Terror in Tunesien Tod am dritten Urlaubstag

Korschenbroich/Sousse · Ein Mann aus Korschenbroich wurde bei dem Anschlag auf ein Touristenhotel bei Sousse in Tunesien getötet. Möglicherweise stammt ein weiteres Opfer aus Willich.

Tunesien: Nach Terroranschlag verlassen Urlauber das Land
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Nach Anschlag: Urlauber verlassen Tunesien

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Am Sandstrand des Badeortes Sousse verbringt ein Mann mit seiner Frau den Urlaubstag - zwei Wochen Tunesien hat das Paar gebucht. Es ist ihr dritter Urlaubstag, als plötzlich Schüsse fallen. Ein Attentäter mit islamistischem Hintergrund schießt mit einem Sturmgewehr auf die Touristen - 38 Menschen werden getötet, unter ihnen ist auch ein Mann aus Korschenbroich. Er soll nach Informationen unserer Zeitung gebürtig aus Düsseldorf stammen und zwischen 40 und 50 Jahre alt sein. Er hinterlässt neben seiner Ehefrau einen erwachsenen Sohn.

Am Tag nach dem Terroranschlag am Strand der Hotelanlage "Imperial Marhaba" erhält der Landrat des Rhein-Kreis Neuss, Hans-Jürgen Petrauschke (CDU), einen Anruf aus Berlin. Ein Mitarbeiter des Auswärtigen Amts teilt ihm mit, dass eines der Opfer aus Korschenbroich stammt. Auch der Bürgermeister der Stadt, Heinz Josef Dick, wird informiert. Beide sind tief betroffen und sprechen den Angehörigen ihr Beileid aus. "Der Rhein-Kreis Neuss und die Stadt Korschenbroich nehmen aufrichtig Anteil an dem großen Leid, und unser Mitgefühl ist bei allen Opfern und ihren Familien", schreiben sie in einer Erklärung.

Anschlag auf Touristenhotel in Tunesien
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Anschlag auf Touristenhotel in Tunesien

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Möglicherweise zweites deutsches Todesopfer aus Willich

Möglicherweise stammt ein weiteres der 38 Todesopfer aus der Region, und zwar aus Willich. Der Bürgermeister der Stadt, Josef Heyes, erhielt einen Telefonanruf aus dem Bundesinnenministerium in Berlin. Er sei informiert worden, dass möglicherweise ein Tourist, der nach dem Anschlag in Tunesien noch vermisst werde, aus seiner Stadt stammen könnte. Ein Name wird ihm nicht genannt. "Man kann nur hoffen, dass sich diese Vermutung nicht bestätigt", sagt Heyes. Der aus Willich stammende CDU-Bundestagsabgeordnete Uwe Schummer wird ebenfalls vom Bundesinnenministerium über die Angelegenheit informiert. Auch ihm teilt man mit, dass ein vermisster Tourist eventuell aus Willich stammen könnte.

Nach dem dramatischen Terroranschlag, bei dem die Touristen am Strand oder am Pool erschossen worden sind, mehren sich die Stimmen unter den Überlebenden, die über unzureichende Sicherheitsvorkehrungen in der Hotelanlage im Vorfeld des Anschlags klagen. Der tunesische Innenminister Mohamed Najem Gharsalli bestätigt, dass man den Attentäter wesentlich früher hätte stoppen können. Im tunesischen Radiosender Mosaique FM wirft er dem Sicherheitsservice des Hotels vor, nicht sofort die Polizei informiert zu haben.

Tatsächlich war die Hotelanlage - wie andere in Tunesien auch - kaum bis gar nicht geschützt vor möglichen Terrorangriffen, obwohl es seit mindestens drei Monaten eine öffentliche Warnung der Terroristen gibt, dass in diesem Sommer ein Anschlag ungeahnten Ausmaßes an den tunesischen Badestränden bevorstehe. Im März haben die Dschihadisten im Internet ein Foto veröffentlicht, auf dem ein vermummter Mann mit einer Kalaschnikow ein Schild mit einer Terrorwarnung in arabischer Schrift hält. "Ich werde im Sommer nach Tunesien kommen", kündigt er an.

