Düsseldorf NRW überwacht 40 Salafisten-Zellen

Düsseldorf · Die größte Anschlagsgefahr geht laut Minister von verrohten Kriegsrückkehrern aus Syrien aus.

Die Zahl der gewaltbereiten Salafisten wächst in NRW weiter dramatisch. Innenminister Ralf Jäger (SPD) räumte gestern ein, dass deren Zahl seit Juni von 300 auf rund 500 gestiegen ist - mit offenbar steigender Tendenz. Insgesamt gibt es landesweit bereits deutlich mehr als 2000 Salafisten, die meisten gelten als gemäßigt. "Das Grundrauschen in der salafistischen Szene hat seit den Anschlägen in Paris zugenommen", sagte Jäger.

Der Verfassungsschutz zählt in NRW etwa 40 salafistische Zellen, aufgeteilt in kleine, mittlere und größere Gruppen. Sie stehen unter verstärkter Beobachtung der Sicherheitsbehörden. Auch das jeweilige Umfeld einiger Moscheen werde beobachtet. Koordiniert wird die Überwachung von drei Behörden: dem Landeskriminalamt, dem Landesverfassungsschutz und dem Bundesverfassungsschutz. "Alle stehen in Kontakt zueinander, entscheiden, wer wen überwacht", erklärt NRW-Verfassungsamtschef Burkhard Freier. Die meisten Einsätze laufen verdeckt ab.

Im Visier der Antiterrorfahnder steht vor allem die Rheinschiene im Köln-Bonner Raum, Teile des Bergischen Landes, die Region Düsseldorf und das Ruhrgebiet. Die Grenzregion wird verstärkt kontrolliert. Bundespolizisten führen Maschinenpistolen mit sich. Streifenpolizisten haben die schweren Waffen bislang nur in ihren Wagen griffbereit liegen.

Besondere Gefahr geht von den rund 50 Rückkehrern aus Syrien aus. "Viele von ihnen sind verroht", so Ralf Jäger. 17 von ihnen befinden sich derzeit in Haft. Nach Angaben des Innenministeriums zogen allein in diesem Jahr mindestens 33 Personen aus NRW in den syrischen Bürgerkrieg, insgesamt sollen es mehr als 200 sein.

Das Profil der Männer, die von Deutschland aus nach Syrien reisen und sich der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) anschließen, ist in der Regel dasselbe. Sie sind männlich, jung, zwischen 16 und 25 Jahre alt, perspektivlos und haben eine geringe Schulbildung. Es sind Außenseiter, die zuvor in der Schule gehänselt worden sind, keine Freunde haben und auch sonst über wenig soziale Kontakte verfügen. Diese Einzelgänger sind besonders anfällig für die menschenverachtenden Ideologien des IS. Gezielt werden deshalb von der Organisation Hassprediger in Problemviertel mit hohen Migranten- und Arbeitslosenanteil entsandt, um Jugendliche für ihre Zwecke anzuwerben. Zunächst fängt es harmlos an. Die Prediger geben den jungen Menschen das Gefühl, Teil einer starken Gemeinschaft zu sein, die füreinander da ist. Zum ersten Mal fühlen sich diese Jugendlichen dann ernst genommen und verstanden. "Es findet so eine Art Gehirnwäsche statt", erklärt ein Ermittler. "Und irgendwann werden sie dann empfänglich für den Hass auf die westliche Welt", erklärt er.

So begann es auch in Dinslaken vor einigen Jahren, wo eines Tages ein Hassprediger auftauchte, um Jugendliche für den IS zu rekrutieren. In der Stadt am Niederrhein hatte sich vor wenigen Jahren eine der bekanntesten Keimzellen des radikalen Salafismus in Deutschland gegründet, die mittlerweile aufgelöste "Lohberger Gruppe", benannt nach dem gleichnamigen Dinslakener Stadtteil Lohberg, einer alten Bergbausiedlung mit hoher Arbeitslosenquote und hohem Migrantenanteil. Rund 25 Mitglieder und noch einmal ebenso viele Sympathisanten soll die Gruppe gehabt haben. Einige haben sich den IS-Terroristen in Syrien angeschlossen. Ihr Anführer Philip B., ein 27 Jahre alter ehemaliger Pizzabote, hat sich im Nordirak als Selbstmordattentäter bei einem verheerenden Anschlag in die Luft gesprengt. Sein Cousin Nils D. sitzt in Karlsruhe in Untersuchungshaft. Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Er galt bis zu seiner Radikalisierung als Außenseiter. Er war bereits im Jugendalter Vater geworden, soll Drogen genommen und in der Hauptschule gehänselt worden sein.

In Gelsenkirchen stürmten gestern mehrere junge Männer mit Schreckschusspistolen den Schulhof eines Gymnasiums und behaupteten, sie gehörten zum IS. Sie wurden vorläufig festgenommen.

(csh)
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