Nach Attacken auf Frauen in Köln Maas hält Ausweisung der Täter für denkbar

Berlin/Düsseldorf · In Folge der Geschehnisse von Köln werden Rufe nach Strafverschärfung und mehr Härte laut. Während die Union für eine massive Senkung der Schwelle für Ausweisungen fordert, hält Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) eine Ausweisung der Täter für denkbar.

Übergriffe in Köln: Was wir wissen – was wir nicht wissen
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Foto: dpa, obe kno

Eine ganze Woche nach den Ereignissen der Silvesternacht in Köln sind noch viele Fragen offen. Behörden und Politiker weisen sich gegenseitig die Schuld für das Unterschätzen der Lage zu. Fragen und Antworten zum Komplex:

Hat in Köln der Rechtsstaat versagt? Der Verfassungsrechtler Rupert Scholz meint, Deutschland verlasse sich viel zu sehr auf das Funktionieren des Rechtsstaates und vernachlässige sträflich die Prävention. "Solche Straftaten wie in Köln lassen sich nur im Vorfeld wirkungsvoll bekämpfen. Wir brauchen mehr Kontrolle, mehr Aufklärung, mehr Überwachung potenzieller Straftäter, schnellere Verurteilungen und konsequentere Bestrafungen", sagte Scholz. Dazu gehörten Abschiebungen von straffälligen Ausländern. "Nur die konsequente und sofortige Ausweisung kann die notwendige abschreckende Wirkung entfalten." Die Migrationswelle werde die Kriminalitätsrate deutlich steigen lassen.

Unter welchen Bedingungen können straffällig gewordene Ausländer abgeschoben werden? Grundsätzlich regeln dies die Paragrafen 53 und 54 des Aufenthaltsgesetzes. Früher galt die starre Grenze, dass ein Ausländer, der zu einem Jahr Gefängnis verurteilt wurde, ausgewiesen werden muss. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte muss die Ausweisung aber immer eine Abwägungsfrage sein. Wem Tod oder Folter in seinem Heimatland drohen, darf ohnehin nicht ausgewiesen werden. Für Asylbewerber gilt die Regelung nach der Genfer Flüchtlingskonvention, wonach ein Straftäter mindestens zu drei Jahren Gefängnis verurteilt sein muss, um ihn auszuweisen. Dies will die Union ändern: "Wer sein Gastrecht auf derart schändliche und verwerfliche Weise missbraucht wie die Straftäter von Köln, hat sein Bleiberecht in unserem Land verwirkt", sagte Unions-Innenexperte Stephan Mayer unserer Redaktion. Deswegen müsse sich die Politik in nächster Zeit sehr genau ansehen, ob die rechtlichen Hürden für die Ausweisung straffällig gewordener Ausländer zu hoch sind. Die bisherige Voraussetzung einer mindestens dreijährigen Freiheitsstrafe für Migranten mit Flüchtlingsstatus sei "jedenfalls zu eng", erklärte der CSU-Politiker.

Bundesjustizminister Heiko Maas hält eine Ausweisung der Täter für möglich. "Wer glaubt, sich bei uns über Recht und Gesetz stellen zu können, der muss bestraft werden - völlig egal, woher er kommt", sagte Maas den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Asylsuchende könnten auch während eines laufenden Asylverfahrens bei einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr oder mehr ausgewiesen werden.

"Ein solches Strafmaß ist grundsätzlich bei Sexualdelikten absolut möglich", sagte Maas mit Blick auf die Übergriffe an Silvester. "Ausweisungen wären insofern durchaus denkbar." Der Justizminister rief dazu auf, "mit aller Entschlossenheit, aber auch besonnen" auf die Gewaltexzesse zu reagieren. "Dazu gehört auch, zunächst den Sachverhalt und die Täter genauestens zu ermitteln." Die Täter müssten für ihre "widerwärtigen Taten" bestraft werden, forderte Maas. "Das ist es, was wir vor allem den Opfern jetzt schuldig sind."

Sind die Vorwürfe des Innenministers gegen die Polizei in Köln gerechtfertigt? Anders als Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sieht Verfassungsrechtler Scholz für ein Versagen der Polizei keine ausreichenden Hinweise. "Ein Versagen der Polizei in Köln ist schwer nachzuweisen, solange man nicht alle Details kennt." Im Bahnhof ist die Bundespolizei zuständig. Um den Bahnhof herum müssen die Landesbeamten für Ordnung sorgen. Eine peinliche Panne bei der Polizei war in jedem Fall die Pressemitteilung am Neujahrstag, wonach die Silvesternacht friedlich verlaufen sei. Zumal schon am Neujahrstag die Sonderermittlungsgruppe eingesetzt wurde. Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, forderte als Konsequenz mehr "Menschen mit Migrationshintergrund" für die Polizei. "So können wir ein noch stärkeres Zeichen in Richtung wehrhafter Demokratie setzen, ob das nun gegenüber Rechtsextremen ist, die fast täglich ein Asylbewerberheim anzünden, um das christliche Abendland zu verteidigen, oder gegenüber Sexisten mit Migrationshintergrund." Die Polizei nahm Mazyek gegen Kritik in Schutz: "Ich finde es schäbig, jetzt auf die Polizei draufzuschlagen, die ohnehin notorisch, oft auch an Feiertagen, unterbesetzt ist, weil an der falschen Stelle Kosten eingespart werden."

Bedarf es neuer gesetzlicher Regelungen, um Taten wie die in der Silvesternacht in Köln zu verhindern? Die meisten Politiker sind der Ansicht, dass unsere Regeln gut genug sind. Aber sie werden oft nicht konsequent genug angewendet. Dies gilt zum Beispiel für Abschiebungen. Die Linke sieht dennoch Handlungsbedarf. Um Frauen besser zu schützen, fordert sie härtere Strafen für Vergewaltiger: "Die gegenwärtige Gesetzeslage und die äußerst restriktive Auslegung in der Rechtsprechung schützen Frauen nur unzureichend im Fall von Vergewaltigungen", sagte Linken-Chefin Katja Kipping unserer Redaktion. "Nein heißt vor dem Gesetz nicht unbedingt Nein: Laut Strafgesetzbuch gilt es noch lange nicht als Vergewaltigung, wenn eine Frau nicht will", sagte Kipping. "Die Linke fordert eine Gesetzesänderung: Frauen müssen künftig vor ,nicht einverständlichen sexuell bestimmten Handlungen' geschützt werden."

Müssen die Vorfälle als organisierte Kriminalität gelten? Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hatte am Dienstag die Übergriffe in Köln, Stuttgart und Hamburg als eine "völlig neue Dimension organisierter Kriminalität" beschrieben. Laut dem Bundeskriminalamt werden Straftaten aber nur dann der organisierten Kriminalität zugerechnet, wenn sie mehrere Bedingungen erfüllen: Unter anderem müssen die Täter gewerbliche Strukturen nutzen und versuchen, Politik, Medien oder Verwaltung zu beeinflussen. Die bisherigen Erkenntnisse lassen diese Einschätzung allerdings nicht zu. "Dass die Frauen auch beraubt wurden, deutet darauf hin, dass die Täter mit Taschendieb-Banden in Verbindung stehen", sagte Michael Böhl vom Bund Deutscher Kriminalbeamter. Auffällig sei ein ähnliches Vorgehen der Täter in den Städten Stuttgart und Köln. "Nach dem jetzigen Kenntnisstand handelt es sich um bandenmäßige Strukturen, nicht aber um organisierte Kriminalität", erklärte Böhl.

(RP)
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