Dabei werden gewaltige Mengen Bakterien freigesetzt.

(RP)
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