Vorwurf: Sicherheitsvorkehrungen waren zu lasch

Wenige Wochen später verkündet dann die tunesische Dschihadisten-Gruppe "Ajnad al-Khilafa" über den Kurznachrichtendienst Twitter eine weitere Drohung. "An die Christen, die ihren Sommerurlaub in Tunesien planen: Wir können euch nicht in unserem Land dulden, während eure Jets unsere muslimischen Brüder im Irak und in Syrien töten. Wenn ihr trotzdem herkommt, nehmt euch in Acht."

Trotzdem wurden die Sicherheitsvorkehrungen an den Badeorten nicht verschärft. Selbst das Auswärtige Amt verhängte auf seiner Internetseite keine "grundsätzliche Reisewarnung", sondern verwies darauf, "dass auch in Zukunft Ausländer in Tunesien direkt oder indirekt Opfer von Anschlägen sein könnten".

Am Strand von Sousse sichern Techniker in weißer Schutzmontur Spuren. Auf manchen Liegen liegt noch ein Buch - Urlaubslektüre. Im Nachbarhotel warten einige Deutsche darauf, nach Hause gebracht zu werden. Unter ihnen ist auch die Familie Schneider aus der Nähe von Stuttgart. Anna Schneider möchte keine Minute länger an diesem Ort bleiben, der sie an die schreckliche Szenerie des Vortags erinnert.

An Urlaub ist nicht mehr zu denken

Doch sie hat bei einem kleinen Reiseveranstalter gebucht, sagt sie, und muss noch zwei Tage länger ausharren. "Ich bin ohnmächtig geworden, als die Schüsse fielen", erzählt sie. Die Menschen seien in Panik geraten, hätten alles liegengelassen und seien barfuß geflüchtet. "Der Strand sah aus wie ein Schlachtfeld." Seitdem möchte sie nur noch fort. "Wir haben die ganze Nacht nicht geschlafen." An Urlaub ist für sie nicht mehr zu denken. "Ich kann nicht mehr am Strand liegen, ich kann nicht mehr am Pool liegen, weil die Verbrecher und Terroristen vom Strand gekommen sind."

Viele brechen ihren Urlaub in Tunesien sofort ab, andere sind froh, dass der Heimflug ohnehin ansteht. Andreas Obermann ist immer noch ganz aufgebracht. Er war mit seiner Freundin Tanja Albertyn in Hammamet. Das liegt eine Bucht von Sousse entfernt. "Der Anschlag war ein Schock", erzählt der 22-Jährige. Als das Paar aus der Nähe von Bremen hörte, was passiert war, habe es das Hotel nicht mehr verlassen. Nicht einmal an den Strand sind die beiden noch gegangen.

"Bei uns wurden auch Ausflüge nach Sousse angeboten. Man darf gar nicht daran denken. Wir empfinden tiefe Trauer", sagt Obermann. Ihr Flug war ohnehin für den Samstag gebucht. "Sonst hätten wir uns einen früheren Flug genommen", berichtet Tanja Albertyn. Das Land sei zwar wunderschön, aber das Pärchen will erst wiederkommen, wenn sich die Lage dort beruhigt habe. Ihr Hotel sei zwar nach dem Attentat mit mehr Sicherheitspersonal ausgestattet gewesen. "Das hat uns aber eher beunruhigt als in Sicherheit gewogen", sagte Obermann nach seiner Ankunft am Düsseldorfer Flughafen.

Auch die Ehefrau des Toten aus Korschenbroich ist mittlerweile aus Tunesien zurückgekehrt. Vor dem Rückflug musste sie noch ihren getöteten Ehemann in Sousse identifizieren. Um eine zeitnahe Überführung des Leichnams von Tunesien nach Deutschland kümmert sich eine in Korschenbroich niedergelassene Rechtsanwältin.

(RP)
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