Bundesratsinitiative NRW will Gerichtsverfahren in Englisch ermöglichen

Düsseldorf · Wirtschaftsprozesse sollen künftig auch in englischer Sprache geführt werden können. NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) will damit die zunehmende Verlagerung von wichtigen und lukrativen Wirtschaftsprozessen ins Ausland stoppen.

 Eine Statue der Justitia hält eine Waage in ihrer Hand (Symbolfoto).

Eine Statue der Justitia hält eine Waage in ihrer Hand (Symbolfoto).

Foto: David Ebener/dpa

"Die Gerichtssprache ist Deutsch." So bestimmt es der Paragraf 184 des Gerichtsverfassungsgesetzes. Biesenbach (CDU) sieht darin einen Standortnachteil. "Internationale Konzerne wollen nicht in einer Sprache verhandeln, die sie selbst nicht sprechen", sagte Biesenbach unserer Redaktion.

Die Begrenzung der Gerichtssprache auf Deutsch trage deshalb dazu bei, dass bedeutende wirtschaftsrechtliche Streitigkeiten entweder im Ausland oder vor privaten Schiedsgerichten ausgetragen würden - "zum Nachteil des Gerichtsstandortes Deutschland und deutscher Unternehmen", wie Biesenbach meint.

Selbst international tätige Unternehmen aus NRW müssen ihre Verträge häufig an eine für sie nachteilige Rechtssprechung im Ausland anpassen, weil die dortigen Unternehmen sich nicht auf einen Gerichtsstand außerhalb des englischen Sprachraums einließen. Dabei genießen gerade die deutschen Kammern für Handelsrecht, in denen neben einem Richter stets auch zwei erfahrene Kaufleute urteilen, auch international einen hervorragenden Ruf.

"Durch die Einführung von Kammern für internationale Handelssachen wollen wir nicht nur unsere Gerichte, sondern den gesamten Wirtschaftsstandort NRW attraktiver machen", begründet Biesenbach seine Initiative.

Nach unveröffentlichten Angaben des Justizministeriums ging die Zahl der Verfahren und Eingänge bei den Kammern für Handelssachen in NRW von 12.101 im Jahr 2007 kontinuierlich auf 7769 im Jahr 2016 zurück. Worunter auch die deutsche Anwaltschaft leidet: Gerade internationale Wirtschaftsprozesse sind wegen der hohen Streitwerte für die Kanzleien besonders lukrativ.

Ähnliche Initiative scheiterte vor Jahren

Neu ist Biesenbachs Idee nicht. Vor acht Jahren scheiterte eine ähnliche Initiative am Widerstand des Deutschen Bundestages. Vereinzelt sind auch jetzt schon englischsprachige Verhandlungen möglich.

Christian Friehoff, Vorsitzender des Bundes der Richter und Staatsanwälte in NRW, ist aufgeschlossen: "Die Deutsche Gerichtsbarkeit hat hinsichtlich ihrer Qualität und Korruptionsfreiheit einen hervorragenden Ruf. Ein Abbau der Sprachbarriere kann also dazu beitragen, dass sich international agierende Unternehmen schon bei der Vertragsunterzeichnung auf einen Gerichtsstand in NRW statt im angelsächsischen Raum einigen." Für eine abschließende Beurteilung des Vorstoßes sei es jedoch noch zu früh.

Mit einer sprachlichen Überforderung der Richter rechnen Experten nicht. Schon der Gesetzentwurf aus dem Jahr 2010 stellte fest: "In Deutschland gibt es zahlreiche Richterinnen und Richter, die die englische Sprache hervorragend beherrschen. Viele von ihnen haben im Ausland einen LL.M (Master of Laws) erworben."

(tor)
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