Nach der NRW-Wahl Diese 16 AfD-Abgeordneten ziehen jetzt in den Landtag ein

Düsseldorf · Bis auf Marcus Pretzell dürften die zukünftigen AfD-Abgeordneten des Düsseldorfer Landtags für viele Bürger noch unbekannt sein. Unter ihnen sind ein Gymnasialdirektor, ein Arzt und ein Mann, der den Islam als "verbrecherische Ideologie" bezeichnet.

Mit 7,4 Prozent stoppte die AfD in Nordrhein-Westfalen zwar ihren Abwärtstrend in Umfragen, blieb aber insgesamt hinter ihren Erwartungen von vor einigen Monaten zurück. Noch im vergangenen Jahr hatte die Partei bei Landtagswahlen Werte zwischen 14 Prozent in Berlin und 24 Prozent in Sachsen-Anhalt erzielt und sich auch schon in NRW als drittstärkste Kraft gesehen. Zweistellig wurde es in NRW nicht, und trotzdem dürfte das Ergebnis zumindest Landeschef Marcus Pretzell gefallen. Die ersten 13 der insgesamt 16 Sitze im Landtag gelten als seine Gefolgschaft. Nur zwei Mitglieder der künftigen Fraktion gelten als Widersacher von Spitzenkandidat Pretzell. Ausgerechnet der größte Wahlkämpfer schaffte den Einzug in den Landtag nicht. Im Einzelnen:

NRW: Das ist die AfD-Fraktion im Düsseldorfer Landtag
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Foto: Bernd Wüstneck

Marcus Pretzell (43) ist seit Dezember mit der AfD-Vorsitzenden Frauke Petry verheiratet, beide erwarten ein gemeinsames Kind. Der Jurist hatte offenbar auf Druck der Rechtsanwaltskammer Hamm seine Zulassung als Rechtsanwalt zurückgeben. Darüber hatte unsere Redaktion vergangene Woche berichtet. Der NRW-Vorsitzende der AfD ist Europaabgeordneter und steht auf Listenplatz 1 der AfD-Landesliste. Pretzell fällt in den sozialen Netzwerken immer wieder durch zynische beziehungsweise chauvinistische Kommentare auf. Als die SPD die Kanzlerkandidatur von Martin Schulz bekannt gab, twitterte Pretzell "Die SPD hat einen Zeremonienmeister für ihr Ableben gefunden".

Roger Beckamp (42), Listenplatz 2, ist bislang Ratsherr in Köln. In die Schlagzeilen geriet er mit seiner Unterlassungsklage gegen die parteilose Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Diese hatte sich in einer Ratssitzung darüber beklagt, dass Köln während des AfD-Bundesparteitags in Köln im April als Bühne für die "Selbstdarstellung einer Partei missbraucht werden" solle, die zum "Sammelbecken für Propagandisten von Ausgrenzung und Fremdenfeindlichkeit" geworden sei. Das wollte die AfD so nicht hinnehmen. Sogar die Parteispitze um Frauke Petry schaltete sich ein. Rechtsanwalt Beckamp überreichte Henriette Reker in einer Ratssitzung eine Unterlassungserklärung, die diese aber nicht unterschreiben wollte. Daraufhin focht die AfD die Unterlassung vor Gericht durch.

Frank Neppe (50), Listenplatz 3, ist seit 2013 Schatzmeister der NRW-AfD und Ratsmitglied in Iserlohn. Er ist Frührentner, hat mehrere Jahre als Beamter bei der Bundeswehr gearbeitet, bis er 2010 in Pension ging. Auf der Internetvideoplattform Youtube gibt es ein Robbie-Williams-Cover von Neppe. Er gehörte der 2007 aufgelösten rechtspopulistischen Schill-Partei an.

Auch der Kandidat auf Listenplatz 4, Markus Wagner, aus Minden ist ein Ex-Schillianer. Er war sogar von 2003 bis 2006 der Bundesvorsitzende der Schill-Partei. Die Partei trägt den Namen des Hamburger Richters Ronald Schill. Der Kreisverband Minden machte im Januar 2016 auch Schlagzeilen wegen eines Facebook-Postings zu einer angeblichen Vergewaltigung einer Reinigungskraft in einem Flüchtlingsheim. Wie sich schnell herausstellte, handelte es sich dabei um eine Falschmeldung. Schließlich löschte der Kreisverband das Posting. Markus Wagner war damals Pressesprecher des Verbands.

Helmut Seifen, Listenplatz 6, ist Direktor eines Gymnasiums in Gronau im Münsterland. Er war jahrelang CDU-Mitglied. Als Beamter muss er aufpassen, dass seine politischen Aktivitäten nicht mit seiner Beamtentätigkeit kollidieren. Vermutlich muss er sich nun zwischen seinem Landtagsmandat und seiner Tätigkeit als Schulleiter entscheiden. Diskutiert wurde ein Auftritt von Seifen in einem anderen Gymnasium. In einer Unterrichtsstunde hatte er Schülern das AfD-Parteiprogramm dargelegt. Die Schulaufsichtsbehörde untersuchte den Zwischenfall.

Christian Loose, Jahrgang 1975, zieht auf Platz 7 in den Landtag ein. Der gelernte Diplom- und Bankkaufmann ist seit Gründung der Partei 2013 aktiv und sitzt seit 2014 im Bochumer Rat. Zudem ist er wirtschaftspolitischer Sprecher der NRW-AfD und leitet den Fachausschuss.

