RP-Aktion "Deine Stimme zählt" Absage an Handy-Verbot in Schulen

Düsseldorf · Bei der RP-Aktion "Deine Stimme zählt" rangen von 40 Schulen gewählte "Schülerminister" der Landespolitik Zugeständnisse ab. Der Streit um Smartphones an Schulen war da nur eines der Themen.

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So war die RP-Aktion "Deine Stimme zählt" zur Landtagswahl

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Foto: Bretz, Andreas

Angeblich interessieren sich viele Jugendliche ja nicht für Politik. Dieses Vorurteil haben über 1000 Schüler aus NRW bei einer Gemeinschaftsaktion des "Bonner General-Anzeigers" und der "Rheinischen Post" am Donnerstag widerlegt: Ihre beiden "Schülerminister", die sie an 40 Schulen des Landes über einen Internet-Video-Wettbewerb gewählt haben, stritten bei einer Live-Veranstaltung im Düsseldorfer Apollo-Theater auf hohem Niveau mit den Spitzen der nordrhein-westfälischen Landespolitik.

"Als ich einer Freundin aus Bayern Bilder von unserem Klassenzimmer gezeigt habe, fing die an zu lachen", moderierte "Schülerministerin" Laura Marie Dietrich (17) vom Gymnasium Voerde das Thema Schulausstattung an. Ihr Co-Minister Leon Lorenz (17, vom gleichen Gymnasium) ließ seinen breiten Schlapphut zustimmend wippen. Ein Kurzvideo zeigte 300 Gästen im Saal und den Zuschauern der Liveübertragung im Internet die praktischen Probleme des Schulalltages: wackelige Stühle, löchrige Tische, streikende Videorekorder. "Wir haben Kreidetafeln und altmodische Overheadprojektoren — in Bayern gibt es Whiteboards und Touch-Screen-Computer", spitzte Dietrich das Problem zu.

"Warum handelt die Landesregierung erst jetzt?"

NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) räumte ein, dass es den Schulen in Bayern besser gehe. "Weil die Schulaussstattung von den Kommunen gezahlt wird und es den bayerischen Kommunen besser geht", so Löhrmann. Im Chor mit NRW-Jugendministerin Christina Kampmann (SPD) verwies sie auf einen neuen Fördertopf: Das Land NRW spendiert den Schulen zwei Milliarden Euro zusätzlich. Der Spitzenkandidat der CDU im Landtagswahlkampf, Armin Laschet, hält das für ein Alibi: "NRW gibt von allen Bundesländern am wenigsten Geld pro Grundschüler aus", stellte er fest.

Auch mit Bezug zu anderen Wahlversprechen von Rot-Grün sagte er an die Adresse von Schulministerin Löhrmann: "Sie sind seit sieben Jahren im Amt. Warum handelt die Landesregierung erst jetzt?" FDP-Chef Christian Lindner, der sich bei anderen Themen zugunsten künftiger Generationen eher für einen sparsam Umgang mit Steuergeldern aussprach, sagte: "Hier bin ich beim Geldausgeben mal dabei. Unsere Schulen brauchen mehr Geld." Piraten-Chef Patrick Schiffer konterte: "Die NRW-Schulen hatten immer schon weniger Geld als in anderen Bundesländern. Das war unter Schwarz-Gelb auch schon so."

Wie denn der Schulalltag verbessert werden könne, wollten die "Schülerminister" wissen. Linken-Spitzenkandidatin Özlem Demirel forderte, man dürfe bei diesem Thema die Lebensqualität der Schüler im Alltag nicht übersehen. Der Stundenplan dürfe nicht zu voll gepackt werden, meinte Kampmann — und antwortete damit auch auf Forderungen nach einem zusätzlichen Schulfach "Leben" mit Inhalten wie "Steuererklärung". Piraten-Chef Schiffer warb für mehr Schüler-Mitbestimmung. Löhrmann verwies auf die "Schulkonferenz als höchstes Entscheidungsgremium an den Schulen, das zu je einem Drittel mit Eltern, Lehrern und Schülern besetzt ist", wofür vor allem die Grünen gekämpft hätten. Linder ´forderte besser qualifizierte Lehrer: "40 Prozent der Lehrer haben die Auffassung, der spätere Beruf der Schüler habe nichts mit Digitalisierung zu tun", so Lindner, "das ist ein schlechter Witz."

"Solange Handys verboten werden, lache ich darüber"

Prompt spielte die Regie dazu den Kommentar eines Internet-Zuschauers in die Diskussion ein: "Digitalisierung an Schulen? Solange Handys an Schulen verboten werden, lache ich darüber", so der im Saal laut beklatschte Kommentar aus dem Off. So wie er hatten auch viele andere Zuschauer über eigens eingerichtete Facebook- und Twitter-Kanäle die Möglichkeit sich zu beteiligen. Ein pauschales Handyverbot an Schulen lehnten alle Diskussionsteilnehmer als nicht mehr zeitgemäß ab. Bei der Frage, wie präsent das Smartphone im Klassenzimmer sein solle, gingen die Meinungen auseinander. Löhrmann findet, dass darüber jede Schule selbst entscheiden muss. Laschet sagte: "Es gibt Phasen im Schultag, da ist aber auch der Unterricht wichtiger als Facebook". Lindner forderte hingegen: "Handy-Gebot statt Handy-Verbot an Schulen" und eine Whatsapp-Gruppe für jede Klasse, wo auch nach dem Unterricht Fragen an die Lehrer gestellt werden könnten. Piraten-Chef Schiffer hingegen will private Unternehmen wie Facebook und Google völlig aus dem Schulunterricht verbannen.

Düsseldorf: Diese Politiker diskutierten mit den Schüler-"Ministern"
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Diese Politiker diskutierten mit den Schüler-"Ministern"

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Foto: Endermann, Andreas

Ein weiteres Thema, das viele Schüler beschäftigt: der öffentliche Nahverkehr. "Brauchen wir besseren Personennahverkehr oder doch eher den Führerschein ab 16?", fragten die Schülerminister. Kampmann und Löhrmann plädierten für den Ausbau der Verbindungen im ländlichen Raum. Löhrmann: "Die Grünen wollen ein Azubi-Ticket, weil wir dann auch bessere und schnellere Mobilität bieten können." Die Piraten wollen, dass alle für den Personennahverkehr einzahlen, damit ihm am Ende auch alle besser und günstiger nutzen können. Es dürfe auch nicht sein, dass es billiger sei, eine kurze Strecke mit dem Auto zu fahren als mit Bahn oder Bus, sagte Linken-Spitzenkandidatin Demirel, die mehr Steuergeld für Busse und Bahnen einforderte.

Um die Politiker zu möglichst konkreten und knappen Antworten zu zwingen, war die Redezeit zu etlichen Themen der Diskussion auf wenige Minuten begrenzt. Nach Ablauf des jeweils vorgesehenen Minutenpensums wurden die Politiker durch ein mikrofonverstärktes Quietscheentchen unterbrochen. Was Laschet wiederum mit Humor quittierte: Weil die strengen Schülerminister ihm nur noch wenige Sekunden Zeit für dieses Thema gewähren wollten, sagte er mit verschmitztem Lächeln: "Na gut, dann bin ich eben einfach für schnellere Busse" — und erntete einen der vielen Lacher bei der Diskussion.

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