NRW-Minister Hendrik Wüst im Interview "Das Diesel-Fahrverbot ist eine Steinzeitlösung"

Düsseldorf · Der neue NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst spricht im Interview mit unserer Redaktion über seinen Kampf gegen den Stau, die Luftbelastung in den Städten und die Flughäfen.

 "Ganz werden wir Staus nie wegkriegen": Hendrik Wüst.

"Ganz werden wir Staus nie wegkriegen": Hendrik Wüst.

Foto: Endermann, Andreas

Seinen Witz hat Hendrik Wüst auch als Minister nicht verloren. "Am Wochenende geht es in ein fernes Land mit hohen Bergen" sagt er am Anfang des Gespräches, freut sich über die Verblüffung der Gäste, lacht, und stellt klar: "Wir fahren in die Schweiz auf eine Hochzeit."

Herr Minister, fahren Sie eigentlich noch gerne Auto bei den vielen Staus auf den Straßen?

Wüst: Ja, aber auch ich ärgere mich natürlich, wenn ich im Stau stehe. Hier in Düsseldorf nehme ich auch gerne immer wieder das Fahrrad.

Schwarz-Gelb hat damit Wahlkampf getrieben, die Staus sollten aufhören. Und nun?

Wüst: Jetzt werden wir eine Politik der ganzen Landesregierung haben, die die Kräfte entfesselt. Die alte Landesregierung hat zeitweise gezielt zu wenige neue Straßenbauprojekte geplant und verpasste darum, wichtige Bundesmittel zu erhalten. Jetzt sind wir auf der Überholspur und geben beim Straßenbau Gas.

Wird NRW Stau-Land Nummer eins in Deutschland bleiben?

Wüst: Ganz werden wir Staus nie wegkriegen. Es muss in kurzer Zeit viel gebaut werden. Das ist klar. Denn es ist viel zu lange nicht gebaut worden. Erst war das Geld nicht da. Dann fehlte der politische Wille und es wurde nicht geplant, obwohl Geld da war.

Wird es bei der nächsten Landtagswahl im Jahr 2022 keine Staus geben?

Wüst: Nein. Wir hoffen zwar 2022 auf weniger Staus, aber ganz werden wir sie nicht vermeiden können: Denn wir wollen für die Zukunft von NRW investieren. Da wird es also auch in 2022 Baustellen geben. Und zur Reparatur aller Brücken brauchen wir sicher 15 Jahre. Aber ich hoffe, dass die Autofahrer sich etwas damit trösten, dass die weiteren Behinderungen nur da sind, weil es voran gehen soll — nicht weil ideologisch gebremst wurde.

Aber jetzt ist Geld da?

Wüst: Ja! Es wird jetzt kräftig geplant. Es gibt keine politischen Blockaden mehr. Das Geld ist da. Der politische Wille ist da. Wir werden also gut bauen können in den nächsten Jahren. Und ich habe die Hoffnung, dass wir vom Bund schon in diesem Jahr sogar noch Geld nachfordern können.

Der Anti-Stau-Minister provoziert neue Baustellen?

Wüst: Der Anti-Stau-Minister weiß, dass neue Baustellen nötig sind. Das ist das Paradoxon meiner Aufgabe. Wenn wir bauen, heißt das mehr Baustellen und das heißt erst einmal auch mehr Staus. Wir versuchen aber alles, um Behinderungen zu vermeiden oder zu verkleinern, wo immer es möglich ist.

Dafür wollen Sie nachts bauen lassen, Sie wollen schnell bauen lassen. Von wo sollen die Arbeiter dafür herkommen?

Wüst: Mir ist jeder Planer und Bauarbeiter willkommen, ganz gleich woher sie kommen. Wir haben ja bereits viele Kollegen aus ausländischen Staaten auf Baustellen.

Könnten auch Flüchtlinge helfen?

