SPD-Frau verwundert die eigene Partei Hannelore Kraft und ihre Patzer

Berlin/Düsseldorf (RP). Selbstmorde, Linkspartei und nun Hartz IV: Mit ihren Vorstößen irritiert die Spitzenkandidatin der NRW-SPD, Hannelore Kraft, Freund und Feind. Die Bundes-SPD muss die forsche Politikerin einfangen.

Hannelore Kraft - die alte und neue Ministerpräsidentin von NRW
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Am Aschermittwoch war's, da holte SPD-Landeschefin Hannelore Kraft zum Tiefschlag gegen das dreigliedrige Schulsystem in NRW aus. Es erzeuge so viel Druck, dass Kinder und Jugendliche zunehmend in den Selbstmord getrieben würden, entrüstete sich die 48-Jährige beim Aschermittwochs-Treffen in Schwerte. Wörtlich sagte sie an die Adresse der schwarz-gelben Landesregierung: "Wie weit sind die eigentlich weg von dem Druck, der da aufgebaut wird in unserem Bildungssystem? Wissen die eigentlich, wie die Zahl der Selbstmorde zunimmt bei den Kindern?"

Die CDU war entrüstet. Es sei "armselig", sich mit solchen Behauptungen Gehör zu verschaffen, erklärte NRW-Schulministerin Barbara Sommer (CDU). Krafts Äußerungen hätten nichts mit der Wirklichkeit zu tun. Die Zahl der Selbstmorde von Schülern sei mit jährlich etwa 40 Fällen seit Jahren nahezu konstant. Es dauerte eine Weile, bis Kraft einräumte, sie habe Selbstmordversuche, nicht Selbstmorde gemeint. Ihre Behauptung sorgte für Kopfschütteln, auch bei Genossen in Berlin.

Zuletzt stieß sie mit ihrer engagierten, aber in einem Punkt auch bemerkenswert dürftigen Rede auf dem Landesparteitag in Dortmund auf Verständnislosigkeit. So brachte es Kraft fertig, in ihrer 60-minütigen Ansprache kein einziges Wort zu möglichen Machtkonstellationen zu sagen. Will sie mit Grünen und Linken regieren, falls es dafür reichen sollte? Keine Antwort.

Krafts Behauptung, die SPD suche die Auseinandersetzung und nicht die Zusammenarbeit mit der Linken, geriet noch während des Parteitags ins Wanken. So wurde bekannt, dass ihr Stellvertreter, der Kölner Jochen Ott, sich mit der Landesvorsitzenden der Linkspartei, Katharina Schwabedissen, "zu einem Kaffee" in Düsseldorf getroffen hatte. Dass die beiden nicht nur übers Wetter geredet haben dürften, schien sonnenklar.

Kraft soll außer sich vor Wut gewesen sein. Sie stellte klar, dass es sich um ein nicht abgesprochenes Vorgehen gehandelt habe. Schnell kam auch Ott zu der Einschätzung, dass die Linke nicht regierungsfähig sei. Eine endgültige Absage gibt es bisher aber nicht.

Solange sie dies in der Schwebe halte, werde die CDU sie weiterhin als "Kraftilanti" bezeichnen, kündigte nun der neue CDU-Generalsekretär Andreas Krautscheid unter Anspielung auf die Ex-SPD-Spitzenkandidatin in Hessen, Andrea Ypsilanti, an. Ypsilanti hatte erst Nein zu einem rot-roten Bündnis gesagt, nach der Wahl aber ein solches versucht. Der frühere SPD-Fraktionschef, Friedhelm Farthmann, warnt vor dem Wackelkurs und einem Bündnis mit der "Chaotentruppe".

Und nun die Hartz-IV-Debatte. An der Parteispitze wird der Vorstoß intern noch diplomatisch als "verunglückt" bezeichnet. Nun müsse man eben eilig versuchen, Hannelore Krafts Thesen in das Hartz-IV-Konzept der Partei einzuarbeiten, erklärt ein SPD-Präsidiumsmitglied leicht genervt. Man dürfe jetzt nichts tun, was Kraft schaden könnte. In dieser Woche soll es mehrere Gespräche zwischen Kraft und dem Chef-Autor des neuen Sozialstaats-Konzepts, Olaf Scholz, geben.

(RP)
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