Politikerin mit erfundener Vita Diese Strafe droht Petra Hinz im Fall einer Verurteilung

Essen · Die Staatsanwaltschaft Essen prüft, ob sich die SPD-Bundestagstagsageordnete Petra Hinz mit ihrem gefälschten Lebenslauf strafbar gemacht hat. Strafrechtler Udo Vetter hält es für durchaus möglich, dass es zu einer Anklage kommt.

 Petra Hinz bei einer Rede im Bundestag.

Petra Hinz bei einer Rede im Bundestag.

Foto: dpa, shp gfh

Wie Oberstaatsanwältin Anette Milk unserer Redaktion mitteilte, geht es bei den möglichen Straftaten um Betrug und den Missbrauch von geschützten Berufsbezeichnungen. Petra Hinz hatte in ihrem Lebenslauf für den Bundestag fälschlicherweise behauptet, das erste und zweite Staatsexamen zu haben und "Juristin" zu sein.

Die Bezeichnung "Jurist" ist aber im Gegensatz zu der Berufsbezeichnung "Anwalt" oder "Assessor" (nach Ablegen des zweiten Staatsexamen) nicht geschützt, wie der Düsseldorfer Strafrechtsexperte Udo Vetter sagt. "Allerdings gibt es seit einigen Jahren die geschützte Berufsbezeichnung des Diplom-Juristen, dementsprechend müsste nun geprüft werden, ob der Begriff 'Jurist' nun doch schützenswert ist." Zu behaupten, dass man Abitur habe oder ein Studium absolviert habe, sei dagegen keine Straftat, sagt Vetter.

Die Staatsanwaltschaft prüft derzeit, ob sich die 54-jährige Hinz, die weiterhin untergetaucht zu sein scheint, als Anwältin ausgegeben hat. "Wir wissen ja relativ wenig, außer dass sie auf ihrer und der Bundestagswebseite Ausbildungsschritte angegeben hat, die so nicht gegeben waren", sagt Vetter.

Diese beiden möglichen Straftatbestände stünden auch im Mittelpunkt der bislang eingegangenen Anzeigen, sagte Milk. Insgesamt handle es sich um "ein gutes Dutzend" Strafanzeigen. Außerdem prüfe die Ermittlungsbehörde, ob es möglicherweise eidliche Falschaussagen bei der Aufstellung von Hinz als Kandidatin gegeben haben könnte. Dies sei aber eher unwahrscheinlich, sagte Milk. Ihren Angaben zufolge wird die Prüfung all dieser Fragen bis Ende des Monats andauern.

Sollten sich konkrete Hinweise auf Straftatbestände ergeben, würde die Staatsanwaltschaft Essen die Aufhebung der Immunität von Petra Hinz beim Bundestag beantragen. Erst wenn das Parlament diesem Schritt zustimmt, kann die Ermittlungsbehörde tätig werden.

Hinz droht Geld- oder Freiheitsstrafe

Nach Vetters Einschätzung dürfte ein Anfangsverdacht im Fall Hinz vorliegen, die Staatsanwaltschaft müsste also Ermittlungen aufnehmen. Auch einen hinreichenden Tatverdacht sehe er bei der Politikerin. Dieser ist gegeben, wenn eine Verurteilung zu mehr als 50 Prozent wahrscheinlich ist. Dann würde Anklage erhoben.

Das unbefugte Führen von akademischen Titeln und geschützten Berufsbezeichnungen steht unter Strafe. Hinz würde im Fall einer Verurteilung eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von maximal einem Jahr drohen. "Meine Prognose: Im Fall Hinz dürfte es vermutlich bei einer Geldstrafe bleiben, die auch nicht unbedingt zu einer Vorstrafe führen dürfte", sagt Vetter.

Ihr Bundestagsmandat, das sie seit 2005 innehat, hat die Essenerin trotz dringender Appelle des Unterbezirksvorsitzenden Thomas Kutschaty bislang nicht niedergelegt. Die Essener SPD hatte Hinz mit einer Frist bis Mittwochabend dazu aufgefordert. Das hält Strafrechtler Vetter ebenfalls für bedenklich. "Da begibt man sich auf juristisches Glatteis."

Denn niemand kann die Politikerin zwingen, ihr Mandat niederzulegen. "Respekt vor dem Grundgesetz zu haben hätte bedeutet, keine Drohungen auszusprechen, sondern zu sagen: Wir wissen, dass wir dich nicht zwingen können, aber legen es dir nahe", sagt Vetter. Wenn dieses Ultimatum wiederum auf parteipolitische Konsequenzen — wie etwa ein Verfahren zu einem Parteiausschluss — abgezielt habe, dann sei das durchaus legitim.

(hüw)
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