Interview mit NRW-CDU-Chef Laschet für neue Studiengebühren in Nordrhein-Westfalen

Düsseldorf · Einen Tag vor dem CDU-Bundesparteitag in Essen gibt NRW-CDU-Chef Armin Laschet erste Details seiner Wahlkampfstrategie für die Landtagswahl preis. Er will externe Persönlichkeiten für sein Schattenkabinett finden, bei einem Wahlsieg rot-grüne Gesetze rückabwickeln und auch dann eine Regierung bilden, wenn seine Partei nur zweitstärkste Kraft wird. Außerdem spricht Laschet über seine schlechten Popularitätswerte.

Armin Laschet: Infos zum NRW-Ministerpräsidenten & CDU-Kanzlerkandidaten
25 Bilder

Das ist Armin Laschet

25 Bilder
Foto: dpa/Michael Kappeler

Wenn Rot-Grün so schlecht ist, wie Sie sagen: Warum profitieren Sie nicht davon in Ihren Umfragewerten?

Laschet Wir liegen in den Umfragen fünf bis sechs Prozent besser als bei der letzten Wahl und stehen heute Kopf an Kopf mit der SPD, die sechs bis sieben Prozent verloren hat. Rot-Grün hat seit zwei Jahren keine Mehrheit mehr.

Ministerpräsidentin Hannelore Kraft ist deutlich beliebter als Sie?

Laschet Jeder Amtsinhaber ist bekannter als der Herausforderer. Dieser Bekanntheitsgrad kommt aber offenkundig nicht der SPD zu Gute.

Selbst von den CDU-Wählern stehen nur 40 Prozent hinter Ihnen …

Laschet Noch 2009 lag CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers bei SPD-Anhängern weit vor Frau Kraft. Das hat aber nicht die Wahl entschieden. Die Wahl wird über Themen entschieden.

Welche Themen?

Laschet Nordrhein-Westfalen ist Schlusslicht beim Wirtschaftswachstum, der Unterrichtsausfall und das Inklusionschaos in der Schulpolitik regen immer mehr Menschen auf und die Tatenlosigkeit gegen Einbruchskriminalität, No-Go-Areas, steigende Salafistenzahl ist eine Zumutung.

Warum ist die NRW-Landesregierung Schuld an der Wirtschaftsflaute?

Laschet Bundesweit wächst die Wirtschaft, nur NRW fällt zurück, da hier keine Impulse gesetzt, sondern stattdessen jeden Tag neue Verordnungen gemacht werden, die jede unternehmerische Tätigkeit erschweren. Schwarz-Gelb hat in fünf Jahren Regierungszeit 32 neue Stellen in den Ministerien geschaffen, Rot-Grün fast 20 mal so viel, 567. Wohlgemerkt, keine neuen Polizisten oder Lehrer, sondern Beamte in den Ministerien, die unter Rot-Grün jeden Tag noch mehr regulieren. Ein bürokratisches Landesnaturschutzgesetz, Tariftreuegesetz, Hygiene-Ampel — das sind alles Behinderungen für jeden, der etwas unternehmen will.

Also besteht Ihr Wirtschaftsprogramm nur aus der Rückabwicklung rot-grüner Initiativen?

Laschet Nein. Wir würden andere Prioritäten setzen: Vorfahrt für Arbeitsplätze, durch eine bessere Infrastruktur, Straßen wie Breitband, durch mehr Flächen für Erweiterungen unserer erfolgreichen Unternehmen, durch eine Steuerpolitik, die Wachstum vor Ort belohnt und nicht abwürgt. Aber das erste ist: Die Wirtschaft braucht Luft zum Atmen. Eine Regierung selbst schafft keine Arbeitsplätze. Aber sie kann das Land zu einem attraktiven Standort machen, auch indem sie möglichst wenig reguliert. Wir müssen alle Gesetze und Verordnungen auf den Prüfstand stellen und möglichst viel abschaffen. Ganz frei ist Berlin übrigens auch nicht von Überregulierung. Das ist zum Teil der Großen Koalition geschuldet.