Auf Platz 8 der Landesliste und somit im Landtag ist AfD-Landesgeschäftsführer Andreas Keith aus Leverkusen. Keith kommt nach eigenen Angaben aus dem Bereich Marketing/Vertrieb und ist Teil des Landesvorstandes der NRW-AfD. Bei den umstrittenen Absprachen während der Wahl der Landesliste war er Teilnehmer der geheimen Whatsapp-Gruppe.

Nic Vogel, Listenplatz 9, kandidierte im Wahlbezirk Düsseldorf II. Der 50-Jährige besitzt einen Comicladen und ist Sohn eines Jazz-Musikers. Seit 2014 ist Vogel bereits Mitglied des Stadtrats, das einzige der AfD in Düsseldorf. Er stellte sich den Delegierten Ende 2016 als Mitglied im Gründungsausschuss und Orga-Team des "Alternativen Wissenskongresses" (AWK) vor. Nach Angaben von "blick nach rechts" — einem SPD-nahen Infoportal — sind AWK-Veranstaltungen für AfD-Rechtsaußenvertreter und für "Verschwörungstheoretiker jedweder Couleur" feste Events. Vogel schreibt über sich: "Studium der Menschheitsgeschichte. Seit 2010 intensive Recherchen zu Weltfinanzen, Realpolitik und schleichenden Demokratieverlust".

Auf Listenplatz 10 steht die erste Frau auf der AfD-Liste. Die Kölner Kandidatin Iris Dworeck-Danielowski war mal bei der PDS, Vorgänger der Linkspartei. Außerdem machte sie im Wahlkampf Schlagzeilen wegen einer verheimlichten Nebentätigkeit. Es wurde spekuliert, ob sie ihren Listenplatz trotzdem bekommen hätte, wenn ihre Nebentätigkeit den Landesdelegierten bekannt gewesen wäre.

Alexander Langguth ist Fraktionsvorsitzender der AfD im Rat der Stadt Iserlohn — und auf Platz elf bald Mitglied des Landtags. Der gelernte KFZ-Meister will vor allem Bildungsthemen wie die Debatte um G8/G9 behandeln.

Martin Vincentz ist mit 31 Jahren der jüngste AfD-Abgeordnete. Er zieht auf dem Listenplatz 12 in den Landtag ein. Der Krefelder Arzt hatte kein Direktmandat, weil er für seine Kandidatur nicht die erforderlichen 100 Unterschriften von Unterstützern bekommen hatte. Seit 2015 ist Vincentz Leiter des Landesfachausschusses Gesundheit und vertritt diesen auch auf Bundesebene.

Sven Tritschler ist der Bundesvorsitzende der Jungen Alternativen. Der 36-Jährige lebt offen homosexuell und arbeitet im Europaparlament für die ENF-Fraktion, der unter anderem auch der rechtsextreme Front National angehört. Er hat den Islam als "verbrecherische Ideologie" bezeichnet. An Silvester 2016 machte ein ironisches Facebook-Posting der Jungen Alternativen NRW die Runde, das auf die Ereignisse ein Jahr zuvor abhob. Außerdem erregte die JA NRW mit einer Fotomontage Aufsehen, die einen Benzinkanister, ein Feuerzeug und einen Koran zeigte. Darunter stand "Koran-Entsorgungspaket". Tritschler kandidierte auf Listenplatz 13.

Christian Blex, Listenplatz 14, kommt aus Warendorf in der Nähe von Münster. Er gilt anders als die ersten 13 Listenkandidaten nicht als Verbündeter von Marcus Pretzell. Er wird dem rechtsnationalen Flügel der Partei zugerechnet.

Das gilt ebenso für Thomas Röckemann, Listenplatz 16. Der Rechtsanwalt aus Minden unterlag Pretzell bei der Abstimmung über die Spitzenkandidatur nur knapp. Der 51-Jährige könnte ein Quertreiber in der neuen AfD-Fraktion sein. Röckemann steht wie Markus Wagner ebenfalls in Verbindung mit dem falschen Facebook-Posting zu der angeblichen Vergewaltigung in einer Flüchtlingsunterkunft.

Das vorletzte Listenmandat erhält indes Gabriele Walger-Demolsky, Jahrgang 1965, aus Bochum. Zuvor im Landesausschuss für Kultur und Medien, ist sie derzeit Mitglied im Landes- und Bundesfachausschuss Zuwanderung/Asyl/Integration sowie stellvertretende fachpolitische Sprecherin. Ihr Mann ist ebenfalls Parteimitglied. Die Familie vermietete Pretzell in Bochum eine Wohnung, sodass dieser seinen Wohnsitz in NRW anmelden konnte. Inzwischen ist er wieder in Düsseldorf gemeldet.

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Foto: dpa

Der Essener AfD-Mann Guido Reil hat es mit seinem Listenplatz 26 nicht in den Landtag geschafft — auch wenn er zu den bekanntesten Gesichtern der NRW-AfD gehört. Bergmann Reil, der 26 Jahre lang als SPD-Mitglied in Essen aktiv war und erst 2016 zur AfD wechselte, war eine Art Maskottchen im Wahlkampf. Mit seinem "Steiger"-Mobil tourte er vor allem durchs Ruhrgebiet und machte mit prominenten AfD-Gästen immer wieder Werbung bei der Arbeiterschicht. In Teilen von Essen und Gelsenkirchen kam die AfD auf 20 Prozent.

(heif)
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