270 verwahrloste Hunde befreit Darum horten Menschen Tiere

Düsseldorf/Wesel · Immer öfter müssen die Behörden verwahrloste Tiere aus Haushalten befreien. In den meisten Fällen handelt es sich um das sogenannte Animal Hoarding. Dabei sammeln Menschen krankhaft Tiere und lassen diese verwahrlosen.

Veterinäramt beschlagnahmt 270 Hunde in Schermbeck
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Veterinäramt beschlagnahmt 270 Hunde in Schermbeck

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Foto: Kreis Wesel

Die Hunde waren in einem erbärmlichen Zustand, als Antonius Dicke sie aus der Wohnung der Züchterin in Schermbeck befreite. Sie hatten verklebtes und verfilztes Fell, ausgefallene und faule Zähne sowie viel zu lange Krallen. "Das hat ihnen Schmerzen bereitet", sagte Dicke, Tierarzt des Kreises Wesel. Noch erschreckender als die gesundheitliche Verfassung war die Zahl der Vierbeiner, die auf engstem Raum zusammengepfercht lebten. 270 Malteser, Yorkshire-Terrier und Chinzu-Hunde zählte der Tierarzt, die meisten davon Welpen. 16 Mitarbeiter des Fachdienstes Veterinär- und Lebensmittelüberwachung und Polizisten waren nötig, um die verängstigten und verwahrlosten Kreaturen aus dem Haus zu bringen. Sie wurden auf Tierheime in Wesel, Kamp-Lintfort und Straelen verteilt. Der Frau droht ein Strafverfahren.

Immer öfter müssen Kreisveterinärämter und Polizei zu ähnlichen Einsätzen ausrücken. "Solche Fälle nehmen in letzter Zeit leider zu", sagt Dörte Röhl, Tierärztin der Tierschutzorganisation Peta. Erst vor wenigen Tagen holte die Polizei in Krefeld 26 Hunde aus einem Einfamilienhaus. In einem Haus in Grevenbroich wurden vor einigen Wochen zehn Welpen von der Polizei entdeckt.

Die Experten sprechen bei diesen Fällen von sogenanntem Animal Hoarding, dem Sammeln von Tieren. "Menschen, die so etwas tun, sind psychisch krank", betont Röhl. Animal Hoarding beschreibt ein Krankheitsbild, bei dem Menschen Tiere in einer großen Anzahl halten, sie aber nicht mehr angemessen versorgen. Es fehlt an Futter, Wasser, Hygiene, Pflege und tierärztlicher Betreuung. "Die Halter erkennen nicht, dass es den Geschöpfen in ihrer Obhut schlecht geht", sagt Lea Schmitz vom Deutschen Tierschutzbund. Die Menschen, die so etwas tun, werden von Psychologen in vier Sammlertypen unterteilt: 1. Der Pfleger. Er will den Tieren eigentlich helfen, merkt aber nicht, dass es ihnen durch seine Art der Haltung schlechter geht. 2. Der Retter. Seiner Ansicht nach sind Ärzte schädlich für die Tiere. Er hortet sie deshalb, um sie vor ihnen zu bewahren. 3. Der Ausbeuter. Er häuft Tiere nur aus Sammelleidenschaft an. Das Wohl seiner Schützlinge interessiert ihn nicht. 4. Illegale Züchter. Diesen Typus treibt die Profitgier. Irgendwann wächst ihm die Zucht dann über den Kopf, und er verliert die Kontrolle.

Es werden nicht nur Hunde gesammelt, sondern auch massenhaft Katzen, Hamster, Kaninchen, Ratten und Nagetiere. "Aber auch größere Tiere wie Pferde und Schweine werden gehortet", sagt Schmitz. "Diese aber natürlich nicht in Wohnungen, sondern in Ställen in der Landwirtschaft." Fast alle diese Sammler haben miteinander gemein, dass sie kaum noch über soziale Kontakte verfügen. Sie kommen oftmals ihren finanziellen Verpflichtungen nicht mehr nach, zahlen etwa die Miete nicht mehr. "Sie verwahrlosen selbst", sagt Schmitz. Diese Menschen zeigen zudem trotz des schlechten Zustandes ihrer Schützlinge kein Einsehen für ihr Fehlverhalten. Sie weigern sich, Tiere kastrieren zu lassen, obwohl diese sich unkontrolliert vermehren.

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Foto: Theo Titz

Gegen Sammler, die von der Polizei entdeckt werden, wird in der Regel ein Tierhaltungsverbot verhängt. Doch die meisten fangen sofort wieder an, sobald man ihnen die Vierbeiner abgenommen hat. "Sie benötigen deswegen unbedingt eine Therapie", sagt Röhl. Doch das Problem sei, dass man sie dazu nicht zwingen könne. Zudem fehlt ein bundesweites Melderegister, in dem festgehalten wird, wer keine Tiere besitzen darf. "Es kommt vor, dass Tiersammler einfach in anderes Bundesland ziehen und dort unbehelligt weitermachen", so Röhl.

In Schermbeck hat der Fall ein gutes Ende gefunden. "Die Hunde wurden untersucht und behandelt. Es geht ihnen gut", so eine Stadtsprecherin. Einige wurden sogar schon weitervermittelt.

(csh)
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