Ex-Vorstandsmitglied der NRW-AfD „Noch nie so wenig über Politik diskutiert wie in der AfD“

Düsseldorf · Renate Zillessen war jahrelang Vorstandsmitglied, Pressesprecherin und übergangsweise Schatzmeisterin der AfD in Nordrhein-Westfalen. In einem langen Schreiben kündigt sie jetzt den Rückzug aus der Parteiarbeit an – und erhebt gewichtige Vorwürfe.

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Foto: Bernd Wüstneck

Renate Zillessen war jahrelang Vorstandsmitglied, Pressesprecherin und übergangsweise Schatzmeisterin der AfD in Nordrhein-Westfalen. In einem langen Schreiben kündigt sie jetzt den Rückzug aus der Parteiarbeit an — und erhebt gewichtige Vorwürfe.

Es war kein böser Abgang, kein ganz großer Knall auf dem Landesparteitag, auch kein Austritt aus der AfD — jedenfalls noch nicht. Renate Zillessen, Gründungs- und Vorstandsmitglied der AfD in NRW hat einen Tag später dennoch sehr deutliche Worte gefunden, um ihren Rückzug von sämtlicher Parteiarbeit zu erklären.

In einer langen Email an die Mitglieder des Landesverbands schreibt Zillessen: "Ich habe noch nie so wenig über Politik diskutiert wie in der AfD." Es sei nicht mehr um politische Fragen, sondern nur noch um die Besetzung künftiger Posten und Ressourcen gegangen.

In der AfD, vor allem im Landesverband NRW, sei "Politik zum Hütchenspiel mit Seilschaften geworden, zum innerparteilichen Machtkampf, auch und gerade nach dem Abgang von Ex-Landeschef Marcus Pretzell", heißt es in dem Schreiben weiter.

Pretzells Abgang hat laut Zillessen also wenig Besserung bewirkt. Auf dem Landesparteitag am Wochenende in Kalkar habe man beispielsweise die Trennung von Ämtern und Mandaten allein aus dem Grund abgelehnt, weil diese Idee von den Grünen stamme. "Genau das ist es: Bei Argumenten zählt nicht der Inhalt, sondern der Absender. Auch der klügste Einwand eines so genannten einfachen Mitglieds ist irrelevant", schreibt Ex-Vorstandsmitglied Zillessen.

In den Anfangsjahren der Partei sei es nicht um Posten und Gehälter gegangen, "es gab noch keine Flügel, Gruppen, Karriere- und Mobbingseilschaften, keine Whatsapp-Intrigen", schreibt Zillessen: "Aber die sogenannte Professionalisierung scheint mit Selbstverdummung einherzugehen."

Konstruktive Parteiarbeit sei nicht von Interesse gewesen, kritisiert Zillessen. Als Kritikerin Pretzells sei sie vom Wahlkampfteam ausgeschlossen und Anfang 2017 als Pressesprecherin abgesetzt worden. "Mir wurde mehr als deutlich gesagt, dass ich keinerlei Chancen auf einen Listenplatz für die Landtagswahlen hatte. Ich war halt in keiner Gruppe, keinem Flügel, keinem Fanklub und deshalb auch nicht für den neuen Landesvorstand gesetzt." Dieser äußerte sich auf Nachfrage zunächst nicht.

Aus der Partei austreten wolle sie noch nicht, sagt Zillessen auf Nachfrage unsere Redaktion, das sei ein endgültiger Schritt, der überlegt sein wolle. Ihr Rundschreiben bezeichnet die 62-Jährige als einen ehrlichen Ausbruch einer tiefen Enttäuschung über die politische Entwicklung der Partei.

Sie habe schon eher mit dem Gedanken gespielt und mit vertrauten Vorstandskollegen darüber gesprochen. "Aber ich habe die Wahlen und die Parteitage abgewartet, um der Partei nicht zu schaden", sagt Zillessen. "Ich wollte loyal sein."

(jra)
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