NRW-SPD Hannelore Kraft merkelt sich durch den Wahlkampf

Berlin/Düsseldorf · Die Sozialdemokraten im Bund nehmen viel Rücksicht auf die Genossen in Nordrhein-Westfalen. Jedes Detail wird abgestimmt.

 NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft.

NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft.

Foto: dpa, ve

Es ist ein Bild der Geschlossenheit, das die rot-grüne Landesregierung an diesem Januarmorgen in Düsseldorf vermitteln will. Der Fall Anis Amri, die zuletzt innerhalb von Rot-Grün strittigen Abschiebungen nach Afghanistan, der Umgang mit den Islamverbänden — kein Thema soll diesen harmonischen Eindruck so kurz vor der Landtagswahl trüben.

Sogar in ihrer Wortwahl haben sich die beiden Spitzenfrauen des Landes teilweise angeglichen: "Hundertprozentige Sicherheit kann es nicht geben", sagt Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) mit Blick auf die Terroranschläge. Und ihre Stellvertreterin Sylvia Löhrmann (Grüne) sekundiert wenig später: "Es kann keine hundertprozentige Sicherheit geben."

Der Auftritt gibt einen Vorgeschmack darauf, was im Landtagswahlkampf zu erwarten ist. Der Landesmutter muss angesichts von Umfragen und Tests der eigenen Werbestrategen an einem Wahlkampf ohne großen Aufruhr, ohne harte Kontroversen gelegen sein. Erinnerungen an die frühere Strategie von Merkel werden wach. 2013 gipfelte Merkels defensiver Wahlkampf in der Aussage: "Sie kennen mich."

Über die K-Frage sei nicht gesprochen worden

Das Treffen der SPD-Spitze in Düsseldorf am Vorabend, das Kraft am liebsten ohne öffentliche Aufmerksamkeit abgehalten hätte, diente der Vorbereitung des 29. Januar. An diesem Tag wollen die Sozialdemokraten im Anschluss an eine Klausursitzung in Berlin ihren Kanzlerkandidaten benennen, der aller Voraussicht nach Sigmar Gabriel heißt. Anders als Merkel, die im November bei der Bekanntgabe ihrer Kandidatur nur die Botschaft hatte, dass sie wieder antreten werde, will die SPD mit der Kür ihres Kandidaten einen inhaltlichen Aufschlag verbinden. Die Themen liegen noch nicht im Detail fest. Vielmehr ließ sich die SPD-Spitze in Düsseldorf von ihrer Hamburger Agentur KNSK informieren, was ihre möglichen Wähler erwarten.

Die Agentur hatte bei den Zielgruppen vieles ausgetestet. Ein Beispiel: Vor dem Hintergrund, dass Teile der SPD-Wählerschaft als anfällig für die AfD gelten, prüften die Umfrage-Profis, wie SPD-Sympathisanten auf Ressentiments reagieren. Das Ergebnis: negativ. Über die K-Frage sei nicht gesprochen worden, versicherten Teilnehmer übereinstimmend, auch nicht über den NRW-Wahlkampf. Doch was Kraft von der Zentrale in Berlin erwartet, hat sie längst deutlich gemacht.

"Gebt mir mehr Zeit, meine Politik fortzusetzen"

Sollte Gabriel im Wahlkampf das Modell Rot-Rot-Grün spielen wollen, dann darf er dies erst nach dem 14. Mai tun. Mit dieser Konstellation will Kraft in NRW nicht in Verbindung gebracht werden. Zurzeit stehen die Zeichen hier den Umfragen zufolge ohnehin auf "große Koalition" - ein hart geführter Wahlkampf gegen die CDU könnte der späteren Zusammenarbeit zwischen SPD und CDU in NRW abträglich sein. Und so verzichtete Kraft bei ihrem Auftakt in Düsseldorf im Wahljahr 2017 weitgehend auf Angriffe gegen Oppositionsführer Armin Laschet (CDU).

Stattdessen listete sie Erfolge ihrer Regierungsarbeit auf: sinkende Zahlen bei Kapitalverbrechen wie Mord und Totschlag, eine positive Tendenz bei der Beschäftigung und gute Resonanz in den Kommunen auf ihr Vorzeigeprojekt "Kein Kind zurücklassen", das sie nun ausweiten will. Seinen vollen Effekt wird es laut Kraft aber erst in einigen Jahren entfalten — so wie viele ihrer Regierungsprojekte. Kraft sendet damit implizit eine Botschaft, die ebenfalls an Merkels letzten Wahlkampf erinnert: "Gebt mir mehr Zeit, meine Politik fortzusetzen."

Die NRW-Wahl ist auch für die SPD auf Bundesebene von existenzieller Bedeutung. Dementsprechend zuvorkommend werden die Wahlkämpfer in NRW behandelt. Bis ins kleinste Detail stimmen sich Kraft und Gabriel ab. Kraft hat den Genossen in Berlin ans Herz gelegt, ihr durch Interviews oder andere öffentliche Auftritte bloß keine bösen Überraschungen zu bescheren.

Fraktionsklausur in Berlin

So werden die Sozialdemokraten auch bei ihrer Fraktionsklausur in Berlin artig bei der klassischen SPD-Programmatik bleiben. Die Fraktion will mehrere Papiere zu Gerechtigkeitsthemen verabschieden, etwa zum Recht auf befristete Teilzeit und zu einer besseren Rückkehr in Vollzeitstellen oder zur Steuergerechtigkeit. Einkünfte aus Arbeit und Kapital sollen steuerlich gleichgestellt werden. Das steuerliche Bankengeheimnis soll fallen, um Steuerbetrug leichter aufdecken zu können. Ein weiteres Papier sieht vor, dass Bonuszahlungen an Manager ab 500.000 Euro nicht mehr von der Steuer abgesetzt werden können.

Auch die Familienpolitik nimmt die SPD in den Blick. "Wir wollen einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung einführen", sagte Fraktionschef Thomas Oppermann. Derzeit müssten Väter und Mütter am frühen Nachmittag zur Kita hetzen, um ihre Kinder abzuholen. "Oder sie können nur halbtags arbeiten, weil die Grundschule keine Nachmittagsbetreuung anbietet." Eltern sollten selbst entscheiden können, wie lange ihr Kind in der Kita bleibe. "Und Grundschulen müssen Kinder auch am Nachmittag betreuen, wenn die Eltern dies wollen."

(jd)
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