Wüst: Auch Flüchtlinge können im Bau eine Chance finden. Er oder sie muss nur legal beschäftigt und ordentlich bezahlt werden. Das Handwerk engagiert sich ja vorbildlich für Flüchtlinge.

Warum gibt es denn zu wenige Bauarbeiter?

Wüst: Der Staat hat jahrelang zu wenig investiert. Das rächt sich. Die Baufirmen haben deshalb Personal abgebaut. Und jetzt kommt die öffentliche Hand wieder, die übrigens auch nicht der beliebteste Auftraggeber bei den Unternehmen ist, und hat plötzlich wieder viele Aufträge zu vergeben. Also müssen wir bei den Firmen nun wieder Vertrauen schaffen und Verlässlichkeit signalisieren.

Dies bedeutet?

Wüst: Wir müssen dahin kommen, dass man bei den mittelständischen Unternehmen wieder sagt: Okay, ich baue den Bereich Straßenbau wieder aus, weil ich an eine nachhaltige Entwicklung der staatlichen Baukonjunktur glaube. Dann rekrutieren sie auch Arbeitskräfte. Und es ist Aufgabe des Staates, die Budgets konstant zu halten.

Wird es mit Ihnen Diesel-Fahrverbote in NRW geben?

Wüst: Nein! Ich bin strikt dagegen. Das ist überhaupt nicht durchdacht. Das Diesel-Fahrverbot ist eine Steinzeitlösung.

Was wollen Sie stattdessen machen, um die Luft in den Städten wieder sauberer zu machen?

Wüst: Wir werden das mit einem Bündel von Maßnahmen in den Griff kriegen.

Werden Sie konkreter ...

Wüst: Nehmen wir die Corneliusstraße in Düsseldorf. Wir haben bereits eine älteren Luftreinhalteplan, der überarbeitet werden muss. Hier sind die Belastungen zum Glück längst noch nicht so krass wie in Stuttgart oder München. Ich bin überzeugt, dass man die Emissionen bei uns innerhalb weniger Jahre in den Griff bekommen kann. Durch die Corneliusstraße laufen drei vielbefahrene Buslinien. Wenn man die umstellt auf emissionsarmen Antrieb, haben wir bereits ein gutes Stück erreicht. Wenn man dann noch mehr auf die Digitalisierung zur Verkehrssteuerung setzt und auf technische Nachrüstungen am Auto, dann werden wir den kritischen Grenzwert einhalten können. Das ist mir sehr wichtig.

Könnten Sie sich vorstellen, dass Radschnellwege helfen, die Umwelt zu entlasten? Oder ist schwarz-gelb eine reine Autofahrerregierung?

Wüst: Im Gegenteil, wir wollen integrierte, intelligente Verkehrskonzepte. Ich befürworte einen schnellen Ausbau von Radschnellwegen in den städtischen Regionen wie dem Ruhrgebiet und dem Rheinland, auch um die Straßen zu entlasten. Aber auf dem Land sind sichere Wege zu Kindergärten und Schulen wichtiger als in Radschnellwege zu investieren, wenn diese nur von wenigen Menschen genutzt werden.

Rot-grün wollte ein ganzes Netz an Radschnellwegen aufbauen.

Wüst: Ja, es gab große Pläne, aber Geld dafür eingeplant wurde viel zu wenig. Da ist mir unser Ansatz einer realistischen Prioritätensetzung lieber.

Und was ist mit dem öffentlichen Nahverkehr?

Wüst: Ganz wichtig. Wir brauchen eine komplette digitale Verknüpfung der Verkehrsträger: Für mich unverzichtbar, dass ich künftig eine Fahrt durch alle Verkehrsverbünde in NRW mit nur einer App buchen und bezahlen kann. Diese App sollte aber auch mit anderen Angeboten wie Car-Sharing verbunden sein. Dann steige ich in Köln in den RRX nach Dortmund und steige dort in den Car-Sharing-Wagen für die Weiterfahrt. Das ist bequem für mich - und gut für die Umwelt. Es wird doch bald kein Kunde mehr akzeptieren, dass er sich in jeder Stadt durch einen anderen Fahrscheinautomaten mit anderer Tarifstruktur hangeln muss. Das ist von vorgestern.

