NRW-Diskussion um Gemeinschaftsschule Gutachter: Rot-grüne Pläne verfassungswidrig

Die von der rot-grünen NRW-Landesregierung geplante Einführung der Gemeinschaftsschule ist nach Einschätzung eines Gutachters der Universität Bonn verfassungswidrig. Das Vorgehen der Regierung, den einzelnen Schulen die Entscheidung zu überlassen und das Parlament nicht einzubeziehen, sei so nicht zulässig.

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Das sagte der Jurist Klaus Ferdinand Gärditz am Dienstag in Düsseldorf. Gleiches gelte für die den Schulen eingeräumte Wahlmöglichkeit, das Abitur nach acht oder neun Jahren abzubieten. Die Einführung setze "zwingend ein Parlamentsgesetz" voraus, heißt es in derr Expertise des Verfassungsrechtlers. Insbesondere die angestrebte Kommunalisierung wesentlicher schulstrukturpolitischer Entscheidungen verstoße gegen das Demokratieprinzip. Die Expertise hatte der NRW-Philologenverband in Auftrag gegeben.

Der Vorsitzende des Verbandes, Peter Silbernagel, warf der rot-grünen Minderheitsregierung vor, den Düsseldorfer Landtag bei der Einführung der Gemeinschaftsschule zu umgehen. Einschneidende Strukturveränderungen würden der parlamentarischen Auseinandersetzung entzogen. Die Landesregierung müsse ihre Vorgaben zur Einführung der Gemeinschaftsschule sofort zurücknehmen. Kommunale Entscheidungsträger dürften sich nicht "ins Unrecht setzen und Klagen provozieren".

Zunächst Verzicht auf Gesetz

Die Landesregierung will Anträge der Kommunen auf Gründung von Gemeinschaftsschulen im Rahmen der Experimentierklausel genehmigen. Auf ein Gesetz soll solange verzichtet werden, bis nicht mehr als 40 Gemeinschaftsschulen beantragt werden. Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) will am Mittwoch die erste Gemeinschaftsschule im westfälischen Ascheberg genehmigen.

Gärditz hielt der Minderheitsregierung vor, sie versuche "durch die Hintertür eine neue Schulform einzuführen". Zwei Gemeinschaftsschulen würden für einen Versuch und für wissenschaftliche Schlussfolgerungen daraus völlig ausreichen. Die Regierung plane aber, die Gemeinschaftsschule flächendeckend einzuführen.

Beschlüsse über Schulformen hingen aber von politischen Wertungen ab und bedürften deshalb eines geordneten parlamentarischen Verfahrens, so Gärditz. Entscheidungen, ob die Klassen fünf und sechs gemeinsam unterrichtet oder ob acht oder neun Schuljahre zum Abitur führen, dürften nicht an einzelne Schulen oder Kommunen delegiert werden.

Dies seien "wesentliche Kernelemente der Schulform", die nach gängiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gesetzlich zu regeln seien. Entscheidungen von Schulkonferenzen verstießen im Falle von Schulformfestlegungen "gegen das Demokratieprinzip".

Gärditz: Juristische Schritte möglich

Gärditz betonte, dass neue, auch parallel existierende Schulstrukturen nicht ausgeschlossen seien. Der Gesetzgeber müsse dafür aber die Voraussetzungen schaffen. Dies sähen die rot-grünen Pläne nicht vor. Vielmehr berufe sich Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) auf das Schulgesetz, das Schulen Versuche erlaube.

Diese Regelung gelte jedoch nur für Einzelschulen und nicht für grundsätzliche Strukturveränderungen, meinte der Gutachter. Seinen Angaben zufolge können Betroffene juristische Schritte einleiten, wenn Gemeinschaftsschulen genehmigt werden sollten. Dazu gehörten Eltern ebenso wie Fraktionen im Landtag, die ihre Mitbestimmungsrechte verletzt sähen.

(DDP/KNA/das)
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