Düsseldorf/Duisburg Loveparade-Gericht falsch besetzt?

Düsseldorf/Duisburg · Im Strafprozess erhebt die Verteidigung schwere Vorwürfe gegen das Gericht.

Die strafrechtliche Aufarbeitung der Katastrophe auf der Loveparade, bei der am 24. Juli 2010 in Duisburg 21 Menschen ums Leben kamen und 652 verletzt wurden, kommt nur mühsam in Gang. Auch der zweite Prozesstag im Düsseldorfer Congresszentrum auf dem Messegelände war geprägt von Unterbrechungen, Formalitäten und Anträgen.

So reichten die Strafverteidiger eine umfassende Besetzungsrüge ein, deren Verlesung rund zwei Stunden in Anspruch nahm. Darin wurde erklärt, dass die Zuweisung des Verfahrens an die sechste Strafkammer des Duisburger Landgerichts aus Sicht der Verteidigung einen eklatanten Verstoß gegen das Grundgesetz darstelle. "Das ist reine Willkür", sagte ein Strafverteidiger. Hintergrund der Besetzungsrüge ist, dass die fünfte Strafkammer des Duisburger Landgerichts die Eröffnung eines Strafverfahrens abgelehnt hatte. Das Oberlandesgericht Düsseldorf als höhere Instanz hatte die Anklage nach einer Beschwerde dann aber zugelassen und zurück an das Duisburger Landgericht gegeben - allerdings an die sechste Strafkammer. "Das ist rechtswidrig", sagte ein Strafverteidiger.

Für die Verteidigung überraschend kam gestern die Ausweitung der Anklage durch einen entsprechenden Hinweis des Gerichts. Der Vorsitzende Richter Mario Pleine erklärte, dass die aus prozessökonomischen Gründen von der Staatsanwaltschaft auf 18 Fälle beschränkte Anklage wegen fahrlässiger Körperverletzungen nun auf bis zu 50 Fälle ausgeweitet werde. Die Strafverteidiger reagierten darauf mit Unverständnis. Das sei ein neuer Sachverhalt. Man müsse sich nun intensiv mit seinen Mandanten über die neue Situation beraten. Der für heute angesetzte dritte Verhandlungstag fällt unter anderem deshalb aus; erst kommenden Mittwoch geht es weiter.

Das Landgericht hat gestern alle Prozesstermine bis Ende 2018 bekanntgegeben. Insgesamt sind 111 Verhandlungstage festgelegt. Vom 20. bis 28. Januar pausiert das Verfahren, weil dann auf dem Gelände die Publikumsmesse "Boot" stattfindet. Dabei drängt die Zeit. Bis 2020 muss ein erstinstanzliches Urteil gefallen sein, sonst verjähren die Vorwürfe. Angeklagt sind sechs Beamte der Stadt Duisburg und vier Mitarbeiter des Veranstalters wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung. Das öffentliche Interesse am Prozess scheint jedoch schon zu schwinden: Fast alle Zuschauerplätze blieben gestern leer; ebenso die der Pressevertreter.

(csh)
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