Kommen wir zur Luftfahrt. Wird das Verkehrsministerium es genehmigen, dass der Flughafen Düsseldorf die Kapazitäten deutlich erhöht?

Wüst: Wir werden dies nach Recht und Gesetz entscheiden. Die über 40.000 Einwendungen sind eine beeindruckende Zahl. Andererseits gibt es das Interesse des Landes an einer guten Verkehrsinfrastruktur und des Airports an Wachstum. Dies gilt es sorgfältig abzuwägen.

Die neue Koalition fordert, dass von Spätlandungen abgeschreckt wird, in dem Landegebühren dann besonders hoch sind. Ein Fingerzeig Richtung Flughafen Düsseldorf?

Wüst: Wir sind grundsätzlich davon überzeugt, dass sich viele Dinge mit Anreizen steuern lassen. Und da finde ich es überzeugend, dass sehr späte Landungen oder Starts eben mehr Geld kosten. Da wird sich eben manche Fluggesellschaft überlegen, ob sie den Flugplan weniger eng plant, um solche Zuschläge zu vermeiden. Ob bestimmte Flughäfen solche Zuschläge stärker nutzen sollten, will ich nicht kommentieren.

Tatsache ist, dass wir in Düsseldorf 2016 so viele sehr späte Landungen hatten wie seit mindestens zehn Jahren nicht.

Wüst: Der Flughafen hat ja selbst ausdrücklich gesagt, dass er dieses Problem in einer konzertierten Aktion aller Beteiligter besser in den Griff kriegen will. Das ist erst einmal vernünftig. Aber wir haben das natürlich im Blick.

Die neue Landesregierung schafft die Regel ab, dass die kleineren Regionalflughäfen wie Weeze, Dortmund oder Münster ihre Entwicklung derjenigen von Düsseldorf und Köln anpassen sollen. Warum?

Wüst: Das war eine willkürliche Festlegung im Landesentwicklungsplan. Wir bekennen uns zur dezentralen Luftverkehrsinfrastruktur in NRW. Und wir müssen uns dauerhaft überlegen, welche Weichen die NRW-Politik im Rahmen des vorliegenden Luftverkehrskonzeptes des Verkehrsministeriums in Berlin stellen wird.

Wäre es nicht wünschenswert, wenn einer der drei Flughäfen im Osten von NRW so gestärkt wird, dass er Düsseldorf wenigstens bei Urlaubsflügen besser Konkurrenz machen kann?

Wüst: Ich bezweifele, dass der starke Trend hin zu Düsseldorf mit politischen Entscheidungen zusammenhängt. Ansonsten wollen wir grundsätzlich eine bessere Anbindung auch der kleinen der Flughäfen an Bus und Bahn. Das führt dann auch zu mehr Attraktivität.

Die neue Landesregierung will sich auf Bundesebene dafür einsetzen, dass die Luftverkehrssteuer fällt, damit die NRW-Flughäfen keine Nachteile mehr gegenüber Wettbewerbern im Ausland haben. Tatsache ist, Düsseldorf platzt schon jetzt aus allen Nähten.

Wüst: Die Forderung hat nicht speziell etwas mit Düsseldorf zu tun, obwohl der Flughafen natürlich im internationalen Wettbewerb um attraktive Strecken steht. Aber schauen Sie sich Weeze an. Ohne Luftverkehrssteuer hätten auch die es einfacher. Und wir sollten nicht übersehen: Die Luftverkehrsteuer wird ja faktisch auf die Passagiere abgewälzt.

R. Kowalewsky und C. Schwerdtfeger führten das Gespräch

(rky, isf)
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