Kölner Raser-Prozess Als der Verteidiger sprach, verließ die Mutter den Saal

Köln · Im Kölner Raser-Prozess bleibt das Gericht deutlich unter den Forderungen der Staatsanwaltschaft und verhängt Bewährungsstrafen. Die Mutter der getöteten Studentin wandte sich zuvor direkt an die Angeklagten. Die Plädoyers der Verteidiger ertrug sie nicht.

 Die beiden Angeklagten sitzen mit ihren Anwälten am Donnerstag im Gerichtssaal.

Die beiden Angeklagten sitzen mit ihren Anwälten am Donnerstag im Gerichtssaal.

Foto: Merle Sievers

"Gucken Sie bitte hierhin, Herr F., damit Sie sehen, was das für uns bedeutet", sagt die Mutter des Opfers und hält zwei Fotos in die Höhe. Eines, auf dem ihre Tochter vor dem Unfall zu sehen ist, zeigt eine junge, hübsche Frau. Daneben hält sie ein Foto, das ihre Tochter auf der Intensivstation zeigt, mit blutigen Kopfverletzungen, blauen Flecken im Gesicht und einem Beatmungsschlauch.

Es ist ein emotionaler Moment im Landgericht Köln, wo am Donnerstag — auf den Tag genau ein Jahr nach dem tödlichen Unfall — das Urteil gegen zwei Angeklagte gesprochen wird, die sich ein illegales Autorennen geliefert haben sollen. Die junge Radfahrerin kam dabei zu Tode. Beide Angeklagte wurden nun wegen fahrlässiger Tötung zu Freiheitsstrafen auf Bewährung verurteilt: zwei Jahre der eine, ein Jahr und neun Monate der andere.

Am 14. April 2015 verlor einer der beiden Fahrer, der 23-jährige Erkan F., in einer Kurve am Auenweg in Köln-Deutz die Kontrolle über seinen Wagen, geriet ins Schleudern und prallte gegen die 19-jährige Studentin, die gerade mit dem Fahrrad auf dem Heimweg von der Uni war. Obwohl sie einen Helm trug, erlitt die junge Frau so schwere Kopfverletzungen, dass sie drei Tage später starb. Ihre Eltern traten als Nebenkläger im Prozess auf.

"Die Raser haben unser Leben zerstört", soll der Vater des Opfers bei seiner Aussage vor Gericht gesagt haben. Er ist seit dem Tod seiner Tochter arbeitsunfähig. Vater und Mutter waren am letzten Verhandlungstag merklich angespannt. Während die Verteidiger ihre Schlussplädoyers hielten, verließ die Mutter demonstrativ den Saal. Der Vater quittierte die Argumentation der Anwälte mit Kopfschütteln.

Während des Prozesses verhielten sich die beiden Angeklagten unterschiedlich. F., dessen BMW die Fahrradfahrerin erfasst hatte, zeigte sich betroffen und schaffte es kaum, den Eltern des Opfers in die Augen zu sehen. Zu Beginn des Prozesses hatte sein Verteidiger in seinem Namen eine Entschuldigung verlesen. F. nehme seit mehreren Monaten psychologische Hilfe in Anspruch, um seine Schuld an dem Unfall zu verarbeiten, hieß es darin.

Der Mitangeklagte Firat M. (22) soll sich nach Aussage eines Polizeibeamten am Unfallort desinteressiert und eher um den Zustand des Autos besorgt gezeigt haben. Diesen Eindruck machte er auch am letzten Verhandlungstag. Während F. streckenweise um Fassung rang, blickte M. nach vorn und ließ keinerlei Regung erkennen. Der Verteidiger plädierte auf Freispruch, da seinem Mandanten keine strafrechtliche Verantwortung am Tod der jungen Frau nachgewiesen werden könne. Das Gericht sah das am Ende anders.

Die Frage, ob es sich bei der Autofahrt um ein verabredetes Rennen oder um ein spontanes Kräftemessen handelte, ließ sich bis zum Schluss nicht eindeutig klären. Beide Angeklagte bestritten den Vorwurf, ein Rennen gefahren zu sein, gestanden aber gleichzeitig Verhaltensweisen ein, die ein Rennen nahelegen. So waren beide deutlich zu schnell im Stadtverkehr unterwegs, kämpften um die Spitze und wollten den anderen nicht vorbeilassen.

Mit dem nun gefällten Urteil bleibt das Gericht unter den Forderungen der Staatsanwaltschaft zurück, die drei Jahre Haft für den Angeklagten F. und zwei Jahre zur Bewährung für M. gefordert hatte. Zu den Bewährungsauflagen, die für beide 150 Sozialstunden vorsehen, kommt eine Führerscheinsperre von dreieinhalb Jahren.

Auch wenn weder F. noch M. der organisierten Raser-Szene angehörten, könnte das Urteil doch als Signal für eine schärfere Verfolgung der in Köln immer öfter vorkommenden Autorennen verstanden werden, sagte der Vorsitzende Richter bei der Urteilsverkündung. Eine Freiheitsstrafe, wenn auch ausgesetzt zur Bewährung, sei dabei für eine Verurteilung von Ersttätern als relativ hoch zu bewerten.

(siev)
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