Was würden Sie denn konkret anders machen, wenn Sie MP wären?

Laschet Das Klima des Misstrauens gegen die Wirtschaft beenden und das deutliche Zeichen setzen, dass wir Wirtschaftswachstum fördern. Wir würden als Erstes den Landesentwicklungsplan revidieren um Raum zu schaffen, eine Planungsoffensive für Infrastruktur auf den Weg bringen um endlich die Gelder des Bundes zu verbauen, Hochschulfreiheit wieder einführen, um Innovation zu fördern. Von jedem Minister, der etwas Neues regeln will, würde ich erwarten, dass er eine Vorschrift abschafft. Sie glauben gar nicht, was das an Kreativkräften freisetzen würde. Dass in Niedersachsen Genehmigungsverfahren drei Stufen weniger haben als bei uns, kann man doch niemanden erklären. Darüber hinaus würde ich als Ministerpräsident für unser großes Landes in Berlin kämpfen. Dass sich Frau Kraft dort verabschiedet hat, war ein Fehler, der NRW geschwächt hat.

In der Braunkohlepolitik überholen Sie die Ministerpräsidentin ja sogar noch links und wollen Strukturen erhalten…

Laschet Ist es links, für Industriearbeitsplätze zu kämpfen? Und ist es sinnvoll, eine ganze Region vorzeitig in den Kohleausstieg zu treiben, obwohl der Einfluss der NRW-Braunkohle auf das Weltklima kaum messbar ist? Der planwirtschaftliche Klimaschutzplan bis 2050 von Frau Hendricks ist mehr linke Politik als unser Widerstand dagegen. Und wenn Frau Hendricks sagt, die Regierung Kraft sei nicht das Problem gewesen, sage ich: Genau das ist das Problem. Ein voreiliger Ausstieg ist weder ein Beitrag zum Klima noch zur Wettbewerbsfähigkeit unseres Wirtschaftsstandorts. Der Strom muss ja trotzdem irgendwo herkommen. Die Regenerativen können das noch nicht voll ersetzen.

Loveparade, SEK-Affäre, wachsende Einbruchszahlen, Kölner Silvesternacht: Wie haben Sie es geschafft, dass Ralf Jäger immer noch Innenminister ist?

Laschet Das müssen Sie Frau Kraft fragen. Sie meint offenkundig, dass Herr Jäger der Beste ist, den sie finden kann.

Aber Sie haben den Rücktritt ja nicht einmal gefordert …

Laschet Weil ständig wiederholte Rücktrittsforderungen Albernheiten sind. Herr Jäger genießt das Vertrauen von Frau Kraft. Nicht meins. Und auch nicht das der Menschen im Land.

War es schädlich für Sie, dass Schwarz-Gelb an der Polizei gespart hat?

Laschet Das ist zehn Jahre her. Und entgegen der rot-grünen Legendenbildung hat Schwarz-Gelb damals mehr eingestellt als die Vorgängerregierung Steinbrück zuvor geplant hatte. Frau Kraft duckt sich weg und lastet alles, was in NRW schief läuft, der fünfjährigen CDU/FDP-Regierung an. Das ist zu billig. Die Bilanz der Amtszeit Jäger ist: Rekordeinbruchszahlen, Versechsfachung der Salafisten, Vervierfachung der Rockerzahlen. Dafür trägt er die Verantwortung und das muss er den Menschen erklären. Er widerspricht der Polizei, die von No-Go-Areas im Ruhrgebiet spricht und nennt diese Angsträume. Die Leute wollen beides nicht — und sie haben Recht.

Wieviel zusätzliche Polizisten braucht NRW?

Laschet: Eine exakte Zahl kann man nicht festlegen.

Warum nicht?

Laschet Weil wir das gerade bei der Auswertung der Antwort der Landesregierung auf unsere Große Anfrage zur Polizeistruktur prüfen und weil es die Diskussion verengt. Neben mehr Personal braucht es auch eine bessere Organisation und mehr Befugnisse: Wir brauchen Polizeiverwaltungsassistenten, um mehr Polizei auf die Straße zu bringen, Predictive Policing zur vorausschauenden Bekämpfung von Wohnungseinbrüchen, Telekommunikationsüberwachung von Banden, Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen, Schleierfahndung in Grenzgebieten. Jedes deutsche Bundesland hat Schleierfahndung eingeführt, nur NRW, Berlin und Bremen nicht. Oder Bodycams für Polizisten: Was soll jetzt dieser Modellversuch? Warum führen wir das nicht einfach ein? Das schwarz-grün regierte Hessen und das grün-schwarz regierte Baden-Württemberg haben Bodycams zum Schutz von Polizisten eingeführt. Rot-Grün dagegen führt die Kennzeichnungspflicht für Polizisten ein: Als ob die Gewalt von den Polizeibeamten ausginge! Das ist doch irre.

Wer verkörpert im Wahlkampf das Thema Innere Sicherheit?

Laschet Das Team steht noch nicht fest.

Werden Sie ein ministrables Team präsentieren?

Laschet Wir werden mit einem Team in den Wahlkampf gehen. Für die große Aufgabe, die vor uns liegt, braucht man eine gute Mannschaft. In dem Team könnten auch Persönlichkeiten außerhalb der Parteipolitik sein.

Bleiben Sie auch in NRW, wenn Sie die Wahl verlieren?

Laschet Mein Platz ist in Nordrhein-Westfalen. Der Landesvorsitzende der NRW-CDU sollte Mitglied des Landtages sein. Das hat sich bewährt.

Werden Sie dann Innenminister?

Laschet Wir kämpfen um das Amt des Ministerpräsidenten. Wir wollen schließlich etwas verändern. Das geht nur aus der Spitze der Regierung.

Wäre eine Große Koalition schlecht für NRW?

Laschet Alles andere als Rot-Grün ist besser für das Land. Nur Rot-Rot-Grün wäre noch schlimmer. Frau Kraft hat das bis heute nicht ausgeschlossen. Aber auch Große Koalitionen haben ihre Probleme.

Wann legen Sie die Samthandschuhe im Umgang mit Frau Kraft ab?

Laschet Wir werden hart in der Sache argumentieren, die fehlende Führung beim Namen nennen und die Schönrederei kritisieren. Aber es wird mit uns keinen Wahlkampf wie in den USA geben. Für mich haben Fairness und Anstand im persönlichen Umgang einen hohen Wert.

Das dritte wichtige Thema im Wahlkampf wird Bildung: Warum haben Sie als letzte Partei im Landtag ein Konzept für eine Gymnasialreform vorgelegt?

Laschet Die Regierung regiert bald seit sieben Jahren. Plötzlich erzählen die alles anders zu machen als bisher. Ich habe noch nie erlebt, dass eine Landesregierung nach der Wahl weitermachen will, aber nicht sagen kann, mit welcher Schulpolitik. Wir waren abgesehen von den Piraten die einzigen, die in den letzten Jahren gemahnt haben, die Verärgerung der Eltern über G8 ernst zu nehmen. Wir haben uns Zeit genommen, Schülern, Eltern und Lehrern zuzuhören — und dann ein Konzept vorgelegt, das umsetzbar ist und dauerhaft Ruhe an die Schulen bringt. Wir ermöglichen ein echtes G9. Die Schulen, die G8 weiterhin wünschen, können ohne Veränderung weiterarbeiten.

Warum drücken Sie sich vor der Turbo-Abi-Entscheidung?

Laschet Die Schulen können besser entscheiden, ob G8 oder G9 dort funktioniert. Die Gegebenheiten sind auch nicht bei allen Schulen gleich. Aber G8-G9 ist nicht das Hauptproblem. Alle Schulen, nicht nur die Gymnasien, leiden unter Unterrichtsausfall, der Konzeptlosigkeit von Rot-Grün für die Unterrichtung zehntausender Flüchtlingskinder und unter der genauso unterfinanziert wie planlos eingeführten Inklusion. Wir brauchen hier ein Moratorium: Keine Förderschule darf mehr geschlossen werden. Und die Inklusion darf erst dann fortgesetzt werden, wenn wir genug Geld und Personal dafür haben.

Wieviel zusätzliche Flüchtlinge verträgt NRW?

Laschet Das kann man nicht sagen. Ich hätte vor zwei Jahren nicht gedacht, dass man 200.000 Flüchtlinge in NRW so aufnehmen kann, wie es geschehen ist. Klar ist: Wenn unter den 200.000 Menschen sind, die nicht schutzbedürftig sind, sind selbst 200.000 schon zu viel. Unser Land kann Großartiges leisten, aber die Landesregierung muss die Regeln des Rechtsstaats durchsetzen.

Was machen Sie, um den Haushalt zu sanieren?

Laschet Wenn es uns gelingt, die Steuer- und Wirtschaftskraft zu stärken, haben wir mehr Steuern …

… das ist die einfachste Politikerantwort und ein Hoffnungswert. Wo wollen Sie sparen?

Laschet Mehr Wirtschaftswachstum ist kein Hoffnungswert, sondern ist möglich. Andere Länder schaffen das ja auch. Der Finanzminister plant für das nächste Jahr immer noch 1,6 Milliarden Euro Schulden ein, trotz Rekordsteuereinnahmen, historischen Niedrigzinsen und massiven Zuwendungen des Bundes.

Haben Sie einen konkreten Vorschlag?

Laschet Ich frage einmal anders: Wo sind die sprudelnden Steuermehreinnahmen der letzten Jahre geblieben? Vieles wurde in unsinnige Klientelprogramme gesteckt.

Sparvorschlag?

Laschet: Weniger Bürokratiepersonal in Ministerien, weniger Förderprogramme für ideologische Spielwiesen, Konzentration auf das Wesentliche. Auch beim Sozialticket, das kaum Wirkungen erzielt und bei der Beitragsfreiheit in Kitas haben wir Haushaltsanträge gestellt. Wichtiger für die Bildungsqualität sind kleinere Gruppen und eine bessere Bezahlung der Erzieherinnen. Dafür muss man vorhandene Gelder umschichten. Aber zu ihrer Beruhigung: Ich bin sicher, dass sich beim Kassensturz nach der Landtagswahl manches finden lässt, was eingespart werden kann. Auch der jetzige Finanzminister findet ja jetzt vor der Wahl immer noch Geld für Wahlgeschenke.

Würden Sie Studiengebühren wieder einführen?

Laschet: In der alten Form sind Studiengebühren kein Thema. Aber ich halte es für ein Gebot der sozialen Gerechtigkeit, mindestens über Modelle nachzudenken, wie wir diejenigen finanziell an der akademischen Ausbildung beteiligen, die später nachweislich mehr verdienen. Das Pfleger für ihre Ausbildung zahlen und Ärzte nicht, ist schräg.

Würden Sie auch eine Koalition bilden, wenn die CDU hinter der SPD liegt?

Laschet Wer eine mehrheitsfähige Regierung bilden kann, wird Ministerpräsident. Dazu muss man nicht stärkste Partei im Landtag sein.

Sie schließen die Jamaika-Koalition nicht aus. FDP und Grüne wollen Cannabis erlauben. Was halten Sie von einem Jamaika-Coffeeshop in Düsseldorf?

Laschet Gibt es nicht. Das machen wir nicht mit.

Haben Sie schon mal gekifft?

Laschet Nein.

Auch nicht wie Bill Clinton ohne zu inhalieren? Sie wissen ja gar nicht, worüber Sie reden …

Laschet (lacht) Nein. Aber im Ernst: Ein enger Verwandter meiner Frau hat Drogen genommen und sich ruiniert. Das war für mich seit meiner Jugendzeit eine Warnung.

Michael Bröcker und Thomas Reisener führten das Interview.

(tor / brö)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort