Unterrichtsausfall in NRW Ministerin Löhrmann muss mehr tun

Meinung | Düsseldorf · Stunden, die im Plan stehen, aber gar nicht stattfinden, bringen Eltern zuverlässig auf die Palme. Es wird Zeit, dass sich alle Schulen an der Erhebung beteiligen, wie viel Unterricht ausfällt – auch wenn das auf Kosten der Genauigkeit geht. Etwas anderes ist den Eltern nicht mehr zu vermitteln.

 Viele Eltern werden tagtäglich mit Unterrichtsausfall konfrontiert.

Viele Eltern werden tagtäglich mit Unterrichtsausfall konfrontiert.

Foto: dpa, Julian Stratenschulte

Stunden, die im Plan stehen, aber gar nicht stattfinden, bringen Eltern zuverlässig auf die Palme. Es wird Zeit, dass sich alle Schulen an der Erhebung beteiligen, wie viel Unterricht ausfällt — auch wenn das auf Kosten der Genauigkeit geht. Etwas anderes ist den Eltern nicht mehr zu vermitteln.

Eins vorweg: Dass die Landeselternschaft der Gymnasien in ihrer neuen Stichprobe auf eine Unterrichtsausfall-Quote von 6,4 Prozent für die Klassen fünf bis neun kommt, das Schulministerium vor einem Jahr aber 1,7 Prozent nannte, bedeutet nicht, dass einer der Beteiligten geschummelt hat.

Der Unterschied zeigt, dass hier Äpfel mit Birnen verglichen werden. Für das Ministerium gilt Unterricht als erteilt, solange die Schüler von einem Lehrer betreut werden — wie notdürftig auch immer. Für die Eltern dagegen ist es kein Unterricht, wenn zum Beispiel ein Lehrer sich gleichzeitig um zwei Klassen kümmern muss, weil der Kollege krank geworden ist.

Damit haben sie recht. Die Anwesenheit eines Lehrers rechtfertigt noch nicht, guten Gewissens von "Unterricht" zu sprechen — und das ist kein Vorwurf an die Lehrer. Natürlich hat die Landesregierung ein Interesse an einer möglichst niedrigen Ausfallquote. Das Problem ist nur: Viele Eltern fühlen sich angesichts der Zahlen, die Ministerin Sylvia Löhrmann vorlegt, schlicht verschaukelt.

Jeder Vater, jede Mutter kann auf Kommando drei Schildbürgergeschichten von den Lücken in der Unterrichtsversorgung der Kinder erzählen. Das ist zwar, statistisch gesehen, nur die gefühlte Wahrheit. Aber wenn man dann auch noch entsprechende Erzählungen von Schulleitern hört, verfestigt sich der Eindruck, dass die 1,7 Prozent die Wirklichkeit nicht angemessen abbilden.

Nötig ist jetzt eine sinnvolle und vor allem weithin akzeptierte Definition, was Unterrichtsausfall ist. Die des Ministeriums ist es offenbar nicht, also wäre eine weitergehende, ehrlichere angeraten. Wenn statt Mathe Erdkunde unterrichtet wird, kann man das mit guten Gründen als erteilten Unterricht bezeichnen. Wenn der Lehrer aus der Nachbarklasse Stillarbeit verordnet und dann wieder nach nebenan verschwindet, nicht.

Das ist aber nur der erste Schritt. Der nächste muss sein, die Schulen — alle Schulen — in den Stand zu versetzen, den Unterrichtsausfall elektronisch nachzuhalten. Im digitalen Zeitalter ist es nicht mehr zu vermitteln, nur rund zehn Prozent der Schulen für eine Stichprobe zur Ermittlung des Unterrichtsausfalls heranzuziehen. Entsprechende Programme gibt es; die Kosten für die Aus- oder Aufrüstung der Schulen muss dann allerdings das Ministerium übernehmen.

Auch dann wäre es, so aufrichtig muss man allerdings auch sein, eine Illusion zu glauben, so ließe sich quasi auf Knopfdruck der Ausfall landesweit auf die einzelne Stunde genau bestimmen. Eine Unschärfe wird bleiben; dazu sind die Stundenpläne zu kompliziert — es sei denn, das Land nimmt auch noch das Geld in die Hand, flächendeckend ausreichend Verwaltungsassistenten an die Schulen zu schicken, die mit spitzem Bleistift wirklich jeder Stunde nachgehen.

Das dürfte unrealistisch sein.

Aber einen Näherungswert, an dessen Ermittlung sich alle Schulen beteiligen, muss es geben. Lieber eine breitere Basis, auch wenn das auf Kosten der Genauigkeit geht. Das wäre nicht nur im Interesse der Eltern, sondern auch der Landesregierung. Unterrichtsausfall ist eine Bombe, die unter dem Stuhl jedes Schulministers tickt. Es ist unverständlich, dass Rot-Grün noch nicht mehr getan hat, um sie zu entschärfen.

(fvo)
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