NRW-Oberschutzbeauftragte Auchter-Mainz Ex-Staatsanwältin will Lotsin für Opfer sein

Düsseldorf · Vor rund zwei Monaten trat die erste Opferschutzbeauftrage in NRW ihren Posten an. Die Nachfrage ist riesig: Sie hat schon mehr als 100 Gewaltopfer betreut. Die meisten Hilfesuchenden seien Frauen, nur etwa ein Drittel wäre männlich.

 Die NRW-Opferschutzbeauftragte Elisabeth Auchter-Mainz (Archivfoto).

Die NRW-Opferschutzbeauftragte Elisabeth Auchter-Mainz (Archivfoto).

Foto: Oliver Berg/dpa

Elisabeth Auchter-Mainz hat die explodierende Nachfrage überrascht: "Obwohl es unsere Opferschutzeinrichtung erst seit zwei Monaten gibt, haben uns schon mehr als 100 Opfer von möglichen Straf- und Gewalttaten um Hilfe gebeten", sagt die 66 Jahre alte neue Opferschutzbeauftragte des Landes.

Mit der Einrichtung geht NRW einen neuen Weg: Im Dezember war es das erste Bundesland nach Berlin, das Gewaltopfern die Hilfe einer staatlichen Opferbeauftragten anbietet. Die Idee kam von Justizminister Peter Biesenbach (CDU), dem es ein Ärgernis war, dass der Staat viel für die Resozialisierung von Straftätern tut, deren Opfer aber oft vernachlässigt.

Seine Wahl fiel nicht von ungefähr auf die gebürtige Kölnerin, die fast ihr gesamtes Berufsleben als Staatsanwältin gearbeitet hat. Sie kennt sich mit Opfern aus. "Es kommt vor, dass mich Opferschicksale auch persönlich belasten", sagt Auchter-Mainz. Ihre berufliche Vergangenheit helfe ihr aber meistens, bei aller Empathie für die Opfer trotzdem eine professionelle Distanz zu wahren.

Auf die Frage, welcher Fall sie in ihrer bisherigen Laufbahn am meisten bewegt habe, muss Auchter-Mainz nicht lange nachdenken. Er liegt Jahrzehnte zurück: "Eine vielleicht 17-jährige junge Frau, die ich als Zeugin vernahm, und die lange massiven sexuellen Übergriffen ihres Stiefvaters ausgesetzt war", erinnert sich Auchter-Mainz. Während der Gerichtsverhandlung habe sich die leibliche Mutter gegen das Opfer und hinter den Stiefvater gestellt. "Die Mutter machte Stimmung gegen ihre eigene Tochter", schildert Auchter-Mainz die damalige Situation.

Am Ende des Verfahrens habe der Richter die junge Frau gefragt, ob sie sich jemals wieder einen Kontakt zu ihrem Peiniger vorstellen könne. Sie sagte ja, aber ihre leibliche Mutter wollte sie nie wiedersehen.

Auchter-Mainz hat bei dieser Begebenheit viel über die Verwerfungen gelernt, die Opfer auch über die eigentliche Straftat hinaus heimsuchen können. Heute weiß die Juristin, die mit einem Psychologen verheiratet ist: "Viele Opfer kommen nie zur Ruhe. Für die Täter ist die Tat irgendwann verbüßt oder verjährt. Für die Opfer nie."

Etwa ein Drittel der Ratsuchenden in ihrer neuen Beratungsstelle sind Männer. "Es ist für Männer eine zusätzliche Hürde, sich an eine Frauenberatungsstelle zu wenden", vermutet Auchter-Mainz. Für Männer sieht sie einen Beratungsengpass, den ihre geschlechtsneutrale Opferberatung in Köln auffängt: "Schließlich gibt es auch häusliche Gewalt gegen Männer - einen solchen Fall hatten wir im Dezember."

Den Opfern bietet Auchter-Mainz eine erste juristische Einschätzung an. Sie sieht sich als Lotsin beim Vermitteln von Therapie- und Beratungsangeboten und hilft in Akutlagen auch bei logistischen Problemen. Wie bei jenem Opfer, das kurz vor Weihnachten nach einem Überfall ohne Ausweise, Geld und Wohnungsschlüssel dastand. Ihr Rat: "Es ist wichtig, dass die Opfer sich nicht isolieren. Opfer sollten sich Hilfe suchen und über das Erlebte reden."

Info Die Stelle ist unter 0221/39909964 oder poststelle@opferschutzbeauftragte.nrw.de erreichbar.

(tor)
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