Altena nach dem Messerangriff "Es sind halt viele unzufrieden"

Altena im Sauerland galt als Musterstadt im Umgang mit Flüchtlingen. Nach dem Messer-Attentat auf Bürgermeister Andreas Hollstein wird deutlich: Längst nicht alle sind zufrieden mit dem Kurs der Stadtverwaltung. Durch die kleine Gemeinde verläuft ein Riss.

Ein Filmteam hat am Dienstagmorgen vorm "City Döner" in Altena Posten bezogen — ein Kameramann filmt den dunklen Schnellimbiss. Erst um 11 Uhr öffnet die Dönerbude, in der am Montagabend der Bürgermeister der Stadt von einem Angreifer verletzt wurde.

Gegenüber im Eiscafé San Remo steht Inhaber Salvatore — seinen Nachnamen möchte er nicht nennen — am Fenster und schaut zu. Er hat in den Tagesthemen von dem Angriff erfahren, sein Café war da schon lange zu.

Andreas Hollstein: Angriff auf Bürgermeister von Altena
9 Bilder

Messer-Angriff auf den Bürgermeister von Altena

9 Bilder
Foto: dpa, hjb

Eine 15 Zentimeter lange Schnittwunde am Hals hatte Bürgermeister Andreas Hollstein zuvor davongetragen, als ein offenbar angetrunkener Mann mit einem Messer auf ihn losging. Die Ermittler gehen davon aus, dass die Tat einen politischen Hintergrund hatte - ausgerechnet hier in Altena, jener Kleinstadt, die in den vergangenen zwei Jahren immer wieder als besonders vorbildlich im Umgang mit Flüchtlingen gelobt wurde. Der Angriff auf Hollstein ging wohl nur deshalb so glimpflich aus, weil ihm die Betreiber des Döner-Ladens sofort zur Hilfe kamen.

Nette Leute seien das in der Imbissbude, sagt Salvatore von der Eisdiele gegenüber. Der Sohn, der dem Bürgermeister beisprang, sei Mitte 20. Der Vater sei sehr nett, offenbar haben die beiden Gastronomen regelmäßig freundschaftlichen Kontakt miteinander. "Schon schlimm, wenn so etwas in Altena passiert. Es sind eben viele Menschen unzufrieden", sagt Salvatore, der schon seit vielen Jahrzehnten hier lebt.

"Sind halt viele unzufrieden" — das hört man öfter in Altena, wenn man sich an diesem Morgen auf der Straße umhört. Wie fast in der ganzen Bundesrepublik scheint auch durch diese kleine Stadt ein Riss zu verlaufen. Auf der einen Seite die Unzufriedenen, die dem Bürgermeister die Schuld an ihrer Lage geben — und den Flüchtlingen, von denen Altena mehr aufgenommen hat, als es gemusst hätte.

Fast jeder Passant scheint jemanden zu kennen, der zu diesen Unzufriedenen zählt: "Sind ja auch viele Flüchtlinge hergekommen", sagt ein Rentner an der Bushaltestelle. "Wenn man im Bus sitzt, sieht man fast nur noch Schwarzhaarige. Mich stört das ja nicht", schiebt er noch hinterher, bevor der Bus dann kommt.

Ein paar Meter weiter steht Karsten Wolfewicz vor einem Café und unterhält sich mit Bekannten. Alle drei sind entsetzt über das, was am Montagabend passiert ist, aber: "Es schweißt uns alle noch mehr zusammen", sagt Wolfewicz, der selbst mit einer Syrerin liiert ist. Für ihn ist der Angriff auf den Bürgermeister die Tat eines Einzelnen, von der sich nichts Allgemeines ableiten lasse. "Dummheit kann man nicht erklären", sagt er noch.

Und Marie-Luise Scholl, die neben ihm steht, stimmt zu: "Der hatte das Hirn ganz woanders geparkt." Altena sei eine Arbeiterstadt. "Es gibt hier halt eine Klientel, der das mit den Flüchtlingen überhaupt nicht gefällt", sagt die 77-Jährige.

450 Menschen leben in Altena, die nach Deutschland geflüchtet sind. "Bei uns wohnt auch eine Familie nebenan", sagt eine 67-Jährige, die an diesem Vormittag in der Innenstadt ehrenamtlich ein Café betreut. "Die grüßen, die sind sehr ordentlich." Für sie dominiert der Schrecken über das, was passiert ist: "Sowas in Altena!" Der Schock sei ihr mächtig in die Glieder gefahren, als sie am Morgen die Zeitung geholt habe. Und eine Cafébesucherin sagt: "Ich habe auch einige im Bekanntenkreis, die wegen dieser Flüchtlingssache sehr aufgebracht sind."

Sie selbst habe 2015 Kleiderspenden gesammelt und einige Flüchtlinge selbst kennengelernt. "Was diese Menschen erlebt haben, hat mich so berührt — ich würde denen immer wieder helfen."

(hpaw)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort